Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
vorkommen
ahd. furiqueman, mhd. vorkomen, vürkomen;1vor jmdn. kommen‹ mit verschiedenen Schattierungen. Konkret: schlug ein jeglicher, wer[›jeden, der‹] ihm vorkam (Luther), er redete mit jedem von der Sache, der ihm vorkam (Nicolai), er ißt alles, was ihm vorkommt (L004 Johann Christoph Adelung), Villoisons Homer kam mir in Italien vorvor Augen‹ (Herder). Frühneuhochdeutsch auf Meldung, Anzeige bezogen: mir ist vorgekommen von euch, daß Zank unter euch sei (Luther). Noch in der Übersetzung (1764) des ›Hinkenden Teufels‹ von A.R.Lesage: seinem Bruder aber kommt vor, daß allen Ärzten anbefohlen wird, daß sie… in Trauerkleidern erscheinen sollen;
2 ferner von Umständen, Ereignissen ›begegnen, sich ereignen‹ (17. Jahrhundert): wenn ihr unterdessen eine gute Gelegenheit zu heiraten vorkäme (Lessing; nach L004 Johann Christoph Adelung); jetzt mit Dativ nur negativ: So wat Gemeines ist mir noch nicht vorgekommen(A040 Alfred Döblin, Alexanderplatz 229); allgemein ohne Dativ (vgl. "vorfallen"): der Fall kommt vor, vorkommenden Falls; dazu Vorkommnis (Goethe; L059 DWb), kanzleisprachlich auch Vorkommenheit bis weit ins 19. Jahrhundert: bei dergleichen Vorkommenheiten (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 17.10.96, ferner vom 19.5.12, 11.7.22, 2.8.23 u.ö., z. B. auch Wanderjahre 24,310,26);
3 auf die Einbildungskraft bezogen ›erscheinenseine weiße Hand kam ihr immer vor (erschien ihr im Traum) (Bode), hundertmal des Tages kommen sie mir vor, wie sie unter den Büchern herumkramen (Eva König), auch die Lismergrithe kam ihm jetzt vorerschien ihm in Gedanken‹ (Pestalozzi), daß der nämliche Traum mit denselben Umständen ihm wieder vorkam (Tieck), allgemein sie kommt mir bekannt vor, das kommt mir verdächtig vor, wie kommst du mir vor?, heute eher mit dem Nebensinn ›glauben, daß etwas so seies kommt mir vor, als habe sie uns zum besten u.dgl., ursprünglich mit Subjektsatz: sobald es mir vorkommen wird, daß ich es weiß (Klopstock), auch wenigstens kommt mir vor, daß ich die Alten besser einsehe (Goethe), mir kommt vor, du könntest den Maßstab nicht sogleich wieder finden (Schiller), manchmal kam es mir vor, ich hätte einen halben Zentner Pulver im Leibe (Gotthelf);
4 veraltet ›hindernd vor etwas treten, vorbeugen‹ für heutiges ↑ "zuvorkommen": dem Gifte der Schmeichler vorzukommen(Haller), der Eigenrache vorzukommen (Lessing), kommt man dieser epidemischen Krankheit noch in Zeiten vor (Herder), wie sie seinem Weinen vorkömmt (Pestalozzi), daß man mit Liebe und Teilnehmung der gänzlichen Kopfverwirrung angstvoller Menschen vorkäme(Pestalozzi), allenfalls kann man bösen Folgen vorkommen durch verborgene Aufsicht (Törring); frühneuhochdeutsch auch mit Akkusativ;
5 umgangssprachlich ›hervorkommen, nach vorn kommenKomm vor! (L004 Johann Christoph Adelung); warten bis der mond vorkommt (Fontane; L059 DWb).
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