Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
versprechen
ahd. furisprechan (Notker), firsprehhan (Otfrîd) ›in Abrede stellen, verteidigen, rechtfertigen‹ (9. Jahrhundert; W.L244 Wolfgang Pfeifer), mhd. versprechen;1 mittelhochdeutsch und noch frühneuhochdeutsch ›gegen etwas sprechen, in Abrede stellen, von sich weisen, verwerfen‹: Vnd da sie sahen etliche seiner Jünger mit gemeinen / das ist / mit vngewasschen henden das brot essen / versprachen sie es (A180 Martin Luther, Markus 7,2); bis ins 18. Jahrhundert auch im Sinne von ›tadeln, schmähen, verleumden‹ (besonders häufig bei Luther): tadeln… das ist, versprechen, heiszt auch schelten, ausmachen, straffen (1666 Gueintz; L059 DWb); frühneuhochdeutsch auch noch im Sinne von ›verzaubern, verhexen‹: Eine Buchse versprechen (L308 Kaspar Stieler 1691; vgl. auch L004 Johann Christoph Adelung);
2 reflexiv ›beim Sprechen einen Fehler machen, etwas anderes sprechen oder aussprechen, als man beabsichtigt hat‹ (schon mhd. , z. B. Wolfram; L059 DWb): Ein Fehler, der vorgekommen war, wenn ein Schauspieler sich versprach oder irgend einen Provinzialism hören ließ (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 22,98); Am häufigsten verspricht man sich doch, indem man anstatt eines Wortes ein anderes, ihm sehr ähnliches sagt (S.A063 Sigmund Freud I,57);
3 ahd. furi-sprechan, mhd. vürsprechen, frühneuhochdeutsch und noch südwestdeutsch ›sich für jmdn. verbürgen, jmdn. verteidigen, für jmdn. sprechen‹: Aenneli… fing an den Felix zu versprechen: er hätte es sicherlich nicht so bös gemeint (Gotthelf; L059 DWb), frühneuhochdeutsch gelegentlich auch reflexiv: Vertritt dein sach selbs / Versprich dich(L200 Josua Maaler 1561 s. v. Vertritt); in der frühneuhochdeutschen Rechtssprache auch ›(für eine Sache) eintreten, vertreten‹: vil lassen sich mit gelt bestechen, / dasz sie desz reichen sach versprechen [als Sachwalter] (Sachs; L059 DWb), "Fürsprache" (↑ "für");
4.1."S210" jmdm. etwas versprechensich einem anderen gegenüber verbindlich darauf festlegen, in der Zukunft eine (nach Ansicht des Sprechers) im Interesse des Hörers liegende Handlung zu vollziehen oder eine gegen dessen Interessen verstoßende zu unterlassen‹, »Mit Worten zusagen, daß man etwas zum Nutzen des andern thun oder lassen wolle« (L004 Johann Christoph Adelung); mit Akkusativobjekt, Infinitivsatz, Nebensatz mit daß oder diese ersetzendem Pronomen im Akkusativ: Sie haben versprochen, mit nichts, als Ja oder Nein zu antworten (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Minna 2,9); Denn die Allgemeinheit eines Gesetzes, daß jeder, nachdem er in Noth zu sein glaubt, versprechen könne, was ihm einfällt, mit dem Vorsatz, es nicht zu halten, würde das Versprechen und den Zweck, den man damit haben mag, selbst unmöglich machen, indem niemand glauben würde, daß ihm was versprochen sei, sondern über alle solche Äußerung, als eitles Vorgeben, lachen würde (1786 I.A153 Immanuel Kant, Grundlegung; AA 4,422); Versprecht mir, / Die Hand gebt mir darauf, daß Ihr sein Leben / Beschützen, unverletzlich wollt bewahren (A222 Friedrich Schiller, Wallensteins Tod 3,23); auch in der Bedeutung ›jmdm. verbindlich die Leistung oder die Aushändigung einer Sache zusagen‹ (schon Luther), dann mit dem Akkusativ: seine Dienste versprechen (L169 Matthias Kramer 1702); Ich bin bereit, ihn auf dem Rücken zu tragen, und verspreche ihm einen blauen Ballon, eine Bootsfahrt auf der alten Donau und Briefmarken (A004 Ingeborg Bachmann, Alles 157); frühneuhochdeutsch auch einen Eid, ein Gelübde versprechen; hierher ebenfalls die Wendung jmdm. sein Herz versprechen: verblendung war's, mein herz ihr zu versprechen (A.W.Schlegel; L059 DWb), sowie jmdm. etwas in die Hand versprechen; bis ins 18. Jahrhundert gelegentlich auch reflexiv: sich mit einem Eid/ Gelubd… versprechen (L169 Matthias Kramer 1702); in ironischer Verkehrung heute auch im Sinne von ›jmdm. eine Handlung ankündigen, die gegen das Interesse des Adressaten verstößt‹, ›drohen‹: ich verspreche dir eine Tracht Prügel; Das wirst du büßen, das verspreche ich dir;
