Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
verstehen
ahd. firstantan, firstan, firsten, mhd. verstan, versten;1durch zu langes Stehen verfallen‹, veraltet, verstandene Pfänder (L004 Johann Christoph Adelung);
2.1akustisch wahrnehmenals ich nichts von dem verstand, was da oben gesprochen wurde(Goethe; L109 Moriz Heyne),
ich versteh nur Bahnhof!nichts!‹ (A054 Hans Fallada, Blechnapf 441); auch
2.2den Sinn erfassenverstehe mich recht, merke wie ichs meine (L109 Moriz Heyne), wir glauben zu verstehen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Tasso 2,1), sprichwörtlich denn sie verstehens doch so wenig als der esel den psalter (Luther; L059 DWb); dazu übertragen jmdm. etwas zu verstehen gebendurch Andeutungen zur Kenntnis geben‹ (L200 Josua Maaler 1561); hierher auch das versteht sich (L308 Kaspar Stieler), bei Opitz weil es sich wohl ohne diß verstehet (L059 DWb), dazu die Steigerung das versteht sich von selbst (L004 Johann Christoph Adelung);
2.3 sich mit jmdm. verstehengleicher Meinung sein‹ (auf der Grundlage gleicher Ansichten, Interessen), ich hör es, wir verstehen uns (A222 Friedrich Schiller, Karlos 2,11), übertragen mein herz verstand sein liebevolles schweigen (Lenau; L059 DWb);
2.4Verständnis für jmdn. , etwas haben‹, und zwar im Sinn eines tieferen Einblicks wer den dichter will verstehen / musz in dichters lande gehen (Goethe; ebenda); willst du die andern versteh'n, blick in dein eigenes herz (Schiller; ebenda), Ich begreife, aber verstehen tu ich Sie… doch nicht (A082 Christian Dietrich Grabbe, Scherz 1,1); hierher wohl auch sich zu etwas verstehensich zu etwas bereit erklären‹ (weil man gewisses Verständnis hat) zu etwas weiteren aber mich nicht verstehen kann (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 14.8.06);
3 sich auf etwas verstehendurch Übung eingelernt sein, kennensich auf die liebe (Schiller; L109 Moriz Heyne), auf Leute verstehen (A222 Friedrich Schiller, Kabale und Liebe 2,7), auch transitiv ein Handwerk, eine Kunst verstehen; auch: Sprache (5.Mose 28,49), das Recht (Hiob 32,9), die Schrift (Lukas 24,45) verstehen; die »befehlende frage« (L059 DWb) am Ende eines Gesprächsbeitrags (A222 Friedrich Schiller, Fiesko 2,15) ist vielfach verbreitet: Verstehst du, sagt Albert, und das ist keine Frage, sondern bedeutet: So ist es! (A235 Brigitte Schwaiger, Salz 86); daneben wird z. B. Verstehen Sie als zustimmungsheischende Dehnungsformel (L254 Der richtige Berliner) in die Gesprächsrede eingeschoben; die Formel kann Bedrohliches enthalten; sie wird umgangssprachlich zu verstehste, auch als Partizip Prät.
verstanden (gekürzt aus z. B. Hast du verstanden?) geführt: Wo ich war, das geht dich nichts an, verstanden? (M.v.d.A093 Max von der Grün, Irrlicht 143). Gzybatow, Zur Bedeutung des deutschen Verbs »verstehen«, in: Proceedigs of the 14th International Congress of Linguists, ed. by W.Bahner, 1990,1299–1302.
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