Herbert Vorgrimler. Neues Theologisches Wörterbuch
Altes Testament
   1. Altes Testament als Heilige Schrift. Was Christen von 2 Kor , 14 aus als ”Altes Testament“ bezeichnen, ist die Heilige Schrift des Judentums u. der größere Teil der Heiligen Schrift des Christentums (lat. ”testamentum“, griech. ”diatheke“, hebr. ”berit“ = Treueverpflichtung, Verfügung, theol. Bund). Die Sammlung unterschiedlicher Schriften, deren älteste Texte ins 2. Jahrtausend v.Chr. zurückgehen dürften, war ein Jahrhunderte dauernder Vorgang. Der Kanon der hebräischen Bibel war im Wesentlichen um 100 n.Chr. abgeschlossen. Die Einteilung des AT ist bei den Christen anders als bei den Juden (Tenak). Röm.-kath. u. orthodoxe Christen zählen aufgrund der LXX Tob, Jdt, Weish, Sir, Bar, 1 u. 2 Makk zum AT , während diese Schriften für die Juden u. Protestanten nicht zum Kanon gehören (Apokryphen). Wegen der immer wieder zu befürchtenden u. vorkommenden Abwertung des AT als ”überholt“ u. ”veraltet“ sprachen die Kirchenväter auch vom ”Ersten Testament“, eine Bezeichnung, die nach dem II. Vaticanum von der Päpstl. Bibelkommission wieder aufgenommen wurde. – Das AT ist, wie für Jesus u. das ganze NT , verbindliche Heilige Schrift der Christen, nicht nur als bleibendes Wort Gottes über Gott, Schöpfung, Gottes Willen, humane Weltgestaltung in Gerechtigkeit u. Liebe, Zukunft der Schöpfung, sondern auch in ihren menschlichen Eigentümlichkeiten: Bleibende Bedeutung der hebräischen Sprache in ihrer Eigenart; liturgisches u. nichtliturgisches Gotteslob; konkreteMenschen- u. Geschichtsauffassung; Zeugnisse des Leidens u. der Klage; Lebensweisheiten u. a. Zur Interpretation: Bibelwissenschaften . Nicht übersehen werden darf, daß das AT auch israelische Literaturgeschichte darstellt u. eine jüdische Nachgeschichte hat.   2. Altes Testament (”Alter Bund“) als heilsgeschichtliche Größe umfaßt jene Zeit der Erfahrung u. Selbsterschließung Gottes, die theologisch ihren Anfang im Bund Gottes mit Abraham u. im Exodus (Auszug) Israels aus der ägyptischen Knechtschaft hat sowie im Bund Gottes mit Israel unter der Führung des Mose am Sinai gipfelt. Zeitlich rückwärts ”hinter“ dieser Zeit liegt, dem AT als Buch u. als Offenbarung Gottes zugehörig, die Uroder Vorgeschichte mit dem Bund Gottes mit der gesamten Menschheit u. Schöpfung (Noach). Das AT als heilsgeschichtliche Größe weist insoweit eine Begrenzung auf, als sie nur die Heilsgeschichte Gottes mit seinem Volk Israel umfaßt, während zur Heilsgeschichte überhaupt auch – nach dem Wortlaut u. Verständnis des AT selber – die Verheißung an die Heiden (”Völker“) gehört u. es nach jüdischer wie christlicher Meinung auch außerhalb des erwählten Volkes Gottes Gnade u. Heilsmöglichkeiten gab u. gibt. Hinsichtlich der Bedeutung u. fortdauernden Geltung dieser besonderen Heilsgeschichte besteht innerhalb der christlichen Theologie in folgenden Punkten Übereinstimmung: Der eine Gott selber hat sich in dieser Geschichte als gegenwärtig erfahren lassen; er hat Israel zur Anerkennung seiner Einzigkeit geführt (Monotheismus); er hat Israel seinen Namen bekanntgegeben (Jahwe); er hat seinen Willen mit der Schöpfung u. ihr Ziel geoffenbart, das er trotz aller menschlichen Verweigerungen erreichen werde (Erlösung). Die Erwählung des kleinen Volkes Israel u. Gottes Bund mit ihm sind in christlicher Sicht der konkrete geschichtliche Weg, auf dem Gott Israel in Dienst nahm, um die Menschheit im ganzen zu ihrem Ziel, der beseligenden Gemeinschaft mit Gott in der vollendeten Schöpfung, zu führen. Da die Vorfahren im Glauben auch für Christen unentbehrliche Glaubenszeugen sind, die Schriften des AT Gottes Offenbarung, Verheißungen u.Wegweisung für alle Zeiten enthalten, die Gebete u. Hoffnungen Israels auch die Gebete u. Hoffnungen der Christen sind u. das Christentum ohne die Geschichte Israels, die seine eigene Herkunft u. Vergangenheit ist, unerklärlich bleibt, besteht dieser Dienst des für immer erwählten Volkes Israel weiter: ”Das Heil kommt von den Juden“ (Joh 4, 22). – Die Unterschiede innerhalb der christlichen Theologie beziehen sich auf das Verhältnis des Alten Bundes zum Neuen Bund. Immer noch begegnen krasse, aus Unkenntnis oder Bösartigkeit entstehende Fehldeutungen, wie sie zuerst von dem Irrlehrer Markion im 2. Jh. vorgelegt wurden, der den guten Erlösergott des NT gegen den angeblich bösen Schöpfergott des AT ausspielte. Eine Fehldeutung ist ebenso die Meinung, der Neue Bund habe den Alten Bund ungültig gemacht u. abgelöst. Die aus dem NT selber entstehenden Fragen sind bis heute weitgehend ungelöst bzw. noch nicht im Sinn eines Konsenses beantwortet. Dazu gehört das Problem antijüdischer u. polemischer Äußerungen im NT , bei denen darüber diskutiert wird, inwieweit sie zu jüdischen ”Familienstreitigkeiten “ (insbesondere zur Thematik des Gesetzes, der Tora) oder aber zum Sondergut der von der Synagoge schon getrennten Kirche zu rechnen sind (Antijudaismus). Dazu gehört die Auffassung, die Verheißungen des Alten Bundes seien im Neuen Bund erfüllt (im NT in zahlreichen ”Erfüllungszitaten“ dokumentiert), während nach anderen Hinweisen die Verheißungen des AT über Jesus hinaus einen bleibenden Überschuß haben (Messias) . Für die kath. Theologie bedeutet der Rückgriff des II. Vaticanums auf eine alte, vermeintlich nicht antijüdische Tradition keinen Fortschritt im Hinblick auf die Eigenständigkeit u. bleibende selbständige Geltung des AT : Der Neue Bund sei im Alten verborgen, der Alte im Neuen erschlossen; die Bücher des Alten Bundes erhielten u. offenbarten erst im Neuen Bund ihren vollen Sinn, umgekehrt beleuchteten u. deuteten sie diesen (DV 16 , vgl. auch 14 f.). Vielmehr müßte erkannt werden, daß ”Neuer Bund“ die auch heute noch fortbestehende Möglichkeit einer Erneuerung des Bundes Gottes mit Israel bedeutet, in den durch den Juden Jesus auch Nichtjuden einbezogen oder wenigstens heilsrelevant ihm zugeordnet werden können. Vgl. auch Neues Testament , Judentum und Christentum , Prophet .
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