Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Anamnese
   (griech. = Wiedererinnerung) ist ein Grundbegriff der Sakramententheologie (Liturgie) . Er beruht auf jener allgemein menschlichen Erfahrung, daß einmalige Ereignisse u. Erlebnisse, die von entscheidender Bedeutung waren u. noch sind, immer neu ”realisiert“ werden können. Handelt es sich bei solchen Ereignissen um Heilstaten Gottes, dann tritt noch die Überlegung hinzu, daß bei Gott u. in Gott diese vergangenen Ereignisse selber u. nicht nur ihre Wirkungen reine Gegenwart sind. Sie werden daher dort, wo Menschen die Gegenwart Gottes realisieren, mit vergegenwärtigt. Höhepunkte in der Geschichte Gottes mit derMenschheit sind in dem vom Judentum lebenden christlichen kulturellen Gedächtnis: Der Exodus des jüdischen Volkes aus der ägyptischen Knechtschaft als entscheidendes u. bis heute gültiges Heilsereignis u. die Besiegelung des Bundes Gottes mit der Menschheit in Tod u. Erhöhung Jesu. Von der A. dieser beiden Ereignisse sind daher bis heute die jüdische (Pesach-Pascha) u. christliche (Abendmahl-Eucharistie) Liturgie geprägt: Das geschichtlich einmalige Ereignis – hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu Kulten der ”Wiederholung“, z. B. des Naturzyklus, in andern Religionen – wird feiernd gegenwärtig gesetzt; es behält dabei seine Einmaligkeit, aber die Feiernden realisieren u. aktualisieren es als Ereignis, das auch für sie Heilsbedeutung hat, auch im Sinn einer Verheißung des zukünftigen Heils. Die Heilsereignisse, die in der Liturgie anamnetisch vergegenwärtigt werden, haben überindividuelle Bedeutung, ja sie konstituieren ihrerseits Glaubensgemeinschaft. Daher ist diese u. nicht primär der einzelne Glaubende Träger der A. Die christliche Liturgie, namentlich in ihren Hochgebeten, ist grundsätzlich aufgebaut als A., Epiklese u. Doxologie. (Vgl. auch Mysterientheologie, Erinnerung .)
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