Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
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ahd. firwenten, mhd. verwenden;1 zunächst allgemein wie ↑ "wenden" ›(weg)drehen, in eine andere Richtung wenden‹: Joel verwandte sein tränendes Antlitz von dem Vater(Klopstock), eine abscheuliche Bildung, von der man gern sein Antlitz verwendet (Lessing), daß ich mein Auge nicht verwenden konnte von Ihnen (E.T.A.Hoffmann). Jetzt nur noch gehoben veraltet in negativen Sätzen: kein Auge, keinen Blick von jmdm. verwenden, ohne den Blick zu verwenden (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wanderjahre 24,232,28);
2verwandeln, verändern‹ (mittelhochdeutsch und frühneuhochdeutsch; L320 Trübner), noch bei A075 Johann Wolfgang von Goethe: in Schutt und Trümmer verwandt(Bergschloß 24);
3 die heute übliche Bedeutung entwickelt sich aus ›in eine bestimmte Richtung hin wenden‹ (L200 Josua Maaler 1561), Geld, Zeit, Fleiß usw. auf/ zu etwas verwenden, seinen Einfluß bei jmdm. (für etwas/ jmdn. ) verwenden, eine neue Drucktype, Farbe, Firnis verwenden, auch sich für jmdn. (zugunsten jmds. ) verwenden. Eine eigentümliche Bedeutungsentwicklung hat das Partizip Perfekt
verwandt gehabt (seit dem 15. Jahrhundert selbständiges Wort; L320 Trübner), die wohl von dem Sinn ›zugewandt‹ ausgegangen sein muß; anfangs und bis ins 19. Jahrhundert auf unterschiedliche Arten von Beziehungen bezogen
1verbunden, zugehörig‹, die, so mir vor mit gunst und lieb verwandt (Hutten; L059 DWb), bleibt Böhmen dem Auslande durch seine Heilquellen verwandt(A075 Johann Wolfgang von Goethe, 42,1,24); staatsrechtlich ›untertan‹, mit pflicht, eid und gelübde verwandt (1478; L059 DWb);
2 auf die Familienzugehörigkeit bezogen, veraltet mit Dativ den Mann, der ihr… verwandt (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Nathan 4,7); gewöhnlich verwandt mit, er war… mit Mathilde verwandt (1538; L059 DWb); fest in der Formel weder verwandt noch verschwägert;
3 vielfach übertragen verwandte Herzen, Seelen, Formen, Sprachen, Gesinnungen, Erscheinungen, Künste, Wissenschaften usw.; eine eigentümliche Konstruktion: mit dorthin verwandten Beispielen (Goethe, Briefe). Zusammensetzungen anverwandt, namentlich mit substantivischem Bestimmungswort blutsverwandt, stammverwandt, übertragen "geistesverwandt", sinnverwandt, namensverwandt, wahlverwandt ("Wahlverwandtschaft" ↑ "wählen"); substantiviert entsprechend ein(e)
Verwandte(r), ⇓ "S140" moviert früher auch Verwandtin; in weiterer Bedeutung (in Zusammensetzung) Glaubensverwandter; zu verwandt(1) dasz der Satan seine zugethanen und verwandten mit solcher nahrung ätze (Prätorius; L059 DWb); zu verwandt (2) zu entfernten verwandten(E.M.Arndt; L059 DWb), reimend Verwandte und Bekannte (Sachs; L059 DWb); zu verwandt(3) jene Aboriginer… für nahe verwandte der Umbrer halten (1828; L059 DWb); zu verwandt(1) bzw. (3) besonders substantivisch Zusammensetzungen wie Bundesverwandter (Niebuhr, Bundesverwandtin Schiller), Bibliotheksverwandter (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 4.7.20), Druckverwandter (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 14.2.17), Gesandtschaftsverwandter (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 2.9.19), Kanzleiverwandter (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 2.9.19), Kunstverwandter (Wieland, Lessing, Goethe), Polizeiverwandter (Goethe), Ratsverwandter (Goethe), Religionsverwandter (Goethe, Schiller), Schutzverwandter (Wieland, Goethe), Zeitverwandter (Lessing), Zunftverwandter (Goethe);
Verwandtschaft (Ende des 15. Jahrhunderts; W.L244 Wolfgang Pfeifer); verwandt und Verwandte(r) entsprechend
1 zu verwandt(1) ein vil andere verwandtschaft, lieb und pfleg zwischen ehleuten als zwischen der herschaft und eim knecht(Fischart; L059 DWb); zu verwandt(2)
2.1 die beiden herren verständigten sich schnell über den grad ihrer verwandtschaft (G.Keller; L059 DWb);
2.2Gesamtheit der Angehörigen‹, ob er etwa zur Verwandtschaft gehöre (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 3,2,147); dazu Verwandtschaftsverhältnis, Blutsverwandtschaft, Heiratsverwandtschaft;
3 zu verwandt(3) Das Liberale Manifest… läßt die nahe Verwandtschaft zu den Auffassungen der Neoliberalen erkennen (Fraenkel; L098 2GWb); ⇓ "S237" zum Wortfeld "Verwandtschaft" ⇑ "Ahn"/ "Ahne", "Ahnfrau"/ "Ahnherr", "Altvater"/ "Altvordern", "Ältervater"/ "Ältermutter", "Angehöriger", "Anhang", "Base", "Braut"/ "Bräutigam", "Bruder", "Buhle", "Cousin"/ "Cousine", "Ehefrau"/ "Ehegatte"/ "Ehegemahl"/ "Ehegespons"/ "Ehemann"/ "Eheleute", "Eidam", "Eltern", "Enkel", "Familie", "Frau", "Gatte"/ "Gattin", "Gebrüder", "Gemahl", "Geschwister", "Gespons", "Gevatter"/ "Gevatterin", "Großmutter"/ "Großvater", "halb", "Kind", "Mama", "Mann", "Mischpoche", "Muhme", "Mutter", "Nachfahr"/ "Nachkomme"/ "Nachkömmling", "Neffe", "Nichte", "Oheim", "Onkel", "Oma", "Opa", "Papa", "Pate", 2"Schnur", "Schwager", "Schwäher", "Schwester", "Schwieger"/ "Schwiegermutter", "Sippe"/ "Sippschaft", "Sohn", "Stief-"/ "Stiefmutter", "Tante", "Tochter"/ "Tochtermann", "Urahn", "ur-", "Vater", "Verlobter", "Vetter", "Vorfahr", "Witwe"; Spindel-/ Spill-/ Schwertmage ↑ "Spindel". Lit.: E.E.Müller (↑ "Großvater"); L263 Germán Ruipérez (↑ "Cousin"); F.Debus, in: L061 DWEB1,1958; W.J.Jones, German Kinship Terms, 1990; zu verwenden(1)
unverwandt (um 1490; L059 DWb), unverwandt blicken, horchen;
Verwendung (1496; L059 DWb) zu verwenden(3), formelhaft (keine) Verwendung für jmdn. / etwas haben, Verwendung finden (L320 Trübner); ungewöhnlich zu verwenden(1): durch die Verwendung oder Entfernung seiner Personen (Lessing).
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