Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Witz
ahd. wizzi, mhd. witze Fem. ; auch frühneuhochdeutsch noch Fem. (Mask. mhd. in fürwiz); als Neutrum (ahd. wizzi), mindestens in der Zusammensetzung, eine germanische Bildung zu ↑ "wissen" (engl. wit, got. unwiti);1 seit althochdeutscher Zeit ›Verstand‹, daß, wer sie sieht, sogleich den Witz verliert (Wieland); hierüber muß ich meinen Witz befragen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 19.5.14); war ich… am Ende meines Witzes, was die Ladenmiete betraf (B.Brecht; L097 GWb); in "Mutterwitz", "Aberwitz", "Wahnwitz"; auch "Vorwitz"; hierher wohl auch umgangssprachlich
das ist der Witz bei der Sache (›der entscheidende Punkt‹) (L059 DWb);
2 im 17./ 18. Jahrhundert (ebenda) franz. esprit(engl. wit) entsprechend ›Geist‹, im Zeitschriftentitel Belustigungen des Verstandes und Witzes, Neue Beiträge des Verstandes und Witzes, negativer Unterton mit dem Nebensinn des Gewollten schon bei F.A223 Friedrich Schlegel: Man soll Witz haben, aber nicht haben wollen; sonst entsteht Witzelei (Athenäumfragment 32); danach die heutigen Bedeutungen
3.1geistige Fähigkeit‹ (sie hat viel Witz);
3.2 kollektiv die Äußerungen dieser Fähigkeit und v. a.
4spaßhafte Äußerung‹ (ein guter, schlechter Witz) oder deren Pointe (⇑ "Kalauer", "Zote"); psychologisch gedeutet: der Witz ist sozusagen der Beitrag zur Komik aus dem Bereich des Unbewußten(S.A063 Sigmund Freud, IV,193); Ingeborg erzählte mir Witze, wie wir sie schlüpfriger nicht unter Tage erzählen konnten (M.v.d.A093 Max von der Grün, Irrlicht 176). In der Studentensprache des 19. Jahrhunderts (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) nähert es sich dem Sinn von ›Spaß, lustiger Streich‹ (synonym mit "Ulk"). Witzemacher ↑ "machen". Zur vergleichenden Wortgeschichte von Witzund "Humor" K.O.Schütz, in: L069 Europäische Schlüsselwörter1,161ff.
Witzbold mhd. witzboltfrühreifes Kind‹ (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), 1541 (L059 DWb) dann ›Klügling‹, L033 Joachim Heinrich Campe 1811 »ein Mensch, der viele witzige Einfälle hat, der gern Witz macht«; heute oft ⇓ "S166" abwertend: Von Witzbolden wurde diese Regierungsweise als »Demokratur« bezeichnet (Putlitz; L337 WdG); ⇑ "-bold", "bald";
witzlos (ahd. ) anfangs ›unvernünftig, unverständig‹; seit 1742 (L059 DWb) ›geistlos, leer‹ und wie heute vor allem ›sinnlos‹;
witzig (ahd. ) folgt im wesentlichen der Entwicklung von Witz, also anfangs
1verständig, klug‹ (↑ "klug"), frühneuhochdeutsch besonders auch mit dem Akzent ›vorsichtig‹: die Albernen erben Narrheit, aber es ist der Witzigen Krone vorsichtiglich handeln (Luther); der Schaden hat mich witzig gemacht (L169 Matthias Kramer 1702); s. unten gewitzt;
2 im 18. Jahrhundert ›geistreich, schöngeistigwitziger Kopf entsprechend franz. bel esprit (vgl. "Schöngeist"); witziger Einfall (»durch Entdeckung einer unerwarteten Ähnlichkeit«; L063 Johann August Eberhard 1802); vielen Büchern, die teils historisch, teils witzig, teils moralisch waren (Gellert); noch bei Th.A183 Thomas Mann witziger Mechanismus (Buddenbrooks, 1,52);
3 allmählich dann wie heute ›spaßig, lustigEr ist auch witzig, und satirisch, man könnte sich vor Lachen ausschütten (Rabener; L320 Trübner), vgl. humorvoll, ⇑ "humorig", "humoristisch";
gewitzt (17. Jahrhundert) entweder Partizipialadjektiv zu dem noch im 18. Jahrhundert gebräuchlichen Verb witzensich witzig(2) geben‹ oder zu Witzwie "geflügelt" zu "Flügel", besonders ›durch (negative) Erfahrung klug, schlau‹, vgl. witzig(1); weil Sie schlau, aber nicht klug sind, gewitzt, aber nicht weise, gerissen, aber nicht vernünftig (A266 Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke 2,71); davon kaum unterschieden das früher häufigere
gewitzigt zu veraltet witzigen (mhd. ): gewitzigt durch die erfahrung früherer zeit (Görres; L059 DWb);
witzeln (1575 Fischart; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt);
1 im 18. Jahrhundert ›gesucht geistreich sein (wollen)‹, übergehend zu
2spötteln‹: frech witzelte das Schlangenheer der Spötter (A222 Friedrich Schiller, Resignation, 2.1,402).
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