4.2verheißen‹, auch ›verabreden‹, »So sagt man, man sey schon versprochen, wenn man einem andern sein Wort gegeben hat, ihn zu besuchen« (L004 Johann Christoph Adelung): Ich versprich, verheisse / sag zu, bestim (L037 Petrus Dasypodius 1536, s. v. Dico); oft reflexiv: Zu Mittag habe ich mich bey meinem Collegen Schnaus versprochen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, IV 5,52); Knebel lässt Sie recht inständig ersuchen heut sich nicht nach Belvedere zu versprechen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 3.4.80); veraltet
4.3 reflexiv ›(sich) verloben‹, mit Dativ oder der Präposition mit: Sich mit einer Person versprechen, ihr versprechen, sie zu heurathen (L004 Johann Christoph Adelung): Jenem, mein Fräulein, versprachen Sie Sich; wollen Sie diesem Wort halten? (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Minna 2,9); aber auch transitiv: Einem eine Tochter versprechen (L308 Kaspar Stieler 1691); mit den Präpositionen anoder mit: das deutete der Traum den ich hatte, als ich Tags darauf an Weislingen versprach (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 8,130); häufig partizipial versprochen sein: Ich eile herbey, und… muß die, welche auf den ersten Anblick mein ganzes Herz hatte,… schon versprochen finden (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Freigeist 1,2); auch substantivisch: er verläszt seine versprochene, mit den wechselseitigen versicherungen der aufrichtigsten zärtlichkeit (Lessing; L059 DWb); in abgeschwächter Bedeutung
4.4voraussagen, als sicher ankündigen‹, ›garantieren‹, (↑ "Garantie"): Ach! liebste Sara, ich verspreche Ihnen das Ende ihrer Pein (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Sampson 1,7); ich verspreche meinem Laokoon wenig leser (Lessing; L059 DWb); übertragen ›bestimmte (zumeist positive) Anzeichen aufweisen, verheißen‹: Mein guter Valer, Sie versprechen, ein ziemlich gebietrischer Ehemann zu werden(A177 Gotthold Ephraim Lessing, Misogyn 1,4); Lydie, ein artiges Mädchen,… das gleich in ihrer ersten Jugend reizend zu werden versprach (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 23,47); insbesondere in bezug auf Naturerscheinungen: Die Knospe Wunder noch versprach (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 12,15 LH); bis ins 19. Jahrhundert gelegentlich mit persönlichem Objekt: einem mann… , der gewiss einen eben so grossen und originellen mahler verspricht, als seine vorfahren tonkünstler gewesen sind (Lessing; L059 DWb); auch mit eine Anlage, Fähigkeit oder Eigenschaft der Person bezeichnendem Objekt: Seine Fähigkeiten versprechen einen großen Mann (L004 Johann Christoph Adelung); ihr Körper war gut gebaut, nur daß ihre Glieder einen stärkern Wuchs versprachen, oder einen zurückgehaltenen ankündigten (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 21,154); als Wortspiel mit den Bedeutungen (4.3) und (4.4): Wir rechnen uns zur Schande ein Versprechen nicht zu erfüllen, das wir mit dem Munde gethan haben. O, mein Freund, ein guter Mensch verspricht durch seine Gegenwart nur immer zu viel! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 23,116); dazu ›zu gewissen Erwartungen berechtigen‹ (wohl 18. Jahrhundert): Aber ich habe Projecte, die noch schneller und sicherer guten Erfolg versprechen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 45,132); Er… begab sich auf den Weg, der ihn vor andern an's Ziel zu führen versprach (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 25,63); auch substantivisch (aus den Partizipien): er werde mit anderer Gelegenheit kommen, auch alles Bestellte und Versprochene mitbringen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 25,243); Die Außenseite der Kirche hat nichts Einladendes und Versprechendes (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 31,101); bis ins 19. Jahrhundert auch mit einem unpersönlichen Ausdruck als Objekt oder ganz ohne Objekt: ah! sagte Phemi. sehr interessant, das verspricht etwas (Fontane; L059 DWb); o allerdings, das verspricht! (Schiller; L059 DWb); dazu noch heute vielversprechend: Ein viel versprechendes Äußeres (L033 Joachim Heinrich Campe);
4.5 sich von einer Sache etwas versprechensich von einer Sache einen Vorteil erhoffen‹ (L305 Christoph Ernst Steinbach 1734: sich in einer Sache etwas versprechen): Von dem Moment, wenn ich es ihr sagen werde, wie es um sie steht, verspreche ich mir alles (E.T.A.A127 Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, Gelübde 2,46); ich habe mir von dieser Aufführung mehr versprochen (L337 WdG);
