Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Wirt
(ahd. ) altgermanisch (got. waírdus); zunächst1Gastgeber‹, noch Ende des 19. Jahrhunderts unser liebenswürdiger Wirth (G.A111 Gerhart Hauptmann, Weber 74); dann auch
2Vorsteher einer Haushaltung‹, z. B. Josua 7,18 (7,17 dafür "Hauswirt"); Das Dorf war vor dem Kriege mit sechzig Wirthen bewohnt (L004 Johann Christoph Adelung), er ist ein guter, schlechter Wirtversteht die Haushaltung gut, schlecht‹; speziell auch ›Gatte‹, so bei A222 Friedrich Schiller in Anlehnung an schweiz. Ehewirt (Tell 1,2; auch bei L169 Matthias Kramer, L033 Joachim Heinrich Campe u. a.), entsprechend Wirtin: Bleibt doch, bis meine Wirthin kommt (Schiller, ebenda);
3Eigentümer‹, erhalten in "Hauswirt", "Landwirt";
4 mhd. (L059 DWb) ›jmd. , der ein Gewerbe daraus macht, Gäste aufzunehmen‹ (L171 Paul Kretschmer 580),
die Rechnung ohne den Wirt machen (L169 Matthias Kramer);
5 Synonym mit "Ökonom" »Einer, der das Seinige zu Rath zu halten, haushälterisch zu walten versteht« (L264 Daniel Sanders); daraus -wirt als Grundwort einer Reihe von Berufsbezeichnungen (Fischwirt, Holzwirt, Tierwirt), während in Betriebswirt, Volkswirt usw. eher eine Kürzung von -wirtschaftler vorliegt (s. unten Wirtschaft; L299 Sprachdienst 21,99).
Wirtschaft ahd. wirtscaftGastfreundschaft, Bewirtung, Mahl‹, mhd. wirtschaft knüpft an die verschiedenen Bedeutungen von Wirt(s. oben) an; zunächst
1Tätigkeit des Hausherrn und Wirtes, Bewirtung‹ (mhd. ); allgemein üblich ist die Beziehung auf das Hauswesen, von wo aus im 18. Jahrhundert (unter Einfluß von Wirt[3]) die Erweiterung des Sinnes in "Staatswirtschaft", Volkswirtschaft ausgeht, vgl. auch "Vetternwirtschaft".Norddeutsch häufig ›Ackerwirtschaft‹; seit dem 16. Jahrhundert (L055 Duden Herkunftswörterbuch) allgemein
2Gaststätte‹ (16. Jahrhundert; W.L244 Wolfgang Pfeifer); seit dem 18. Jahrhundert (ebenda)
3unruhige Geschäftigkeit, auch mit dem Nebensinn des Unnötigen oder des Ungeordneten‹, Was ist denn das für eine Wirtschaft (Mißwirtschaft, Zettelwirtschaft u. a.), wortspielerisch zu (2) und (3) In einer Wirtschaft muß man Gesellschaft haben, sonst macht die ganze Wirtschaft keinen Spaß (M.v.d.A093 Max von der Grün, Irrlicht 219); seit dem 18. Jahrhundert (L059 DWb) auch
4 »Gesamtheit der Gütererzeugung und -verwendung« (L320 Trübner): Daß die Wirtschaft jedermanns Schicksal ist: las er: gehört zu den geläufigen Einsichten(H.J.A219 Hans Joachim Schädlich, Ostwestberlin 71); dazu WirtschaftskapitänIn der Weimarer Zeit waren es die »Wirtschaftskapitäne«. Jetzt sind es die »Kernphysiker« (A303 Victor Klemperer 15.11.1955; Tagebücher II,522) –, um 1950 (wie schon 1938 H.Rauschning, in: Maß und Wert, 721) "Marktwirtschaft" ↑ "Markt";
Wirtschaftswunder"S149" zunächst auf die nationalsozialistische ›Ankurbelungsaktion‹ nach 1933 bezogen: H.E.Priester, Das deutsche Wirtschaftswunder, Amsterdam 1936; ⇓ "S144""S192" nach 1945 besonders von dem unerwartet schnellen Wirtschaftsaufschwung nach den Kriegszerstörungen: Das Wirtschaftswunder bringt uns alles, Wohlstand und Raten, Eigenheim und Schulden, Arbeitsplatz und Kündigungsdrohung, fremde Weiber und halslose Poliere (M.v.d.A093 Max von der Grün, Irrlicht 48; L315 Georg Stötzel/ L315 Martin Wengeler 59ff.), Wirtschaftswunderkinder; um 1860
Wirtschaftskrise;
wirtschaften ahd. wirtscheften, dazu erwirtschaften;
wirtschaftlich (L305 Christoph Ernst Steinbach 1734) ›die Wirtschaft betreffend‹, ›haushälterisch, sparsam‹;
Wirtschaftswissenschaft zuerst 1690 (H.L.Stoltenberg, in: Jahrbuch für Nationale Ökonomie 148,557).
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