Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Vogel
ahd. fogal, mhd. vogel, altgermanisch (engl. fowl), ⇓ "S063" unbekannter Herkunft;1geflügeltes und gefiedertes zweibeiniges Wirbeltier‹, auf sein Fliegen bezogen: Sehet die Vogel vnter dem Himel an (A180 Martin Luther, Matthäus 6,26), daher frey seyn wie ein Vogel in der Luft (L169 Matthias Kramer), seinen Zug im Frühjahr und im Herbst: Die,… / Wandernden Vögeln gleich, mit Gesange von Berge zu Berg' einst / Zogen (A131 Friedrich Hölderlin, Der Archipelagus), seinen Gesang: Wer kann gebieten den Vögeln / Still zu seyn auf der Flur? (Goethe; Ch.L042 Christa Dill), dazu [der fogel] singet, wie yhm seyn schnabel gewachsen ist (Luther; L059 DWb) redensartlich ›in der angeborenen Weise sprechen‹; (L019 Wilhelm Borchardt 497)
⊚⊚ friß Vogel, oder stirb (2. Hälfte des 16. Jahrhunderts; L059 DWb), wenn jmd. in einer Notsituation keine Alternative hat, er hat Vögel unter dem Hut wenn einer nicht grüßt, er muß ein böser Vogel sein, der sein eigenes Nest beschmutzt; die Vögel sind ausgeflogen(frühnhd.; L059 DWb), einen Vogel haben: du hast wohl einen vogel (19. Jahrhundert; L059 DWb) ›du bist wohl verrückt?‹, als gleichbedeutende Geste jmdm. einen Vogel zeigen; übertragen von dem nachgebildeten Vogel als Schützenziel: er hat den Vogel abgeschossendas Beste davongetragen‹: vom fogel abschieszen (Luther; L059 DWb); auf geflügelte Insekten übertragen: die Biene ist ein kleines Vögelein (Luther), "Sommervogel", "Buttervogel" ›Schmetterling‹, bei W.A033 Wilhelm Busch witzig: Jeder weiß was so ein Mai- / Käfer für ein Vogel sei (Max und Moritz, 1.Streich); "Brachvogel" ↑ "Brache"; seit dem Frühneuhochdeutschen
2 von Menschen: ein loser, lustiger, durchtriebener Vogel, es ist ein seltzamer vogel ein christ (Luther; L059 DWb), "Galgenvogel", Pechvogel.
vogelfrei mhd. vogelvri (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); eigentlich ›frei für die Vögel‹, daher als ⇓ "S181" Rechtsausdruck einer historischen Strafe: Jemanden für vogelfrey [›rechtlos‹] erklären (L003 Johann Christoph Adelung 1780) ›ächten‹; daneben übertragen wie heute nur noch die literatur stellte neben den gebundenen brod- und fachgelehrten den vogelfreien schriftsteller (Riehl; L059 DWb);
Vogelperspektive (1759–65; L059 DWb) ›Sicht von oben‹, Gegensatz "Froschperspektive";
Vogelscheuche (1482; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ›Gerüst mit Menschenkleidern versehen zum Fernhalten der Vögel von Erntegut‹; übertragen ›häßlicher, ungepflegter Mensch‹, allgemeiner ›Schrecken‹: henker, scharfrichter und übrigen vogelscheuchen der obrigkeit (1824ff.; L059 DWb);
Vogler ahd. fogalari, mhd. vogelære zu veraltet vogeln (ahd. ) ›Vögel fangen‹; ⇓ "S035" veraltet ›Vogelfänger‹, erhalten als Beiname Heinrichs I.: Heinrich der Vogler;
vögeln mhd. vogel(e)nbegatten‹, bezogen auf Vögel; seit dem 16. Jahrhundert ⇓ "S047" derb umgangssprachlich auf Menschen bezogen: Und hinten drein komm ich bey Nacht / Und vögle sie dass alles kracht (A075 Johann Wolfgang von Goethe, I,38,448).
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