Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Zier
Fem. , ahd. ziari, abgeleitet vom veralteten Adjektiv zier, ahd. ziari, mhd. ziereglänzend, prächtig‹ (verwandt engl. tire›Putz‹), das vereinzelt noch von Tieck über Wagner bis Rilke verwendet wurde (L059 DWb); Zier im 17./ 18. Jahrhundert literarisch noch häufig, doch laut L003 Johann Christoph Adelung 1786 »in dem gew. Sprachgebrauche veraltet«; von Unzier abgeleitet das noch gebräuchliche verunzieren (L308 Kaspar Stieler); ›Pracht, Schönheit (der Natur, des menschlichen Körpers, von Gebäuden)‹, seit dem Mittelhochdeutschen, vor allem seit dem 16. Jahrhundert auf Geistiges und Seelisches, besonders im 17. Jahrhundert auf die deutsche Sprache bezogen: Von der Zuebereitung und Ziehr der Worte (Opitz, Poeterey). SynonymZierde ahd. zierida; seit dem Frühneuhochdeutschen allgemein wie ↑ "Schmuck", präpositional mit zu, mit Genitiv; übertragen, im Sinne von ›Muster‹ (1624; L059 DWb) in Wendungen wie die Zierde ihres Geschlechts (1810–12; ebenda), ›Verschönerung‹: Früher sagte man: ›Die Frau ist die Zierde des Mannes‹ (B.A254 Botho Strauß, Paare 64);
Zierat Mask. , mhd. zierot, mit demselben Suffix gebildet wie "Armut" (↑ "arm"), ↑ "Kleinod" usw., fälschlich als Zusammensetzung mit Ratgefaßt, daher früher auch Zierrat (L004 Johann Christoph Adelung); zuweilen Fem. , daher früher auch der Plural Zieraten: andere Zierrathen in die Decke (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 28.3.03); heute Zierate;
zieren (ahd. )
1schmücken‹; häufiger steht jetzt der Gegenstand, der zur Zierde gereicht, als Subjekt; anders bei den Zusammensetzungen aufzieren (bei Goethe u. a. wie aufputzen), auszieren (wie ausschmücken), verzieren;
2.1 reflexiv sich zieren seit Anfang des 18. Jahrhunderts auch ›eine gekünstelte Haltung annehmenNehmen Sie [den Ring], mein Herr. Sie haben Sich doch wohl nicht bloß gezieret? (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Minna 4,6);
2.2 daraus ist bald die heute übliche Bedeutung entstanden ›tun, als wenn man etwas nicht möchte, was man doch in Wirklichkeit gern magSie hat sich zuerst ein bißchen geziert, ob sie das Geschenk überhaupt annehmen soll (J.A006 Jurek Becker, Lügner 42), häufig mit zuund Infinitiv; dazu das Partizip "geziert" ›gekünstelt‹, ferner Geziere,
Ziererei (L004 Johann Christoph Adelung);
zierlich mittelhochdeutsch von dem einfachen Adjektiv ziere(s. oben) in der Bedeutung nicht verschieden; in der älteren ⇓ "S010" Rechts- und Kanzleisprache ›feierlich, förmlich‹: ein zierlicher Eid (L004 Johann Christoph Adelung), vgl. auch überhaupt zog er Zusammenkünfte, wie die bei Hornich, den zierlichen und steifen am Kartentische vor(H.Jacobi); in älterer Stilistik: gut zierlich tütsche (Niklas von Wyle; L059 DWb); elegantz oder ziehrligkeit (A203 Martin Opitz, Poeterey Kap. 6); seit dem 18. Jahrhundert allmählich auf ›von kleiner, anmutiger Gestalt oder Form, graziös‹ ⇓ "S029" eingeschränkt.
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