Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
wagen
12. Jahrhundert aus mhd. wageGefahr‹ (↑ "Waage"[2]). Anfangs wohl ›auf die Waage legen‹, daher1in unsichere Lage, Gefahr bringen‹. Als Objekt steht deshalb ursprünglich ein Besitz, den man in Gefahr bringt, sein Leben, sein Gut, seine Ehre wagen; das, was man dabei zu gewinnen hofft, kann durch an angeknüpft werden: ein zwanzig Pfund, die will ich wohl dran wagen (Schiller); durch an kann aber auch der gefahrdrohende Gegenstand angeschlossen werden: sollt' ich sie an eures Hasses Wut unzeitig wagen? (Schiller); auch andere Richtungsbezeichnungen können angeknüpft werden: eh' ich mein geflicktes Schiffchen wieder auf den Ozean wage (Goethe); aus des Gartens sichern Mauern wag' ich meinen Schritt nicht mehr (Schiller). Auch sich wagen: Eleasar wagte sich, daß er das Volk Israel errettete (Luther), ich werde wie in meiner Jugend streiten, mich wagen ehemals (Klopstock); mit zu und Infinitiv: daß sich keiner ihn aufzuheben wagen will (Lessing); allgemein üblich ›sich trauen, sich an einen Ort zu begeben bzw. einen Ort zu verlassen‹: sich aufs Eis, sich nicht aus dem Haus wagen, anfangs Mai wagt' ich mich aus (Goethe), auch sich an etwas (heran)wagen.Jünger ist der jetzt allgemeine Gebrauch im Sinne von ›riskieren‹, als Objekt einen Akkusativ des Inhalts zu setzen, die Tätigkeit, die man unternimmt, einen Sprung, einen Kampf, eine Vermutung, eine Bitte, einen Versuch wagen; es wagen, jmdn. anzugreifen; mit unbestimmtem es: willst du es mit mir wagen? Seltener steht als Objekt ein Übel, dem man sich aussetzt: sie wagen den Pranger und mehr (Schiller); sonst wagst du, daß er wiederkommt (H. v.Kleist);
2die Gefahr nicht scheuen, etwas riskieren‹: das leben wagt der muth, nicht das gewissen (Schiller; L059 DWb); scherzhaft dann wagten auch die Alten mal wieder ein Tänzchen (Bredel; L337 WdG); sprichwörtlich frisch gewagt ist halb gewonnen.
Wag(e)hals"S188" Satzwort, imperativische Bildung oder 1.Person Singular (N.Törnqvist, L224 NM60,12ff.), hochdeutsch seit Anfang des 16. Jahrhunderts; zunächst ›wer sich tollkühn in Lebensgefahr begibt‹, abgeschwächt ›wer sich unbesonnen in große Gefahr begibt, (zu) viel wagt‹, heute veraltend; Ende des 18. Jahrhunderts
waghalsigin unvernünftiger Weise kühn(1.1)kühnheit eines wagehalsigen gelbschnabels(Goethe; L059 DWb); Waghälsig ist der Leichtsinnige, der sich in Gefahren wagt, weil er sie nicht kennt (I.A152 Immanuel Kant, Anthropologie 21800, §77), heute kaum Personen-, meist Tätigkeitsbezeichnung waghalsige Kletterpartie;
Wagemut von L033 Joachim Heinrich Campe als neu gebucht (G.A.Bürger, Ilias); seine Tatkraft, sein Feuer, seinen Wagemut (Hesse; L320 Trübner); Wagemut eines Unternehmers;
wagemutig, ähnlich "kühn"(1) und "mutig" (↑ Mut) durchweg positiv: eine auf das grosze gerichtete, kühn aufstrebende, wagemutige herrschernatur (Prutz; L059 DWb);
Wagnis Neutr. (zuvor oft Fem. ), im 16. Jahrhundert wohl aus der ⇓ "S010" Kanzleisprache, allgemein im 18. Jahrhundert (L059 DWb), anknüpfend an wagen(1) ›kühne Tat, Unternehmung‹, an wagen(2) ›Risiko‹; synonym Wagestück (16. Jahrhundert).
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