Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
wo
ahd. hwar, mhd. wa, ursprünglich ›an was (für einem Ort), zu was (für einem Ort)‹ (engl. where, got. abweichend mit Kürze far); Schwund des auslautenden -r bereits mittelhochdeutsch, doch in Zusammensetzungen mit anlautendem Vokal erhalten (woran, worin); das -a- des Althochdeutschen/ Mittelhochdeutschen noch in ⇑ "etwa", "warum" (Hebung des -a zu -o beginnend im 13. Jahrhundert, durchgesetzt im 16. Jahrhundert; L320 Trübner). Zum Stamm des Fragepronomens gehörig (↑ "wer"), dem demonstrativen ↑ "da" entsprechend;1 fragend in selbständigen und abhängigen Sätzen. Norddeutsch umgangssprachlich wo werde ich? u.dgl., Schriftsprache "wie"; ebenso H.v.A160 Heinrich von Kleist: wo werd' ich mich gegen solchen Kriegers Meinung setzen? (Homburg 4,1). Substantivisch: das Wo und Wann;
2 indefinit in der Umgangssprache, auch bei Dichtern, wenn du wo eingeladen wirst, ob er wo von Odysseus, dem Duldenden etwas gehöret (Voß). Allgemein anderswo (↑ "anders"), daneben zuweilen wo anders. Gewöhnlich im Mittelhochdeutschen dafür das zusammengesetzte etewa, noch frühneuhochdeutsch in diesem Sinn etwa oder etwo (↑ "etwa"). Dies ist ersetzt durch irgendwo (↑ "irgend"); selten dazu als Negation nirgendwo neben nirgendswo, gewöhnlich einfach "nirgends";
3 relativ, zunächst verallgemeinernd (statt mhd. swa): wo du bist, will ich auch sein; in der neueren Sprache auch auf einen bestimmten Ort bezogen: "da"/ "dort", wo; es hat in dieser Funktion ↑ "da" verdrängt. Zuweilen steht es ungenau auf ein Substantiv bezogen ›worin, worauf‹ usw.: an der Stelle, wo ich ihn getroffen habe; ein Billet, wo er meinen letzten Entschluß verlangt (Lenz), in alle dem Glanze, wo sie unsere Ehrfurcht verdienet (Lessing), in einer Vermutung, wo es mir unerträglich wird (Schiller), ich fand bald einen würdigen Amtmann, wo ich die Ökonomie lernte (Tieck). Es erscheint auch auf Zeitbestimmungen bezogen, auch hierin daablösend: das Alter, wo wir uns wie neuerschaffen finden(Wieland), jetzt ist eine schwere Zeit, wo auch das Weib sich in den Panzer steckt (Schiller), besonders die letzten Stunden, wo es feinen Regen im Winde trieb (Goethe), bis so lange, wo ich mir etwas zu erwerben hoffe (H. v.Kleist). Es ist ferner mit Verblassung der lokalen Beziehung ›im Fall, daß‹: wo ihr nach dem Fleische lebet, so werdet ihr sterben müssen(Luther), an Gemütsgaben war er ihm gleich, wo er ihn nicht noch übertraf (Gellert), wo ich anders seine schwache Seite recht kenne (Lessing), jetzt veraltet, noch ohne Verbum finitum womöglich, ferner wo nicht – so doch, auch in umgekehrter Stellung jmdn. erreichen, wo nicht übertreffen; ferner wo nicht ohne Verb ›andernfalls‹ (Luther); wo nicht gar als Ausruf des Erstaunens. Hierher auch wofern (↑ "fern"), wo(hin)gegenwährend, im Unterschied zu‹ (1601; L059 DWb, wo gegen 15. Jahrhundert). Süddeutsch Vertreter des Relativpronomens in allen Kasus: das schlechteste Messer, wo er hat (J.P.Hebel), auch bei (O.Ludwig): ihr Häusle, wo der Regen beinah hat eingeworfen. Dieser Gebrauch muß ausgegangen sein von den Fällen, in denen woden Kasus eines Pronomens vertritt, also von Sätzen wie das Messer, wo er sich mit geschnitten hat (L012 Otto Behaghel 3,736f.). Als Richtungsbezeichnungen jetzt "woher" und "wohin" anstelle des älteren wannen und des schon ganz untergegangenen war, auch mit Trennung wo kommst du her, wo gehst du hin, wo du herkommst, wo du hingehst, wobei auf her und hin ein größerer Nachdruck fällt als bei unmittelbarem Anschluß an wo. Wie da dient wo in Verbindung mit den präpositionalen Adverbien zum Ersatz eines Pronominalkasus: wobei, wodurch, wozu usw., wiederum fragend, indefinit und relativ. Bei den vokalisch anlautenden Adverbien hat sich ebenso wie bei dadas auslautende -r des Althochdeutschen erhalten: woran, worauf usw. Danach wird zuweilen das -r-auch vor Konsonant wiederhergestellt: worbei, wormit, wornach (öfter bei Goethe), worzu. Landschaftlich, mittelhochdeutsch allgemein, ist das Adverb von wo zu trennen: wo soll ich von leben?, wo ich von leben soll; zuweilen auch mit einem Pleonasmus wie wo ich darauf reite (Hebel). In relativem Gebrauch haben die Verbindungen mit wodie mit da in entsprechender Weise zurückgedrängt wie einfaches wo einfaches da und sind dann auch wie diese nicht bloß, wie ursprünglich, auf einen Satz, sondern auch auf ein Nomen bezogen: eine Parabel, wodurch er bezeichnet wird (Schiller), die Stufe, worauf du standest (Schiller), Abgründe, wovor du zurückschauderst(Schiller), der, womit man spricht (Hagedorn), von den Grammatikern verpönt, ist aber umgangssprachlich. Neben den Verbindungen mit wo (ahd. hwar) standen ursprünglich solche mit war(ahd. hwara), denen mit "dar" entsprechend, die Stelle eines Akkusativs vertretend;
4 als Interjektion umgangssprachlich und mundartlich in den Verbindungen i wo, ach wo u.ä. (L059 DWb); ↑ "woher"(4).
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