Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
wie
ahd. (h)wio, mhd. wie (got. faiwa, anders gebildet engl. how, vgl. Th.Frings, Grundlegung einer Geschichte der deutschen Sprache, 31957,51.56.140) aus dem Stamm von ↑ "wer"; als Fragewort Entsprechung zu ↑ "so";1 Interrogativpronomen, in direkten und indirekten Fragen ›auf welche Weise?‹: wie heissestu? (Grimmelshausen; L059 DWb); dazu auch die rituellen Fragen wie geht's? (1582 Hayneccius; ebenda), wie geht's, wie steht's (1593 Heinrich Julius von Braunschweig; ebenda); die räuber… waren nur darauf bedacht, wie sie ihre beute… in sicherheit bringen möchten (Wieland; ebenda); in Sätzen ohne Verb: wie anders?, wie das?, ↑ "wieso"? (›in welcher Weise, inwiefern verhält es sich so‹), wie dann?; mit abhängigem Satz: wie wenn er doch käme?, veraltet wie, daß ›wie kommt es, daß‹: wie, daß du nicht gefürchtet hast (Luther);
2 Interrogativpronomen, in direkten und indirekten Fragen ›in welchem Grade?‹: wie theuer ist dieses Buch? (L169 Matthias Kramer 1702); doch erkannte er nüchtern, wie unhemmbar diese nationale begeisterung dahinflutete (Treitschke; L059 DWb); solche Fragesätze, in denen wie auf ein Adjektiv oder Adverb bezogen ist und nach einem Grad fragt, können zu Ausrufen der Be- oder Verwunderung werden: Wie eng=gebunden ist des Weibes Glück! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, I,10,4), daneben mit aus der indirekten Frage hervorgegangener Nebensatzwortstellung: in gärten merck ich eben / die schöne blümelein, / wie frewig sie da schweben, / wan windt nur spilt hinein (1649 Spee; L059 DWb); hierzu wielange, "wieviel", (wieviele)(beide 16. Jahrhundert) sowie das früher z. T. noch fragende, heute umgangssprachlich nur noch freudig zustimmende und wie: bist du zufrieden?und wie!; schon bei Goethe: er selbst genoß und wie?;
3 Konjunktion, schon mittelhochdeutsch auch in Fällen, in denen auch ein daß-Satz stehen könnte (L012 Otto Behaghel, Syntax 3,349): er verkündigte uns, wie er gesehen hätte einen Engel in seinem Hause stehen (Luther); zum Zeugnis, wie der Zartheit und Reinheit auch eine sehr hohe physische Kraft verliehen sei (Goethe); dann erzählte er, wie er die ganze Nacht nachgesonnen (A. v.Arnim);
4 Relativpronomen, für ahd. so wio, mhd. swiewie immer, obgleich‹ (↑ "wer"): nenn' es… trägheit, zaghaftigkeit, oder wie du willst (Tieck; L059 DWb); im modalen Relativsatz, wo es konzessiven Charakter annehmen kann, ›wie (sehr) auch (immer)‹: Doch sie widersteht, / Wie er immer fleht (A075 Johann Wolfgang von Goethe, I,1,222); Wie es auch sei, das Leben, es ist gut (A075 Johann Wolfgang von Goethe, I,4,107); im selben Sinn: dem sei, wie ihm wolle (seit 15. Jahrhundert; L059 DWb); hierher auch ↑ "wiewohl";
5 Konjunktion, schon im Mittelhochdeutschen ist swieauf Zeitverhältnisse übertragen (vgl. "so" und 1"als") ›sobald‹ oder ›wenn‹, zunächst auf die Zukunft bezogen: wie Iphigenie fort ist, geht es an Egmont (Goethe); wie ein Fremder kommt, bringe ihn gleich zu mir (Iffland); dann auch auf die Vergangenheit bezogen (↑ 1"als") und so heute gebräuchlicher: wie ich die Lieder machte, da war ich auch ein andrer Kerl(Goethe); auch zur Erläuterung von Zeitbestimmungen, wo jetzt "wo" (früher "da") üblich ist: nie habe ich mächtiger empfunden als zu der Zeit, wie mein erster Geliebter fürs Vaterland auszog (Möser); seit Ende des 19. Jahrhunderts in der gehobenen Sprache sowie im Sinne von ›sobald‹;
