Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
wollen
⇢ "Wolle"2"S087" ahd. / mhd. wellen, gemeingermanisches unregelmäßiges Verb (got. wiljan, altnord. vilja, engl. will), mit Verwandtschaft in anderen indogermanischen Sprachen (lat. velle, altslaw. voliti), verwandt mit "wählen" und "wohl". Statt du willst bis ins 19. Jahrhundert (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) noch literarisch die ältere Form wilt. wollen kann mit einem Objektsakkusativ verbunden werden. Dabei liegt meistens in wollen, daß man etwas für seinen Besitz oder Gebrauch wünscht, so daß man es mit haben wollen vertauschen kann: Geld, seinen Anteil an der Beute, ihr Recht wollen, wollen Sie Wein oder Bier? Doch kommen auch andere Fälle vor: sie will dein Glück, dein Bestes; insbesondere kann neben wollender Akkusativ eines Pronomens stellvertretend für einen Infinitiv stehen: ich will es, das wolle Gott (nicht), hier ist nichts zu wollen. Neben dem Akkusativ kann vonstehen: was willst du von mir? Statt dessen zuweilen der bloße Dativ (wohl ein Gallizismus): was ihm der Schneider will (Wieland), was sie ihm wolle (Freytag). Am gewöhnlichsten wird wollenmit dem Infinitiv verbunden. Der Infinitiv Perfekt steht in Fällen wie das will ich dir geraten haben, wo man also wünscht, daß die Tatsache als geschehen festgehalten werden soll, oder ich will nichts gesagt haben, wo man wünscht, daß etwas als ungeschehen betrachtet werden soll. Der Infinitiv ist häufig aus dem Vorausgehenden zu ergänzen: willst du schweigen? ja, ich will; gib das Geld, wem du willst; setze dich, wo du willst. Anders verhält es sich mit warte, ich will dich, wo der Satz nicht zu Ende geführt wird. Ferner kann ein daß-Satz abhängen: er will, daß allen Menschen geholfen werde. Wie andere Hilfsverben kann wollenmit Richtungsbezeichnungen verbunden werden: sie will nach Hause, fort, aus dem Zimmer; er will hoch hinaus; er will mir ans Leben; ungewöhnlich: er will mich auf seine Güter (Goethe). Über den Infinitiv statt des Partizips (er hat nicht kommen wollen) ↑ "dürfen" und ↑ "lassen"(4). Eine Abschwächung der Bedeutung von wollentritt im Konjunktion Prät. ein, indem es zum Ausdruck eines bloßen Wunsches wird, gewöhnlich mit abhängigem Konjunktivsatz: ich wollte, du wärest bei mir; wollte Gott, es wäre vorbei. Übertragen wird wollen mit nichtpersönlichem Subjekt gebraucht, zum Ausdruck dafür, daß etwas durch die Natur desselben gefordert wird, dann mit dem Infinitiv Perfekt Passiv: die Gelegenheit will genutzt sein, die Krankheit will sorgfältig behandelt sein; auch mit Akkusativ: ein verzweifeltes Übel will eine verwegene Arznei (Schiller), Briefe wollen Boten (Schiller). Ähnlich sind Wendungen wie die Arbeit will mir nicht schmecken, das will mir nicht gefallen, einleuchten, auch das will mir nicht ein, nicht zu Kopfe, zu Sinne, der Nagel will nicht heraus, daß es gar nicht von der Stelle damit will (Lessing); ferner solche wie ein Leben, es sei wie gut es wolle (Luther), es habe ihn, was auch immer wolle, zur Untreue bewogen (Gellert), wer, sei es, aus welchem Stande es wolle(E.T.A.Hoffmann). Abgeblaßter ist wollen, wenn es nur noch das Bevorstehen eines Vorgangs ausdrückt: was will das werden? (Luther), was will aus unserm Garn- und Linnenhandel werden? (Möser), Julien wollte ein Grauen anwandeln(E.T.A.Hoffmann), dann fragte Hediger, ob ein weiterer Antrag gestellt werden wolle (G.Keller); das Haus will einfallen. Ganz verflüchtigt ist der Sinn von wollen in das will nichts sagen, heißen, bedeuten oder was will das sagen? usw., es will mir scheinen, mich bedünken (dieses veraltet). Schon alt ist eine Verwendung von wollen, bei der es sich dem Sinn von ›behaupten‹ nähert: man will, ich sei eines der schönsten Geschöpfe (Lessing), etwas anders bei Hebel: Bekanntlich will es Leute geben, die im Wasser nicht untergehenes wird behauptet, daß‹, allgemein mit Infinitiv Perfekt: er will dich gestern abend gesehen haben, niemand will es gewesen sein auch zum Ausdruck von Zweifel. Abseits von der sonstigen Verwendung liegt jmdm. wohl, übel wollen, besonders üblich im Partizip mit adjektivischer Verwendung wohlwollend, übelwollend und in dem substantivierten Infinitiv Wohlwollen.Zuweilen statt wohl wollen bloßes wollen: und wenn ich zwölf Händ' hätte, und deine Gnad' wollt mir nicht (Goethe), wenn ihm das Glück will (Goethe), auch wo ich Euch viel Böses will(Herder), Feinde, die uns Böses wollen(Gutzkow).
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