Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Vernunft
ahd. firnumft zu "vernehmen" ›gewahr werden, auffassen‹ (wie "-kunft" zu "kommen"); im Lateinischen entsprechen intellectus, ratio. In älterer Zeit und in der Gemeinsprache sind Vernunft und ↑ "Verstand" wenig unterschieden, L003 Johann Christoph Adelung 1780 meint, daß »beyde im gemeinen Leben häufig miteinander verwechselt werden«; so neben gesunder Menschenverstand früher gesunde Menschenvernunft (1792 Knigge; L320 Trübner); gesunde Vernunft, seine Vernunft gebrauchen, anwenden (L004 Johann Christoph Adelung). Mit der modernen ⇓ "S168" Aufklärungsphilosophie kommen Differenzierungen und Definitionen; häufig in Titeln, Ch.Thomasius, Einleitung zu der Vernunft-Lehre (1691), I.Kant, Kritik der reinen Vernunft (1781) und Kritik der praktischen Vernunft (1788). Zur gemeinsprachlichen Bedeutung Wendungen wie (wieder) zur Vernunft kommen (A180 Martin Luther, Daniel 4,31), Vernunft annehmen (Jean Paul; L059 DWb), jmdn. zur Vernunft bringen, ferner ↑ "Unvernunft" und Zusammensetzungen wie Vernunftehe, Vernunftheirat (Heyse; L059 DWb). Entsprechendvernünftig (mhd. / ahd. mit anderer Bildung firnunstig);
1 in der Aufklärungszeit häufig in Titeln, J.Ch.Gottsched (Hg.), Die vernünftigen Tadlerinnen (1725ff.); Überhaupt ist der Deutsche viel zu gebildet und zu vernünftig, als daß er eine kecke starke Lustigkeit ertrüge (A082 Christian Dietrich Grabbe, Scherz 3,1);
2 umgangssprachlich verschoben zu ›ordentlich, wie es sein sollein vernünftiges abendbrod (Jean Paul; L059 DWb); zu Kindern iß vernünftig!; häufig substantivisch nichts Vernünftiges geschafft; vgl. "gescheit". ↑ "klug".
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