6 Konjunktion und Satzteilkonjunktion beim Vergleich, seit dem 15. Jahrhundert im Wechselverhältnis mit demonstrativem "so" (anstelle des früheren 1"als"): wie mich mein Vater gelehret hat, so rede ich (Luther); mittelhochdeutsch zunächst nur im Satzvergleich, frühneuhochdeutsch auch (wie früher nur 1"als") bei abgekürzten Vergleichen vor dem Bezugsglied: seyn angesicht glentzete wie die sonne (Luther; L059 DWb); du redest wie eine narrin (L169 Matthias Kramer 1702); auch in der redundanten Verbindung als wie: Da steh ich nun, ich armer Thor! / Und bin so klug als wie zuvor (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,358f.); Du bist so elend nicht, als wie du glaubst (A075 Johann Wolfgang von Goethe, I,10,242); frühneuhochdeutsch zuweilen im Sinne von ›als ob‹: unter den Ältesten stand ein Lamm, wie es erwürget wäre (Luther); mitunter ebenfalls wie 1"als" im Sinne von ›gleichsam, so etwas wie‹ (lat. "quasi"): und sangen wie ein neues Lied(Luther); als hör' er wie das Rieseln einer Quelle(Wieland); ein leises Wehen weckte seine [des Sees] Schönheit wie auf (Heinse); da hörte er aus der Ferne wie eine Stimme, die um Hilfe rief (Tieck); gewahrt' ich zwischen Busch und Fels wie den Schatten eines Kamels(Rückert); zuerst in der norddeutschen Umgangssprache, dann auch mitteldeutsch und südwestdeutsch, auch an die Stelle von 1"als" nach Komparativ eingedrängt, wo es älteres "denn" vertritt; schon im 18. Jahrhundert auch bei Schriftstellern: sie war hübscher und liebenswürdiger wie sonst (Goethe, Briefe); mein Mann ist kälter wie mein Bruder (Iffland); der Mensch tut lieber mehr wie seine Pflicht als seine Pflicht (Jean Paul); desgleichen nach anders: da sie anders ist wie ich (Goethe, Briefe); ferner nach negativen Sätzen oder Fragen mit negativem Sinn (wo mhd. noch wangebraucht wurde): es ist nichts wie eine wolke (Jean Paul); wer ist denn schuld, wie du? (Holtei), auch hier zuweilen die Häufung als wie: ein bißchen klärer als wie er (Goethe, Briefe);
7"S185" Rückmeldepartikel, erstaunt-rückfragender Ausruf »Wenn man [«im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart»] jemandes Worte nicht verstanden hat, und man fragt elliptisch und absolute, was? für was sagten sie? so ist es ungesittet. Ein wenig höflicher ist in solchen Fällen, wie?« (L004 Johann Christoph Adelung) ↑ "was": wie sagt ihr, wie? ich verstehe euch nicht? (L169 Matthias Kramer 1702); Wallenstein… Ihn wiedersehen? O niemals wieder! Gräfin. Wie? Wallenstein. Er ist dahin ist Staub! (A222 Friedrich Schiller, Wallensteins Tod 5,3); am höflichsten: wie bitte?;
8"S079" Gliederungspartikel, am Ende eines Satzes oder Gesprächsbeitrags ›Sprecher bittet um Rückmeldung bzw. Zustimmung (und bietet dem Hörer damit zugleich das Rederecht an)‹: Wir haben uns nichts vorzuwerfen, wie, Karl? (H.A182 Heinrich Mann, Untertan 202); Euer Schutz der Gedankenfreiheit ist ein ganz gutes Geschäft, wie? (B.A025 Bertolt Brecht, Galilei; 3,1241); Du hast Besuch, wie?(Ch.A317 Christa Wolf, Was bleibt 26); der entgegengesetzte Fall liegt vor in: »Aber neulich, es ist… möglicherweise acht Wochen her« »Dann kannst du nicht neulich sagen«, bemerkte Hans Castorp… »Wie? Also nicht neulich. Du bist aber genau… « (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 77).
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