Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
wenig
ahd. wenag, mhd. wenec, weinec, zu "Weh", wie got. wainahs zu wai, anfangs also etwa ›wehhabend‹, dann ›unbedeutend, klein‹; mhd. daz wenege kint u.dgl.; noch Luther du bist das wenigste unter den Völkern. Am häufigsten aber auch schon mittelhochdeutsch die Substantivierung des Nominativ und Akkusativ Singular wenec, also eigentlich ›ein Kleines, eine geringe Quantität‹; wie vil(↑ "viel") ursprünglich mit dem Genitiv verbunden: wenec brotes, des silbers wenig. Die Umbildung des substantivischen wenigzu einem attributiven Adjektiv in analoger Weise wie bei viel. Beispiele der Verbindung mit dem Genitiv reichen noch bis in die neuere Zeit: in wenig Lands (Haller). Üblich geblieben der Genitiv in loserer Verbindung mit unflektiertem wenig (gehoben): laß deiner Worte wenig sein(Luther), seiner Tage müssen wenig (neuere Ausgaben wenige) werden (Luther). Für attributives wenig gilt jetzt die Regel, daß es im Singular flexionslos, im Plural flektiert gebraucht wird: wenig Geld, mit wenig Geld (Genitiv wird vermieden), aber wenige Leute. Früher stand die flexionslose Form auch neben dem Plural: in wenig Tagen (L004 Johann Christoph Adelung), wenig Menschen verstanden (Stilling), mit wenig Worten (Goethe), auf wenig Blättern (Goethe), in wenig einzeln Fällen(Lessing), wenig kümmerliche Föhren (Lenau). Andererseits kommt auch weitere Ausdehnung der Flexion vor wie bei viel: weniges Geld, mit wenigem Gelde; wenigen Danks (Goethe), die wenige Bequemlichkeit (Goethe), der wenige Zwang (Schiller), sein weniges Talent (Goethe) (üblicher in diesen Fällen "gering"); substantivisch Weniges, mit Wenigem, das Wenige, ein Weniges. Schon mittelhochdeutsch steht die unflektierte Form in Verbindung mit dem unbestimmten Artikel. Zwischen ein wenig und wenig besteht der Unterschied, daß bei ersterem immer die positive Seite (im Gegensatz zu "nichts") hervortritt, bei letzterem die negative Seite (⇓ "S012" Gegensatz zu "viel"), so daß es sogar ein schwächerer Ausdruck für die direkte Negation werden kann; ein wenig dann synonym mit ein "bißchen" (↑ "Biß"), vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–54. Auch ein wenig ursprünglich mit dem Genitiv verbunden, dann attributiv indeklinabel: ein wenig Goldes; mit ein wenig Geduld. Verstärkung ein klein wenig. Der adverbiale Gebrauch von wenig geht wie der von viel auf die substantivische Verwendung zurück, die sich auch darin zeigt, daß ein wenig entsprechend gebraucht wird (mit dem oben angegebenen Unterschied): er liebt mich wenig ein wenig. Als Komparativ und Superlativ dienten ursprünglich "minder", "mindest" (siehe dort); erst in jüngerer Zeit weniger, wenigst. Weniger wird substantivisch gebraucht, auch im Dativ unflektiert (mit weniger) und attributiv ohne Flexion (mit weniger Vergnügen, weniger Gäste), doch zuweilen auch mit Flexion (wenigere Sittensprüche Lessing, mit wenigern und kleinern Wunden Lessing), die notwendig wird in Fällen wie unter jenen und diesen sind die zerstörenden Leidenschaften die wenigern(Herder), die aber doch lieber gemieden wird. Natürlich erscheint weniger auch adverbial. Dem Charakter einer Konjunktion nähert es sich in "nichtsdestoweniger" und viel weniger in Fällen wie ich habe ihn gar nicht gesehen, viel weniger gesprochenvollends nicht‹. Nicht wenigerebenso, desgleichen‹: nicht weniger macht sich der König der Seleniten verbindlich (Wieland), die Idylle und die Parodie, nicht weniger die Schriftprobe (Goethe; häufig bei ihm); nichts weniger (als das)keineswegs‹. Vom Superlativ gebildet ist das Adverbwenigstensmindestens‹ (17. Jahrhundert; L059 DWb). In dem gleichen Sinn auch zum wenigsten, aufs wenigste;
Wenigkeit meine Wenigkeit, Nachbildung des lat. mea parvitas (30 n.Chr. bei Valerius Maximus) von ⇓ "S071" Opitz 1624, seit dem 17. Jahrhundert häufiger Demuts- und Bescheidenheitstopos, schon bei L004 Johann Christoph Adelung mit einem Anflug von Ironie. ↑ "winzig". (A.Götze, in: L360 ZDW9,87; E.R.L377 Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter 93ff., 414).
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