Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
versehen
(ahd. )1 früher ›ersehen, bestimmen zu etwas‹, ein Land, das ich ihnen versehen hatte (A180 Martin Luther, Hesekiel 20,6); welche er zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet, daß sie gleich sein sollten dem Ebenbilde seines Sohnes (Luther); ein armer Mann, versehn zum Graben (Gellert); diese Stelle war dazu versehen, falsch zitieret zu werden (Lessing); in den Ehepakten war versehen, daß das erste Kind reformiert erzogen werden sollte (Nicolai); wenn es Gott doch so versehen hätte (Möser); der Soldan wird den Eidam nicht verwerfen, welchen der große Prophet seiner Tochter versehen hat (Musäus);
2 ›Sorge für etwas tragen, besorgen‹ in bestimmten Verbindungen: ein Amt, eine Stelle, einen Dienst, ein Geschäft, die Wirtschaft, jmds. Stelle versehen;
3 daran schließt sich an jmdn. / sich mit etwas versehen, mit etwas versehen sein; auch mit sächlichem Objekt: einen Brief mit einem Siegel, mit einer Adresse versehen; den Markt mit Waren, eine Stadt mit Wasser, mit Gas versehen usw. (heute eher "versorgen"); kirchensprachlich jmdn. versehen ›die Sterbesakramente geben‹;
4 sich versehen ›erwarten‹ (ahd. ), mit Genitiv und unter Umständen mit zu: sich des Besten, des Schlimmsten, keines Arges (zu jmdm. ) versehen.Daneben früher zuweilen auch sich auf etwas versehen: die Mörder, die sich auf keine Überraschung versehen hatten (Schiller); man versieht sich darauf, daß die Sache zur Sprache kommen wird; selten in diesem Sinn zu: hätt' ich zu diesem Schlage mich versehen (Schiller). In Fällen wie sich nichts Gutes versehen ist der Genitiv zum Akkusativ umgedeutet. Es erscheint dann auch zweifelloser Akkusativ: wer hätte das zu Ihnen sich versehen? (Wieland); eh hätte sich der Mann des Himmels Sturz versehen(Wieland). Hierbei ist sich vielleicht zum Dativ umgedeutet, der an anderen Stellen zweifellos ist, daß du dir die hohe Gnade nicht versehen hättest (Rabener); dieses Unglück hätte ich mir nicht versehen (Lessing); eh ich mir's versehe (Gutzkow). Als Präposition zuweilen von statt zu: sich von einem versehen. ↑ "Zuversicht". Frühnhd. etwas versehen in gleichem Sinn wie sich einer Sache versehen; noch vereinzelt bei Goethe eh man's versah. Dazu ↑ "unversehens";
5 frühnhd. etwas versehen ›über etwas hinwegsehen‹: du versiehest der Menschen Sünde, daß sie sich bessern sollten (Luther). Ungewöhnlich: versieht [›versäumt‹] die rechte Zeit (Goethe); da versah's einer (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Werther 19,35,27);
6.1 etwas versehen ›falsch sehen in bezug auf etwas und es daher verkehrt machen‹, seit dem 18. Jahrhundert nur mit allgemeinerem Objekt: viel, manches, nichts Wichtiges versehen usw.; das letztemal ist wieder… allerley versehen worden (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 1.9.88); so heute selten;
6.2 sich versehen ›einen Irrtum, Fehler begehen‹ (kaum vor dem 17. Jahrhundert, eventuell aus dem Niederdeutschen). Eigentümlich bei A222 Friedrich Schiller, Räuber 1,2 wenn sie sich's versahen (›sich verschätzten‹);
7 von schwangeren Frauen sich an einer Sache versehen ›sich in Schaden bringen durch den üblen Einfluß, den nach dem Volksglauben ein widerwärtiger Anblick auf die Leibesfrucht hat‹ (vgl. A222 Friedrich Schiller, Räuber 2,3).
Versehen ›Fehler, Irrtum‹ (L308 Kaspar Stieler) substantivierter Infinitiv zu versehen(6);
versehentlich 19. Jahrhundert (frühnhd. versehenlich ›voraussichtlich‹).
2 ›Sorge für etwas tragen, besorgen‹ in bestimmten Verbindungen: ein Amt, eine Stelle, einen Dienst, ein Geschäft, die Wirtschaft, jmds. Stelle versehen;
3 daran schließt sich an jmdn. / sich mit etwas versehen, mit etwas versehen sein; auch mit sächlichem Objekt: einen Brief mit einem Siegel, mit einer Adresse versehen; den Markt mit Waren, eine Stadt mit Wasser, mit Gas versehen usw. (heute eher "versorgen"); kirchensprachlich jmdn. versehen ›die Sterbesakramente geben‹;
4 sich versehen ›erwarten‹ (ahd. ), mit Genitiv und unter Umständen mit zu: sich des Besten, des Schlimmsten, keines Arges (zu jmdm. ) versehen.Daneben früher zuweilen auch sich auf etwas versehen: die Mörder, die sich auf keine Überraschung versehen hatten (Schiller); man versieht sich darauf, daß die Sache zur Sprache kommen wird; selten in diesem Sinn zu: hätt' ich zu diesem Schlage mich versehen (Schiller). In Fällen wie sich nichts Gutes versehen ist der Genitiv zum Akkusativ umgedeutet. Es erscheint dann auch zweifelloser Akkusativ: wer hätte das zu Ihnen sich versehen? (Wieland); eh hätte sich der Mann des Himmels Sturz versehen(Wieland). Hierbei ist sich vielleicht zum Dativ umgedeutet, der an anderen Stellen zweifellos ist, daß du dir die hohe Gnade nicht versehen hättest (Rabener); dieses Unglück hätte ich mir nicht versehen (Lessing); eh ich mir's versehe (Gutzkow). Als Präposition zuweilen von statt zu: sich von einem versehen. ↑ "Zuversicht". Frühnhd. etwas versehen in gleichem Sinn wie sich einer Sache versehen; noch vereinzelt bei Goethe eh man's versah. Dazu ↑ "unversehens";
5 frühnhd. etwas versehen ›über etwas hinwegsehen‹: du versiehest der Menschen Sünde, daß sie sich bessern sollten (Luther). Ungewöhnlich: versieht [›versäumt‹] die rechte Zeit (Goethe); da versah's einer (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Werther 19,35,27);
6.1 etwas versehen ›falsch sehen in bezug auf etwas und es daher verkehrt machen‹, seit dem 18. Jahrhundert nur mit allgemeinerem Objekt: viel, manches, nichts Wichtiges versehen usw.; das letztemal ist wieder… allerley versehen worden (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 1.9.88); so heute selten;
6.2 sich versehen ›einen Irrtum, Fehler begehen‹ (kaum vor dem 17. Jahrhundert, eventuell aus dem Niederdeutschen). Eigentümlich bei A222 Friedrich Schiller, Räuber 1,2 wenn sie sich's versahen (›sich verschätzten‹);
7 von schwangeren Frauen sich an einer Sache versehen ›sich in Schaden bringen durch den üblen Einfluß, den nach dem Volksglauben ein widerwärtiger Anblick auf die Leibesfrucht hat‹ (vgl. A222 Friedrich Schiller, Räuber 2,3).
Versehen ›Fehler, Irrtum‹ (L308 Kaspar Stieler) substantivierter Infinitiv zu versehen(6);
versehentlich 19. Jahrhundert (frühnhd. versehenlich ›voraussichtlich‹).