Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Weib
Neutr. ahd. wib, mhd. wip, wibes, altgermanisch (altnord. vif, engl. wife), fehlt im Gotischen, im Altnordischen selten; ⇓ "S063" ungeklärte Herkunft. Ursprünglich hatte das Germanische für Weib ein anderes Wort, das dem griech. gyne entspricht (got. qino, qens, engl. queen); Plural ursprünglich Weib(vereinzelt noch bis 17. Jahrhundert; L059 DWb), Plural auf -er zuerst 1481 (L059 DWb); »die ältere sprache läßt.. gern das weibl. pronomen darauf folgen..« von sinem wibe, ir gebot het er übergangen(Hartmann von Aue, Iwein 3085), auch noch neuhochdeutsch ich sah nie ein weib, die schöner wäre, Penelopeia redet zu mir, die treuste der weiber (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Römische Elegien; 1837 J.L095 Jacob Grimm, Deutsche Grammatik IV,269f.);1 »Eine Person weiblichen Geschlechtes, ohne Rücksicht auf Alter, Stand und Heirath« (L004 Johann Christoph Adelung), Gegensatz ↑ "Mann", daher Mann und Weib (mhd. ) ›alle‹; zumeist auf Erwachsene beschränkt; in erotischer Deutung seit dem 12. Jahrhundert, meist mit dem Ton sinnlicher Begeisterung: schöne Weiber, heute ein tolles, rassiges Weib; daneben aber auch mit Bewunderung und im Sinn eines Ehrennamens: mîn vrouwe ist ein sô edel wîp (Hartmann von Aue, Iwein), reines Weib (beliebteste Verbindung bis ins 15. Jahrhundert); mit Betonung ihrer biologischen Funktion vom Weibe geboren (biblisch); konkurrierende Bezeichnung (v. a. im Mittelalter zumeist mit höherem Sozialprestige) ↑ "Frau", daher schon mittelhochdeutsch auch ⇓ "S031" pejorativ, v. a. böses Weib (A022 Sebastian Brant, Narrenschiff, 64. Kap.) und altes Weib (1548; L059 DWb), auch im Vorwurf, wie ein altes weibfeig, schwächlich‹ (Tieck; L059 DWb); in der neueren Frauenbewegung »Ehrenbez.« (L157 Kleines Weiberlexikon) (↑ "Hexe"), dazu Weiberfest, Weiberrat usw.;
2 Gegensatz zu mhd. magetJungfrau‹; im Verhältnis zum Mann ›Ehefrau‹ (zum Weib nehmen/ geben; so noch Luther, im 18. Jahrhundert ⇓ "S148" literarisch neu belebt), oft mit Possessivpronomen (mein Weib), aus männlicher Sicht Weib und Kind (16. Jahrhundert) ›Familie‹, mit Attributen stets lobend: mein (ge)treues, liebes, braves Weib; früher häufig für verheiratete oder bejahrte Frauen niederen Standes (L004 Johann Christoph Adelung). Zusammensetzungen meist zu (1), vielfach pejorativ: Weibsperson, Weibsbild, Weibsstück (s. unten), "Altweibersommer" (↑ "alt"). W.Krogmann, in: L141 IF64,2,136ff.
