Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Anthropomorphismus
   (griech. = nachMenschenart oder -gestalt geprägte Rede, nämlich von Gott). Die biblischen Offenbarungszeugnisse reden häufig ”nachMenschenart“ von Gott, indem sie Gott menschliche Gefühle u. Verhaltensweisen, ja sogar Atem u. Gliedmaßen zuschreiben (lachen, zürnen, schlafen, erwachen, bereuen, Mund, Nase, Rücken, Füße usw.). Gott wird dadurch als lebendige, nahe u. dynamische Persönlichkeit dargestellt. Zugleich lassen andere Texte seine Unbegreiflichkeit, ja eine transzendente Ferne erkennen. Immer bleibt sein unendlicher qualitativer Abstand zu jeder Kreatur gewahrt. Im Unterschied zu anderen orientalischen Religionen war im biblischen Offenbarungsbereich Gottes Gestalt nie sichtbar: Er bekundete sich in Wort u. Geist, offenbarte seinen Namen, gestattete aber kein Bild von Menschenhand; sein Bild sind die von ihm geschaffenen Menschen, ist Jesus Christus (Gottebenbildlichkeit). – Schon früh wurden Probleme empfunden: Gibt es nicht menschliche Eigenschaften u. Verhaltensweisen, die nicht geeignet sind, die Göttlichkeit Gottes auszusprechen? Wie ist Gottes Güte mit der ihm zugeschriebenen Veranlassung von Übeln u. mit Willkür zu vereinbaren?Wie ist mit widersprüchlichen Anthropomorphismen umzugehen? Die theol. Reflexionen über die Wege der Erkennbarkeit Gottes u. über die Notwendigkeit, in jeder Rede über Gott auf die Analogie zu achten, haben die Fragen nur zu einem Teil klären können. Das spezifisch menschliche, an die Anschauung gebundene Erkennen bewirkt, daß das Bildhafte einen Erkenntnisüberschuß gegenüber dem Abstrakten hat, wenn auch beide vor dem unendlichen Geheimnis Gottes verstummen müssen.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Anthropomorphismus