Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Aristotelismus
bezeichnet die philosophischen Theorien des Aristoteles († 322 v.Chr.), der Schüler u. Mitarbeiter Platons († 347 v.Chr.) war, sowie auch die Einflüsse dieser Philosophie in der Antike, in Judentum u. Islam, in der Scholastik des Mittelalters u. in der Renaissance. Die ”erste Philosophie “ (oder Metaphysik “) stellt die Basis sämtlicher Wissenschaften dar, weil sie den Begriff des Seienden (”to on“) darlegt, den alle Wissenschaften benötigen. Sie sucht nach den obersten oder letzten Ursachen des Seienden u. wird dadurch zur Theologie. Bei allen vielfältigen Möglichkeiten des Seienden hält sich seine Beziehung zum Einen u. zu einer Natur durch; diese Beziehung des Seienden zum Einen bedeutet reales Abhängigsein. Gäbe es die unveränderliche göttliche ”Seiendheit“ (”ousia“) nicht, dann könnte auch die veränderliche, wahrnehmbare ”Seiendheit“ des Seienden nicht sein. Nur der göttlichen ”ousia“ kommt das volle Ist-Sein zu; es ist identisch mit reiner Tätigkeit; die göttliche ”ousia“ ist sich selber denkender Geist (”noesis noeseos“). Die veränderliche, wahrnehmbare ”ousia“ des Seienden wird als ”erste“ (formbare) Materie gedacht, auf die das gestaltgebende Prinzip Form einwirkt (Hylemorphismus). Die Ethik des Aristoteles schenkt den Tugenden größte Aufmerksamkeit, unter denen die Gerechtigkeit die bedeutsamste ist (Zusammengehörigkeit von Ethik u. ”Politik“). Die Aktivität der Tugenden bezieht sich auf die Ordnung der Antriebe (Affekte) u. auf die Erkenntnis der ethischen Pflichten. Die höchste Gut ist für Aristoteles das Glück des Menschen, das dieser als Gemeinschaftswesen (”zoon politikon“) jedoch nur in Gemeinschaft realisieren kann. In der Zeit der Kirchenväter fand Aristoteles keine breite Beachtung; gelegentlich wird auf seine Übereinstimmung mit dem damals hoch geschätzten Platon hingewiesen. Der Islam wandte dem A. große Aufmerksamkeit zu; etwa Mitte des 10. Jh. waren alle Schriften des Aristoteles ins Arabische übersetzt. Auf dem Weg über den Islam in Spanien erlangte auch das Judentum Kenntnis des A. In beiden großen Religionen fanden sich Philosophen, die in der Klarheit der aristotelischen Philosophie eine gute Voraussetzung für das Glaubensverständnis sahen. Mitte des 13. Jh. waren fast alle Schriften des Aristoteles ins Lateinische übersetzt; der philosophische A. wurde an allen mittelalterlichen Universitäten gelehrt. Die scholastische Theologie übernahm den A. nicht als geschlossenes System. Unter den von ihr, besonders im Thomismus, ausgewählten aristotelischen Theorien ragen hervor: Der Hylemorphismus, die Lehre von Potenz u. Akt, Substanz u. Akzidens, die Finalität. Abgelehnt wurde von den meisten die Theorie von der Ewigkeit der Welt.
bezeichnet die philosophischen Theorien des Aristoteles († 322 v.Chr.), der Schüler u. Mitarbeiter Platons († 347 v.Chr.) war, sowie auch die Einflüsse dieser Philosophie in der Antike, in Judentum u. Islam, in der Scholastik des Mittelalters u. in der Renaissance. Die ”erste Philosophie “ (oder Metaphysik “) stellt die Basis sämtlicher Wissenschaften dar, weil sie den Begriff des Seienden (”to on“) darlegt, den alle Wissenschaften benötigen. Sie sucht nach den obersten oder letzten Ursachen des Seienden u. wird dadurch zur Theologie. Bei allen vielfältigen Möglichkeiten des Seienden hält sich seine Beziehung zum Einen u. zu einer Natur durch; diese Beziehung des Seienden zum Einen bedeutet reales Abhängigsein. Gäbe es die unveränderliche göttliche ”Seiendheit“ (”ousia“) nicht, dann könnte auch die veränderliche, wahrnehmbare ”Seiendheit“ des Seienden nicht sein. Nur der göttlichen ”ousia“ kommt das volle Ist-Sein zu; es ist identisch mit reiner Tätigkeit; die göttliche ”ousia“ ist sich selber denkender Geist (”noesis noeseos“). Die veränderliche, wahrnehmbare ”ousia“ des Seienden wird als ”erste“ (formbare) Materie gedacht, auf die das gestaltgebende Prinzip Form einwirkt (Hylemorphismus). Die Ethik des Aristoteles schenkt den Tugenden größte Aufmerksamkeit, unter denen die Gerechtigkeit die bedeutsamste ist (Zusammengehörigkeit von Ethik u. ”Politik“). Die Aktivität der Tugenden bezieht sich auf die Ordnung der Antriebe (Affekte) u. auf die Erkenntnis der ethischen Pflichten. Die höchste Gut ist für Aristoteles das Glück des Menschen, das dieser als Gemeinschaftswesen (”zoon politikon“) jedoch nur in Gemeinschaft realisieren kann. In der Zeit der Kirchenväter fand Aristoteles keine breite Beachtung; gelegentlich wird auf seine Übereinstimmung mit dem damals hoch geschätzten Platon hingewiesen. Der Islam wandte dem A. große Aufmerksamkeit zu; etwa Mitte des 10. Jh. waren alle Schriften des Aristoteles ins Arabische übersetzt. Auf dem Weg über den Islam in Spanien erlangte auch das Judentum Kenntnis des A. In beiden großen Religionen fanden sich Philosophen, die in der Klarheit der aristotelischen Philosophie eine gute Voraussetzung für das Glaubensverständnis sahen. Mitte des 13. Jh. waren fast alle Schriften des Aristoteles ins Lateinische übersetzt; der philosophische A. wurde an allen mittelalterlichen Universitäten gelehrt. Die scholastische Theologie übernahm den A. nicht als geschlossenes System. Unter den von ihr, besonders im Thomismus, ausgewählten aristotelischen Theorien ragen hervor: Der Hylemorphismus, die Lehre von Potenz u. Akt, Substanz u. Akzidens, die Finalität. Abgelehnt wurde von den meisten die Theorie von der Ewigkeit der Welt.