Weibsbild mhd. wibes bilde (neben weiblich/ weibisch bild); ›Frau‹, ›Gestalt einer Frau‹ (↑ "Bild"), bis ins 17. Jahrhundert »ein durchaus edler ausdruck« (L059 DWb), umgangssprachlich und süddeutsch/ österreichisch noch heute (L322 UWb); allgemein ⇓ "S166" abwertend, eingebildetes Weibsbild;
Weibsleute Plural von Weibsmensch, älter und reicher entwickelt als Mann(e)sleute, sicher bezeugt ab 1582 (L059 DWb); nicht verächtlich ›weibliche Angehörige‹, pejorativ erst spät: wirf die weibsleute raus (Raabe; L059 DWb); heute veraltet;
Weibsstückmitteldt. weibesstück (16.-18. Jahrhundert; L059 DWb); verdeutlicht ostmitteldt./ niederdt. "Stück"(2.7) als ⇓ "S166" verächtliche Bezeichnung für Frauen (neben Frauenstück); bei L004 Johann Christoph Adelung noch niedriger als Weibsbild (s. oben), Weibsen (s. unten), Weibsperson; heute »salopp abwertend« (L337 WdG);
Weibchen eines der frühesten ⇓ "S050" Diminutive auf -chen, seit dem 15. Jahrhundert literarisch (L059 DWb);
1 auf eine Frau bezogen,
1.1 deren körperliche und geistige Merkmale nicht mehr oder noch nicht der Vorstellung eines vollkommenen Weibes entsprechen, altes, junges Weibchen, besonders zur Bezeichnung geistiger Unreife ein sehr einfaches naives weibchen(Hebbel; L059 DWb), heute oft abwertend »im Hinblick auf ihre typisch weiblichen Eigenschaften und Fähigkeiten besonders im Bereich des Erotischen und Sexuellen« (L322 UWb);
1.2 im 18./ 19. Jahrhundert Kosewort, ursprünglich von verheirateten Frauen, heute veraltet und scherzhaft;
2 von Tieren, ursprünglich von den Vögeln, oberdeutsch Weiblein (L004 Johann Christoph Adelung);
weibisch (spätmhd.); ⇓ "S031" zunächst nicht pejorativ
1 »das den weyberen zu gehört« (L200 Josua Maaler), synonym weiblich (s. unten), bei L004 Johann Christoph Adelung als veraltet gekennzeichnet;
2 »nicht die für einen Mann als charakteristisch erachteten Eigenschaften habend« (L322 UWb), Gegensatz "männlich": die weybischen, leychtfertigen pfaffen (Luther; L059 DWb);
weiblich (ahd. ) Adjektiv zu Weib, "Frau" und "Dame";
1der Frau gemäß‹, in unterschiedlichen Hinsichten (mhd. ): weiblicher Gang, Sinn, weibliches Gewand, weibliche Güte, auch tadelnd weiblicher Eigensinn, weibliche Schwäche, zur Bezeichnung des Inbegriffs der Weiblichkeit weibliches Weib (13. Jahrhundert, im 19. Jahrhundert wiederbelebt), bezüglich der Opposition zu "männlich": sie sind das männliche prinzip in unserem verhältnisz, ich das weibliche (Pückler; L059 DWb);
2 ausgedehnter fachsprachlicher Gebrauch, z. B. in der grammatischen Terminologie ›genus femininum‹, seit 1445 weiplichs geslecht (L059 DWb), um 1400 weibs geslacht (ebenda); in der Metrik weiblicher Reim seit 1624 (⇓ "S071" Opitz, aus dem franz. vers féminin) ›zweisilbiger, aus einer Hebungs- und einer Senkungssilbe bestehender Reim‹;
Weiblichkeit (spätmhd.); bis ins 19. Jahrhundert
1.1Eigenschaft als Frau‹; seit Mitte des 18. Jahrhunderts
1.2 in der heutigen Bedeutung ›Wesensart der Frau, weibliche Art‹; »seit ende des 18.jhs. nicht selten« (L059 DWb)
1.3Frauenwelt‹: wenn ihm die ganze hier anwesende weiblichkeit zured't (Nestroy; ebenda), scherzhaft-ironisch holde Weiblichkeit;  
Weibsen < mhd. wibes name > nhd. weib(e)s name(n), weibsnamen (1597; L059 DWb), ursprünglich Mask. , dann, da etymologisch verdunkelt, Neutrum und auch Plural; ›Frau‹, zumeist im Plural dasz man die weibsen gerne hat(Tieck; L059 DWb), heute vielfach ironisch sie seien doch bloß schwache Weibsen und kein solcher Kraftkerl wie er(Fallada; L337 WdG); ↑ "Name". Zur Literatur siehe L175 Friedrich Kluge/ L175 Elmar Seebold.
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