Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
wühlen
ahd. wuolen, mhd. (selten) wüelen, deutsch-niederländisch, verwandt mit wallen, ursprünglich1wälzen, rollen‹, insbesondere von Naturgewalten: wie nachtwind an den fenstern wühlt (Droste-Hülshoff; L059 DWb); Die Fluhten wühlen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, I, 2,37);
2durch regelloses Kratzen, Stochern u. dgl. in Unordnung bringen‹, insbesondere von Tieren: wühlen – ist das eigentliche thun der säue mit ihrem rüssel in wiesen und feldern (Gueintz; L059 DWb); entsprechend (schon ahd. ) auch von Menschen
3 »in einem nicht festen stoff, in einer menge von einzelgegenständen .. suchend (mit der hand, einem werkzeug usw.) herumfahren« (ebenda): in meinem schreibschrank hab ich gewühlt (B. v.Arnim; ebenda); mundartlich auch im Sinne von ›mit äußerster Anstrengung und ausdauernd arbeiten‹; seit Mitte des 19. Jahrhunderts in übertragenem Sinne
4 »für die geheime Bearbeitung von Menschen zu Parteizwecken« (Paul 1897); die demokraten wühlten mit unerhörter dreistigkeit (1849 Gutzkow, L059 DWb); dazu
Wühler Mask. ,
1 süddeutsch ›Maulwurf‹ (ebenda);
2unermüdlich arbeitender Mensch‹: faul war sie nicht und auch kein wühler (W.Schäfer; ebenda); zu (1) ⇓ "S166" seit Mitte des 19. Jahrhunderts
3 politisches ⇓ "S192" Schlagwort zur Bezeichnung eines, »der sich bemüht, das Bestehende in Staat und Kirche umzuwühlen und so zu beseitigen« (H. v.Fallersleben, Volkswörter 1874,289), zunächst in der Schweiz als Stigmawort gegen die »Ultramontanen« (↑ "ultramontan"; R.M.Meyer, Vierhundert Schlagworte 1900, 58), »seit dem Jahre 1848 als gang und gäbe Schelte der Demokraten sehr beliebt, um dadurch ihr Treiben als ein den Staat untergrabendes an den Pranger zu stellen« (L181 Otto Ladendorf 1906): Welcker. Und wenn ich Wühler wäre, was könnte ich Besseres tun, als den letzten Rest dieser Regierungen zu unterwühlen? (1848 A242 Stenographischer Bericht411); in der Revolutionszeit auch als ⇓ "S206" abwertende Bezeichnung separatistischer Agitatoren: panslawistische Wühler (ebenda, 119); auch als positive Selbstbezeichnung: Wühler ist ursprünglich ein Schimpfwort; es ist aber jetzt … ein Ehrentitel geworden(1848 Handbüchlein für Wühler); entsprechend Wühlerei Fem. , seit Ende des 19. Jahrhunderts wieder aus der politischen Sprache verschwunden; ↑ "Gewühl". A.Burkhardt, Wühler, wühlen, Wühlerei. Anmerkungen zu einer ›Schreckwort‹-Familie der 48er Revolution. In: S.Schierholz (Hg.), Die deutsche Sprache in der Gegenwart. Festschrift für D.Cherubim zum 60.Geburtstag. 2001,57–67.
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