Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
vorüber
(16. Jahrhundert) aus vor etwas über;1 räumlich,
1.1 auf die Bewegung bezogen; ursprünglich liegt wohl "für" mit Akkusativ zugrunde, aber Luther gebraucht den Dativ, da der Herr vor seinem Angesicht über ging; meine Brüder gehen verächtlich vor mir über; Paulus hatte beschlossen, vor Epheso über zu schiffen; ähnlich zuweilen noch im 18. Jahrhundert. Verschmolzenes vorüber hatte in Verbindung mit Verben früher den Akkusativ neben sich, dich geht man am blendenden Tag vorüber (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Vier Jahreszeiten 8), Die Lebenssatten gehst du vorüber (A222 Friedrich Schiller, Räuber 5,2), nicht gern möchte ich dich vorübergehen (H. v.Kleist), weil man das Wahre, das Wesentliche, das Beglückende vorübergegangen hat (statt ist wegen des Akkusativs) (Törring), wie des Stromes rasche Wellen Blum' und Dorn vorüberzieh'n (Lenau), der Weise lächelt die Gräber vorüber (Klopstock). Daneben kommt auch der Dativ vor: dem ihr sonst Schlafendem vorüberzogt (Goethe, Briefe);
1.2 im 18. Jahrhundert auch wie "gegenüber": nun saß dem guten blinden Alten vorüber Oberon (Wieland), gegen jenen, der mir vorüber steht (Herder). Auch in diesem Sinn waren ursprünglich die beiden Teile getrennt, und hier ist der Dativ neben vorjedenfalls ursprünglich, je näher man vor ihr über stand (Wieland), wie sich derselbe [Gegenstand] vor dem Künstler über höher verklärte (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Briefe), setze dich gelassen vor mir über (Wieland);
2 auf die Zeit übertragen, adjektivisch vorübergehend seit dem 18. Jahrhundert Gegensatz zu andauernd: ich will Rom sehn, das bestehende, nicht das vorübergehende (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Briefe 8,109). Vgl. "vorbei", "gegenüber".
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