Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Ziel
ahd. / mhd. zil; nur hochdeutsch, mit Verwandtschaft in den übrigen germanischen Sprachen (got. [ga]tils, altengl./ altfries. til ›passend‹, altnord./ altengl./ altfries. Präposition ›bis, zu‹; vgl. weiter "zielen", s. unten);1 zunächst ›festgesetzter Punkt, der dazu dient, Richtung und Ende einer Bewegung zu bestimmen‹. Häufig übertragen ›was die Richtung einer Tätigkeit bestimmt‹: das Ziel seiner Wünsche, ihres Strebens, ihrer Bemühungen usw. Besonders beim Schießen, Werfen,
über das Ziel hinausschießen: sie hatten im blinden eifer immer über das ziel hinaus geschossen (Eichendorff; L059 DWb). Früher sich zum Ziel legen, ursprünglich wohl vom Wild gebraucht, ›sich ergeben, nachgeben‹: er ruht nicht, bis du dich zum Ziel legst (Pestalozzi); wodurch denn alles nach und nach sich zum Ziele legt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 21.10.21); Ziel als angestrebter Endpunkt auch beim Wettlauf, das früher gewöhnlich in einem Pfahl bestand, daher ein Ziel stecken, gewöhnlich übertragen (Luther);
2 indem nicht mehr an die Bewegung auf das Ziel zu gedacht wird, sondern nur an ihr Ende ›Grenze, Schranke‹, da er dem Regen ein Ziel machte (Luther); allgemein üblich, auch schon bei Luther
einer Sache ein Ziel [›Ende‹] setzen; häufige Verbindung Maß und Ziel; wir rühmen uns nicht über das Ziel, sondern nur nach dem Ziel der Regel, damit uns Gott abgemessen hat das Ziel (Luther); zeitlich gedeutet (mhd. ): daß es ein Ende mit mir haben muß und mein Leben ein Ziel hat(Luther); dieses Dranges ist kein Ziel zu sehen (Schiller);
3 mittelhochdeutsch, jetzt besonders süddeutsch ›festgesetzter Zeitpunkt, an dem etwas geschehen soll, Termin‹ (Plural zuweilen Zieler); am häufigsten ⇓ "S106" kaufmannssprachlich ›Zahlungstermin‹ (1283; L277 Alfred Schirmer, Kaufmannssprache), auf Ziel (1466; ebenda) Gegensatz zu gegen Barzahlung; auch ›Termin für Umzug oder Wechsel des Dienstes‹; in allgemeinem Sinn: weil das Ziel näher rückt, da ich dich wiedersehe (Goethe).
zielbewußtmit klarem Ziel, unbeirrt‹ (1834; L360 ZDW8,140) zielbewuszte staatsführung (1935; L059 DWb);
Zielstellung"S045""S149" »Neupräg. DDR« (L337 WdG) seit 1959 belegt, Zusammenbildung aus (als) Ziel stellen (seit 1954) analog Aufgabe stellen, Aufgabenstellung, aber unter Einfluß des Russischen (L217 MuSpra 97,37ff.);
zielstrebig zuerst 1876 K.E.Baer in naturwissenschaftlichem Kontext ›teleologisch‹ (L059 DWb), zugleich mit Zielstrebigkeit; dann auch allgemeiner zielstrebige handlung (1921; L059 DWb);
zielen ahd. zilen, zilon (got. gatilon, engl. tillackern‹ mit Spezialisierung der Bedeutung); mittelhochdeutsch u. a. ›erzeugen‹, noch Haller Täler, wo kein Wein und wenig Korn gezielet wird; ↑ "erzielen"; jetzt am gewöhnlichsten vom Schützen, v. a. mit nach oder auf. Daneben in allgemeinerer übertragener Bedeutung ›auf etwas gerichtet sein, deuten, sich auf etwas beziehen‹ (frühnhd.): dahinaus zielte deine Teilnehmung (Schiller); das Wohl der ganzen Welt ist's, worauf ich ziele (Goethe); seine Bewerbungen zielten eigentlich auf die Nichte (Tieck); auf was zielen deine Lehren?(Lessing); selten transitiv und danach mit Umsetzung ins Passiv: das schien auf mich gezielt zu sein. ⇑ "abzielen", "gezielt".
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Ziel