Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Wolke
Fem. , ahd. wolkanNeutr. , wolka Fem. , wolko Mask. , mhd. wolken Mask. / Neutr. , wolk Mask. und wolke Fem. , zu indogermanisch *uelg-›feucht, naß‹, daher anfangs wohl ›die Feuchte, Nasse, d. h. Regenhaltige‹; erst im Neuhochdeutschen (L327 Voc.Teut.-Lat. 1482: Wolcke, L037 Petrus Dasypodius 1536: Wolck, L292 Joannes Serranus 1539: Ein wolck, L200 Josua Maaler 1561: Wulck [die]) setzt sich Wolke gegen die ältere neutrale, bis ins 16. Jahrhundert belegte Form durch;1in der Atmosphäre schwebende Ansammlung von Wassertröpfchen oder Eiskristallen‹, »die erst in der Ferne vor den Augen Gestalt [erhält]« (W.v.A137 Wilhelm von Humboldt, IV,36), Nur manchmal, wenn der Sturm das Gewölk in die Thäler warf… und die Wolken wie wilde wiehernde Rosse heransprengten… , riß es ihm in der Brust (A030 Georg Büchner, Lenz 79); Der Hofrat sagte… , es seien keine Nebel, es seien Wolken (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 507); Doch jene Wolke blühte nur Minuten / Und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind (B.A024 Bertolt Brecht, Erinnerung an die Marie A., 1,93), dazu Regenwolke: Regenwolke, säumst du an den Brunnen? (A035 Paul Celan, Espenbaum); auch Diminutiv: Es war ein klarer Tag und eine milde Luft, und nur ein paar weiße Wölkchen schwammen oben im Blau (A060 Theodor Fontane, L'Adultera; 2,123); dazu auch Gewölk Neutr. , mhd. gewölke (L105 Georg Henisch 1616: Gewolck);
aus den Wolken fallenüberrascht sein‹ (18. Jahrhundert), dafür heute meist aus allen Wolken fallen (vgl. A045 Friedrich Dürrenmatt, Meteor 61);
2 übertragen ›aufsteigende oder aufgewirbelte Ansammlung schwebender Partikeln‹, verkürzt z. B. für Rauchwolke: Als er den ersten Zug getan und die Wolke weggeblasen hatte, wandt' er sich kavalierhaft verbindlich an Wanda und Stine (A060 Theodor Fontane, Stine; 2,497); heute auch ›in die Atmosphäre entwichene Ansammlung radioaktiver Partikeln‹: Daß wir es »Wolke« nennen, ist ja nur ein Zeichen unseres Unvermögens, mit den Fortschritten der Wissenschaft sprachlich Schritt zu halten (Ch.A286 Christa Wolf, Störfall 34);
3 übertragen ›Ensemble von Abstraktem‹: Eine ganze Wolke von Philosophie kondensiert zu einem Tröpfchen Sprachlehre (A282 Ludwig Wittgenstein, PU II,xi); auch in der eingeschränkten Bedeutung ›Trübung der Stimmung, Atmosphäre‹: ohne daß auch nur die kleinste Wolke das wiederhergestellte Vertrauen der Frau von Carayon getrübt hätte, besprachen beide, was zu tun sei (A060 Theodor Fontane, Schach; 1,635); dazu ⇓ "S060" umgangssprachlich 'ne Wolketoll, schön‹: Wat für 'ne Wolke von Weib (A167 Wolfgang Koeppen, Treibhaus 142); Mensch, sone Wolke! Berlinisch für »Knorke«, »Sache!« etc. (A303 Victor Klemperer 14.12.1954; Tagebücher II,461).
WolkenbruchGewitter mit heftigem Regenschauer‹; L200 Josua Maaler 1561: Wulckenbruch;
Wolkenkratzer"S149" (Anfang des 20. Jahrhunderts) ⇓ "S125" Lehnübertragung aus amerik. -engl. skyscraper: Aus dem zwölften Stock des Wolkenkratzers sprang ein Paar mit wehenden Kleidern in den Abgrund(J.Winckler, Irrgarten Gottes [1922] 62); Hinter alledem aber stand Newyork und sah Karl mit den hunderttausend Fenstern seiner Wolkenkratzer an (A149 Franz Kafka, Heizer 20);
Wolkenkuckucksheim im 19. Jahrhundert Übersetzung von griech. nephelokokkygía in Aristophanes ›Wolken‹ (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ›Phantasiewelt‹: uns glauben zu machen, wir sagten etwas, wenn wir… vom ›unendlichen‹, vom ›übersinnlichen‹, statt deren man kürzer wolkenkukuksheim… sagen könnte, redeten (Schopenhauer; L059 DWb);
wolkenlos mhd. , neuhochdeutsch auch substantivisch: es taucht ein aar ins wolkenlose (G.Keller; L059 DWb) und übertragen (bezogen auf die Stimmung) ›ungetrübt‹: da warst du so glücklich, warst so ganz, so wolkenlos heiter (A222 Friedrich Schiller, Räuber 4,1);
wölken (L308 Kaspar Stieler 1691), heute veraltet ›mit Wolken überziehen‹: es fängt an zu wölken(J.M.R.Lenz; L059 DWb); übertragen: wenn auf der stirne du tadel wölkstdie Stirn zum Tadel düster zusammenziehst‹ (Klopstock; ebenda); häufiger reflexiv: Es wölkt sich über mir -/ Der Mond verbirgt sein Licht (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,468f.); es wölkt sich seine Stirne(Heine); still / stieg ein Hauch in den Äther, / und was sich wölkte, wars nicht… so gut wie ein Name? (A035 Paul Celan, Mit allen Gedanken); dafür heute
bewölken, sich (15. Jahrhundert), adjektivisch bewölktwolkig, trübe‹, frühnhd. gewolcket (L037 Petrus Dasypodius 1536);
umwölkt (L308 Kaspar Stieler 1691), als Zeichen von Verärgerung: umwölkte Stirn;
wolkig veraltet wolkicht (wölkicht 1540 E.Alberus; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ›voller Wolken‹.
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