Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Wille
ahd. will(i)o, mhd. wille, gemeingermanisches schwaches Mask. zu wollen (got. wilja, engl. will), zuweilen mit der Nominativform Willen; als Wendung mit Willenabsichtlich‹ (↑ "Absicht"), vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–37. Allgemein mit dem Genitiv Willens (statt des älteren Willen, ↑ "Funke");1das Wollen, Absicht, Vorsatz, Trachten und Streben, Wunsch‹, in zahlreichen festen Verbindungen, seinen Willen haben/ bekommendas, was man will, durchsetzen‹; entsprechend jmdm. seinen Willen lassen (Wolfram von Eschenburg, Parzival; L320 Trübner), mit Willen (ahd. ) ›absichtlich‹ (1512; vgl. "Mutwille"). Formelhaft verbunden: mit, ohne, wider Wissen und Willen (ahd. ), erstarrt um – willenzuliebe‹ (ursprünglich niederdeutsch) ersetzt seit dem 16. Jahrhundert durch Willen (ahd. ), mit Genitiv: um Gottes wille, auch um des Friedens, der Ehre willen usw.; es liegt also nicht mehr die Vorstellung eines Wollens darin, sondern Willen dient nur zur Angabe eines Beweggrundes. Statt des Genitivs können die Possessivpronomen stehen, jetzt aber immer nur in modifizierter Form: "meinetwillen", euretwillen usw. (vgl. -halben ↑ "halb"). Vor meinetwillen usw. bleibt um nicht selten weg, ebenso zuweilen neben dem Genitiv: ward Mensch der Menschen willen, eines Lieblings willen (Lessing), des großen Werkes willen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust II,6675); dazu "gewillt", anfangs ›mit Willen versehen‹; guter Wille seit dem Mittelhochdeutschen in verschiedenen Nuancen, freier Wille (um 1650; L320 Trübner),
⊚⊚ den Willen für die Tat nehmendie gute Absicht anerkennen‹ (L284 Justus Georg Schottelius), beim besten Willen (›überhaupt‹) nicht (L320 Trübner), im Sprichwort des Menschen Wille ist sein Himmelreich (L284 Justus Georg Schottelius); auch ›schriftlich ausgesprochene letzte Verfügung‹ in letzter Wille (im 16. Jahrhundert durch "Testament" zurückgedrängt, seit 17. Jahrhundert gehoben; L320 Trübner). Seit dem 18. Jahrhundert verstärkt ›starkes Wollen‹ (Klopstock; ebenda) und in der ⇓ "S168" Philosophie vor allem dann des 19. Jahrhunderts als aktiver und vernunftgesteuerter Ausdruck des Geistigen gedeutet, Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Wille zum Leben, (ders. ), bei Nietzsche Wille zur Macht; wohl auch unter diesem Einfluß Verbindungen wie fester, starker Wille, Willenskraft, Willensstärke (19. Jahrhundert; L320 Trübner), Willensschwäche (19. Jahrhundert; ebenda), eigener (Schiller; ebenda), fremder Wille, "Eigenwille" (Fontane; ebenda), {{link}}Unwille{{/link}}, "Widerwille", Willensmensch (1917; ebenda),
wo ein Wille ist, ist auch ein Weg (1912; L059 DWb) nach englischem Vorbild;
2 der Genitiv willens wie ein prädikatives Adjektiv, zuweilen mit Akkusativ was ich willens bin, indem willens sein wie ein Verb aufgefaßt ist. Früher auch Willens haben (der Herr hatte Willens sie zu töten Luther, ich habe Willens, meinen Nachbar zu verklagen Rabener), auch in Willen und durch Kontamination in Willens sein oder haben, in Willens z. B. bei Lessing und Goethe.
Willensfreiheit »die Unabhängigkeit [des Willens] von allem äußern Einflusse oder Zwange« (L033 Joachim Heinrich Campe 1811);
willentlich (mhd. ) ›freiwillig, mit Willen‹, ›absichtlich‹;
willfahren schwaches Verb, mhd. eines willen varenauf jmds. Willen achten‹. Das Verb wird nicht als Zusammensetzung behandelt, demnach willfahren, gewillfahrt. Doch besteht Unsicherheit des Sprachgefühls: Partizip willfahrt (Auerbach), willzufahren (A.W.Schlegel);
willfährigneuhochdeutsche Ableitung, ersetzt älteres willfährtig (L200 Josua Maaler verzeichnet beide; L004 Johann Christoph Adelung, L033 Joachim Heinrich Campe nur willfährig);
willig ahd. willig, mhd. willec, willic, dazu "gutwillig"; abgeleitet
willigen ahd. gewilligôn, mhd. willigen (veraltet) ›sich willig erzeigen‹: wo ihr aber nicht willigen wollet euch zu beschneiden (Luther); erhalten in "einwilligen", "bewilligen", seltener verwilligenzustimmen‹;
willkommen Adjektiv, mhd. willekommen, Zusammensetzung aus wille und dem Partizip komen: Ir sult sprechen willekomen: / der iu mære bringet, daz bin ich (Walther v. d.Vogelweide), eigentlich also ›dem Willen entsprechend, d. h. angenehm gekommen‹; ursprünglich mit dem Hauptton auf dem ersten Bestandteil. Substantiviert das Willkommen, aber auch der Willkommen und verkürzt der Willkomm (Willkomm und Abschied Goethe 1789, in den Werken 1810 Willkommen). Der Willkomm(en) früher allgemeine und handwerkssprachliche Bezeichnung einer Art Humpen (bei der Begrüßung der Gäste gereicht). Dazu "bewillkommnen".
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