Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
wirken
ahd. wirken, wurchen, mhd. wirken, würken, gemeingermanisches Verb zu "Werk" (got. waúrkjan, altnord. yrkja), urverwandt griech. érgon, órganon u. a. Die Schreibung mit ühat man verschiedentlich wieder einzuführen versucht;1bewirken, verfertigen, schaffen‹, Objekt ein bleibendes Erzeugnis, im Mittelhochdeutschen auf jedes beliebige Erzeugnis bezogen (z. B. Haus, Bild, Gerät); jetzt nur, wenn es die besondere Beziehung auf das Erzeugen von Gewandstoffen, Teppichen u.dgl. hat,
1.1ein Gewebe verfertigen‹ (spätmhd.; W.L244 Wolfgang Pfeifer), dazu Strumpfwirker, Seidenwirker, Wirkwaren usw.); ungewöhnlich
1.2 die Beziehung auf etwas Unsinnliches: daß euer Glaube Geduld wirket (Luther), ein alt Vertrauen wirke neuen Bund(Goethe), die in Britannien durch Römerherrschaft gewirkte Kultur (Goethe) (dafür jetzt ↑ "bewirken"). Veraltet
1.3 Teig wirkenknetend bearbeiten‹; übertragen bei Lessing: die Seele wirkt den aufgedunsnen Stoff bald ineinander. Ungewöhnlich ist jetzt auch eine Tat als Objekt: Gott wirkte nicht geringe Taten durch die Hände Pauli (Luther). Üblich hingegen sind substantivierte Adjektive wie Gutes, Großes [Akkusativ] wirken;
2 ohne Objekt,
2.1tätig sein‹: ich muß wirken, solange es Tag ist (Luther); als Arzt, Prediger wirken; eigentümlich: da der Famulus vergebens an der Türe wirkte (H. v.Kleist); für/ gegen etwas wirken, mit jmdm. zusammen wirken (Mitwirkung); der Mann… muß wirken und streben (Schiller); häufig substantivierter Infinitiv: sein Wirken; sehr üblich jetzt intransitiv
2.2Einfluß ausüben‹, auch von leblosen Dingen und Eigenschafts- und Tätigkeitsbezeichnungen (dazu Wirkung, wirksam, Wirksamkeit s. unten). Der von der Wirkung betroffene Gegenstand wird mit auf angeknüpft; statt dessen früher auch in: eine Substanz wirkt also in die andere (I.Kant), auch auf etwas hinwirken, dahin wirken, daß. Dazu Gewirk, ⇑ "Werk", "verwirken".
wirklich Anfang des 14. Jahrhunderts von den ⇓ "S142" Mystikern (Meister Eckhart; L059 DWb) ›tätig, handelnd‹;
1 vereinzelt seit dem 15. Jahrhundert (ebenda) Gegensatz zu bloß Gedachtem oder Scheinbarem ›real, tatsächlich‹, so du die drey ding sichtbar hast, greifflich und wircklich (Paracelsus; ebenda), wegen einer scheinbaren oder würcklichen Erhöhung des schon stehenden Monuments (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 4,41,115), prädikativ meine goldenen träume werden wirklich(Tieck; L059 DWb), dazu "verwirklichen";
2 adverbial zur Verstärkung, Bekräftigung (15. Jahrhundert; ebenda), dasz es auch würcklich geschehen sey (1663; ebenda), viertzig tausend mann wircklich (L169 Matthias Kramer), Im Gegensatz zu mir ist doch Ernesti wirklich krank (A045 Friedrich Dürrenmatt, Physiker 296); ⇓ "S185" rückmeldend major: ein besonderer umstand hat sich ereignet… general: wirklich? (Iffland; L059 DWb);
3 v. a. südwestdeutsch ›gegenwärtig‹ (von der Zeit): und was ist wirklich Ihres Pinsels Beschäftigung?(A222 Friedrich Schiller, 3,75);
Wirklichkeit (ebenfalls Bildung der Mystiker ›Tätigkeit‹); seit dem 16. Jahrhundert in der heute vorherrschenden Bedeutung
1wahrnehmbare, erfahrbare Gegebenheit, Erscheinung‹ (zu wirklich[1]): die wirgligkeit der creaturen (Grunaus; L059 DWb); ⇓ "S168" philosophisch gedeutet ›das Seiende‹: [die] erfüllung des möglichen ist eben dasjenige, was wir würklichkeit nennen (Wolff 1720; ebenda); in festen Wendungen: Wirklichkeit werden, in Wirklichkeittatsächlich‹ (A121 Johann Gottfried Herder 12,363); zuweilen
2 zu wirklich(3): was ich besitze, seh' ich wie im Weiten, und was verschwand, wird mir zu Wirklichkeiten (Goethe);  
wirksam (1520; L059 DWb) seit dem 17. Jahrhundert wirklich im Sinne von ›tätig, handelnd‹ verdrängend: alle… nur für ein gewisses Geschäft wirksamen Menschen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, I,45,190); ebenso
Wirksamkeit (L169 Matthias Kramer 1700/ 02): hat derselbe… unsrer Wirksamkeit kräftig beigestanden (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 2.1.25);  
Wirkung spätmhd. würkunge, wirkunge; mitteldt. wirkung, in dieser Form durchgesetzt im 18. Jahrhundert (L059 DWb) ›Eindruck, Einfluß, erzielte Veränderung‹, d. h. immer verbunden mit dem Begriff der Folge ("Ursache" und Wirkung).
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