Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
verzweifeln
mhd. verzwiveln. Im Mittelhochdeutschen kann schon einfaches zwiveln die Bedeutung unseres verzweifeln haben, indem die negative Seite in "zweifeln" in den Vordergrund tritt, verstärkt durch ver-; frühneuhochdeutsch noch1den christlichen Glauben aufgebenes soll niemand verzweifeln: büssen und recht thun findet allzeit gnade(Luther; L059 DWb); allgemein
2die Hoffnung aufgeben‹, das Perfekt mit haben umschrieben, wie einfaches zweifeln: du hast eine zeitlang ganz an deinem Talente verzweifelt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lehrjahre 21,265,1); auch wie heute mit sein, da es ausdrückt, daß man in einen Zustand gerät: der Major wäre… an den Verschränkungen… fast verzweifelt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wanderjahre 24,305,12), entsprechend das Partizip Perfekt verzweifelt attributiv ein verzweifelter Mensch; in eigentlich ungenauer Verknüpfung: ein verzweifelter Kampf, Entschluß, Ausweg usw. (wobei man verzweifelt ist); auch adverbial: dein Schade ist verzweifelt böse (Luther). Auch ›verwünscht, verdammt‹: der verzweifelte Nachbar (Lessing), die verzweifelte Gelehrsamkeit(Lessing), zum Henker mit dem verzweifelten Studieren(Möser), als Ausruf verzweifelt! (Lessing). Als ⇓ "S229" Verstärkung ›sehr, groß‹: verzweifelt wenig, selten, leicht, naiv (A222 Friedrich Schiller, Briefe 1,240), eine verzweifelte Ähnlichkeit mit Hühnerbeinen (Th.Mann).
Verzweiflung (14. Jahrhundert; L059 DWb); ⇓ "S075" zu verzweifeln(1) verzwifelunge das ist das eyner verzwifelt an der barm hertzigkeit gotis (vor 1468; L059 DWb); dann auch zu verzweifeln(2) in weltlicher Bedeutung: ihre Trostlosigkeit geht bis zur Verzweiflung (E.T.A.Hoffmann; L320 Trübner), auch bildlich gesteigert: Im Abgrund der Verzweiflung ist ihr[der Hoffnung] Ort (R.A.Schröder; ebenda); Verzweiflungskampf (1911; L320 Trübner), Verzweiflungsschrei (Raabe; ebenda), Verzweiflungstat (Schiller; ebenda).
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