Versprechen Neutr. , frühnhd. noch versprechnisz und verspruch, wegen der Formgleichheit im Plural dafür oft Versprechungen (L059 DWb);
1Zusicherung, Gelöbnis‹ (16. Jahrhundert), »Das Versprechen ist weder Wille noch Äußerung des Willens, sondern es ist ein selbständiger spontaner Akt, der, nach außen sich wendend, in äußere Erscheinung tritt« (1921 A.Reinach, Gesammelte Schriften 200): Al Hafi! / Ist dieses dein Versprechen? Hältst du so / Mir Wort? (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Nathan 2,2); Nur dein Versprechen gib uns, Königin, / In frohern Tagen folge die Erfüllung(A222 Friedrich Schiller, Stuart 2,2); Von jeher hielt ich ein Versprechen hochheilig (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 24,200); dazu sein Versprechen halten (L169 Matthias Kramer 1702), erfüllen, brechen (L033 Joachim Heinrich Campe); seinem Versprechen nachkommen/ nachleben(L169 Matthias Kramer 1702); sein Versprechen widerrufen, jmdn. von seinem Versprechen entbinden (Holtei; L059 DWb);
2Gelöbnis, Verlöbnis, Eheversprechen‹ (16. Jahrhundert), Die Vettern lobten ihn deßhalb, ob sie gleich das frühzeitige Versprechen an ein Mädchen nicht billigen wollten (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 26,276); das Eheversprechen halten (L169 Matthias Kramer 1702); gestern war das Versprechen (ebenda); auch metonymisch für das die Eheverpflichtung enthaltende Schriftstück: so lange sie des schneiders versprechen noch besasz, war nichts gewonnen (Ludwig; L059 DWb); veraltet wie auch
3Erwartung, Aussicht‹: sie hatte vieles von der Mutter, versprach schon frühe sehr zierlich und reizend zu werden, und scheint ihr Versprechen halten zu wollen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 22,353);
4sprachliche Fehlleistung‹: Ein Volksvertreter, der dazu auffordert, dem Kaiser rückhaltlos die Wahrheit zu sagen, muß eine Stimme in seinem Innern anhören, die ob seiner Kühnheit erschrickt, und durch ein Versprechen das rückhaltlos in rückgratlos verwandelt (S.A063 Sigmund Freud I,82);
Versprecher Mask. ,
1einer, der verspricht‹, »Der sich verspricht« (L200 Josua Maaler 1561): die grossen Versprecher seynd kleine Halter (L169 Matthias Kramer 1702);
2Fürsprech, Bürge‹ (schon mhd. ): Er mischt sich in vieles, macht den Unterhändler, Mäkler, Versprecher (A075 Johann Wolfgang von Goethe, IV 25,17); veraltet wie auch
3 mittelhochdeutsch ›Verleumder‹;
4Fehler beim (Aus-)Sprechen‹ (wohl erst 20. Jahrhundert): »ein unheimlich schönes Mädchen, das alle Jungens ganz aufreißend (!) finden« … Ein Versprecher? Ein Verschnitt von aufregend, reizend, aufreißen? (B.A254 Botho Strauß, Paare 46); hierher Freudscher Versprecher (bei S.Freud selbst noch Versprechen in der Bedeutung [4]);
Versprechung Fem. , mhd. versprechunge (L190 Lexer) (L200 Josua Maaler 1561: Versprachung; L284 Justus Georg Schottelius 1663: Versprechung);
1Zusicherung, Versicherung‹: mit gelübd vnd versprechung (1537 Schaidenraisser; L059 DWb); man hat sich mehr von denen Bedrohungen zu furchten/ als von denen Versprechungen zu hoffen (L169 Matthias Kramer 1702); mit Genitivattribut: Die Versprechung eines Amtes, Besuches (L033 Joachim Heinrich Campe); unter reichen versprechungen von geld und freiheiten (C.Brentano; L059 DWb); im Gegensatz zu Versprechen, für das es frühneuhochdeutsch und bis ins 19. Jahrhundert im Plural zumeist eintritt, heute (aber wohl z. T. schon im 17. Jahrhundert) eher mit der Vorstellung des Unaufrichtigen: Die großen Versprechungen / dich zu befordern / werden zu Wasser? (1663 A095 Andreas Gryphius, Horribilicribrifax 7,52); einen mit Geschencken und Versprechungen locken (L305 Christoph Ernst Steinbach 1734);
2Verlobung, Ehegelöbnis‹: begluckselige… unsern unsterblichen feldherrn, durch versprechung deiner holdseligen tochter (1689 Lohenstein; L059 DWb); Ehe- [oder] Heuratsversprechung & Verspruch (L308 Kaspar Stieler 1691); der heutige tag ist zu der versprechung angesetzt (Gellert; L059 DWb), veraltet.
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