Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Wurzel
ahd. wurzula, mhd. wurzel, westgermanisch, wohl ursprünglich eine Zusammensetzung mit Wurz (↑ "würzen");1im Boden befindlicher Teil von Pflanzendie eichen… fassen tiefer wurzeln(Neukirch; L059 DWb);
2 Pflanzen, die eine eßbare Wurzel haben, u. a. für ›Mohrrübe‹ im »mittl. u. westl. Teil Norddeutschlands« (ebenda) (L171 Paul Kretschmer 337);
3 übertragen auf Gegenständliches, Wurzel des Berges (1466; L059 DWb), der Zähne (1528; ebenda), auf Abstraktes, auch bedingend: denn geitz ist eine wurtzel alles vbels (Luther; ebenda), wurzel des lebens (J.Böhme; ebenda), bis in die Wurzeln seines [des Lebens] Herzens (A200 Friedrich Nietzsche, Zarathustra 147); wurzel(n) setzen (1541; L059 DWb) / fassen (1689; ebenda), heute
⊚⊚ Wurzel(n) schlagen: wenn die hällische freyheit… wurtzeln schlagen wird (1725 Gottsched; ebenda), mit der Wurzel / bis auf die Wurzel ausrotten: [Pharao] wolt gerne das volck Israel mit wurtzel und allem ausrotten (Luther; ebenda);
4 fachsprachlich als Lehnbedeutung von lat. radix
4.1"S130" mathematisch »Zahl, die einer Potenz zugrundeliegt« (L097 GWb), »um 1400 für die quadratw.« (L059 DWb), generalisiert 1711 (Wolff; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), bei A051 Hans Magnus Enzensberger wortspielerisch als Verb (s. unten) Die Mathematiker (Titel) Wurzeln, die nirgends wurzeln (1991 Zukunftsmusik 26);
4.2"S208" sprachwissenschaftlich ›Stammwort‹ (1571; L059 DWb), die Würtzelen oder Stammwörter (1641 L283 Justus Georg Schottelius, 87), dazu Wurzelwort (1643 Zesen; E.L188 Ernst Leser), L169 Matthias Kramer 1702 »voce radicale«;
4.3 in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft ›nicht mehr zerlegbare, z. T. erschlossene historische Grundform, die Wörtern unterschiedlicher Sprachen zugrundeliegt‹, ansatzweise 1770 Herder (L059 DWb), dann 1811 J.Grimm (ebenda).
wurzeln spätahd. wurzellon, mhd. wurzel(e)n; ›Wurzel treiben oder schlagen‹, haben mächtige Bäume hie und da zu wurzeln Gelegenheit gefunden (Goethe); vielfach übertragen daß jene Repräsentanten der Nationalität im deutschen Boden weit tiefer wurzeln (Heine), ungewöhnlicher, aber durch den Gegensatz bedingt wurzelnd in die Abgründe der Schöpfung und hinaufragend in die blauen Geheimnisse des Himmels(ders. ); alle Augen wurzelten auf mirwaren fest auf mich geheftet‹ (Schiller). Seltener transitiv oder reflexiv, doch ist neben gewurzelt haben üblicher gewurzelt sein: auch sind Begierden nach Reichtum in seiner sonst edleren Seele gewurzelt(Klopstock), keine Feindschaft war so tief gewurzelt (Schiller), auch attributiv: tiefgewurzelten Zwist (Görres). Zusammensetzungen anwurzeln intransitiv: tausend Ranken wurzelten an (Goethe); transitiv: da hat mich's angewurzelt, daß ich nicht fliehen kann (Schiller); am gewöhnlichsten ist das Partizipialadjektiv angewurzelt, wie angewurzelt stehen; einwurzeln intransitiv : du hast ihn [einen Weinstock] lassen einwurzeln, daß er das Land erfüllet hat(Luther), ich stehe, als wurzelt' ich in zauberischem Grunde ein (Wieland), Perfekt mit haben: ich habe eingewurzelt bei einem Volk(Luther), jetzt ungebräuchlich; transitiv (jetzt unüblich): Gott hat Gebirge fest darauf eingewurzelt (I.Kant), durch die Liebe eingewurzelt und gegründet zu werden (Luther); öfter bei Goethe, so hatte sich diese Gesinnung fest bei ihm eingewurzelt; wieder am gewöhnlichsten das Partizipialadjektiv: (in den oder dem) Boden eingewurzelt sein oder stehen, eingewurzeltes Vorurteil usw.; verwurzeln (früher selten): mein Dasein ist mit dem Dasein meines Bruders so innig verbunden und verwurzelt (Goethe); auswurzelnmit der Wurzel ausreißen, ausrotten‹: mein Geschlecht müsse ausgewurzelt werden (Luther), wurzle mir's [das Laster] aus dem Herzen (Schiller), veraltet; entwurzeln: entwurzelte tannen (Wieland; L059 DWb), entwurzelte geschlechter (ebenda).
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