Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
vermessen
althochdeutsch als reflexives Verb und als Partizipialadjektiv (lat. arroganter; Althochdeutsches Glossenwörterbuch, hg. J.C.Wells, 1990) den heutigen Bedeutungen ›sich anmaßen‹ bzw. ›überheblich‹ wohl schon nahe, doch dürfte ⇓ "S027" Übertragung aus der konkreteren Vorstellung ›falsch, zu hoch/ weit (be-)messen bzw. einschätzen‹ vorliegen. Vgl. das Verhältnis verwägen – ↑ "verwegen";1.1 reflexiv mit Genitiv ›sich anmaßen, erdreisten‹, besonders gegenüber Gott oder Gesetzen, Befehlen, im 18. Jahrhundert literarisch noch üblich: welcher sterbliche dürfte sich ohne übermuth einer vollkommenen schönheit vermessen (Wieland; L059 DWb); wenn der Squire sich dieser Tat vermessen hat auf eigene Gefahr, und ohne deine Wissenschaft gehandelt, so muß er vor den Richterstuhl (A222 Friedrich Schiller, Stuart 5,14); mit zu-Infinitiv heute gehoben, veraltend: wo weltlich gewalt sich vermisset, der seelen gesetz zu geben, da greifft sie gott in sein regiment (Luther; L059 DWb); Den losen Mann… , der sich vermaß [ältere Lesart: verwog], der Christen Gott zu lästern(Wieland; L264 Daniel Sanders);
1.2 jünger ⇓ "S220" technisch ein Feld vermessen; im Bergbaue… die Fundgruben… vermessen; dazu Vermeßbuch, Vermeßgeld (L004 Johann Christoph Adelung);
2 zu (1.1) das Partizipialadjektiv, mittelhochdeutsch auch positiv von Rittern ›kühn(1.1)‹, seit dem Frühneuhochdeutschen (Luther) negativ ähnlich "verwegen"(2.2), doch für »einen höheren Grad des Verwegenen mit Übertretung seiner Pflicht«, »wenn man vorsetzlich mehr unternimmt, als das Gesetz verstattet« (L003 Johann Christoph Adelung 1780), auch »mehr in Worten« (L311 Samuel Johann Ernst Stosch 1786,2,417); abgeschwächt vermessene Hoffnung, Behauptung; vgl. "mutig" ↑ "Mut". Zu vermessen(2)
Vermessenheit (mhd. ); häufig bei Luther: den leichtfertigen leuten… noch stercken jre lesterliche vermessenheit und frecheit (L059 DWb), in neuerer Zeit auch synonym "Hybris".
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