Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
vergeben
(ahd. )1 in der ursprünglichen Bedeutung auf bestimmte Verbindungen beschränkt; er hat noch eine Tochter zu vergeben, die andere ist schon vergeben; ein Amt, eine Stelle, ein Stipendium, eine Lieferung (Arbeit) an den Mindestfordernden vergeben; die Karten sind noch nicht ganz vergeben (Schiller); dazu jung Vergabe (L056 Duden 91915);
2 sich (seiner Ehre, Würde) etwas vergeben; der Dativ ist dabei anderer Art als sonst neben geben, er bezeichnet etwas, was beeinträchtigt wird. Zuweilen ohne Akkusativ: daß ich der Wahrheit vergeben habe (Schiller); hierdurch vergibt er jenen hohen Vorzügen gar sehr (Goethe);
3 am üblichsten ›verzeihen‹ (ahd. ); es liegt dabei wohl die Anschauung zugrunde, daß man jmdm. etwas schenkt, was man eigentlich an ihn zu fordern hat; Vnd vergib vns vnsere Schulde / wie wir vnsern Schüldigern vergeben (A180 Martin Luther, Matthäus 6,12); dazu Vergebung (spätmhd.);
4 jmdm. (mit etwas) vergebenjmdn. vergiften‹ (↑ "Gift"), jetzt nicht mehr üblich. Statt des Dativs zuweilen ein inkorrekter Akkusativ: Cleopatra… will den andern [Sohn] mit Gift vergeben (Lessing); der mir ihn jetzt mit Gift vergäbe (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Clavigo 4,2);
5 das Partizip vergeben schon mittelhochdeutsch ›vergeblich‹, ausgehend von ›geschenkt‹, ›wofür man nichts bekommt‹, dann ›womit man nichts ausrichtet‹. So noch zuweilen bis in die neuere Zeit: vergebene Mühe (Luther); von seiner vergebenen Reise(Gellert); den vergebenen Versuchen (Lessing); vergebene Hoffnung (Goethe); das sind zu viel vergebne Worte schon(A075 Johann Wolfgang von Goethe, Tasso 1555); vergebnes Bestreben (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 25.2.32); vergebene Macht (Platen); auch ›grundlos‹: vergebene Schrecknisse (Schiller). Schon vereinzelt mittelhochdeutsch
vergebens mit sekundärem -s statt mhd. vergebene, Adverb zu dem Partizip vergeben, siehe vergeben(5);
1 die älteste Bedeutung ist ›schenkungsweise‹ (lat. gratis); sie ist frühneuhochdeutsch üblich und noch schweizerisch, bis kein Mensch mehr das Haus vergebens genommen hätte (Pestalozzi); die Mutter Gottes hätte dir das Mütterlein wohl auch umsonst und vergebens geschenkt(C.F.Meyer);
2 daraus abgeleitet der heute noch allgemeine Sinn ›ohne Wirkung, vergeblich‹ (lat. frustra). Es wird ursprünglich nur adverbial verwendet, dann aber auch als Prädikat (alle Mühe ist vergebens), da vergeben allmählich unüblich wird; nicht selten ohne Verb mit daß-Satz als Subjekt: vergebens, daß sein Oheim ihn aufmuntern will(Goethe);
3 seltener ›ohne genügende Veranlassung, unnötig‹: eine Unruhe, welche vielleicht vergebens sein würde (Rabener); diese Furcht ist vergebens (Lessing); er gebraucht sich seiner Hände sparsamer, aber ebensowenig vergebens (Lessing). Synonym ↑ "umsonst", bei dem die entsprechende Bedeutungsentwicklung stattgefunden hat;
vergeblich als Adverb schon mittelhochdeutsch ›umsonst‹; es tritt dann als Adjektiv ›erfolglos, nutzlos‹ (15. Jahrhundert) neben das Partizipialadjektiv vergeben(5). ↑ "vergaben".
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