Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
ver-
spätalthochdeutsch abgeschwächt aus far- (fir-), in dem drei verschiedene, wenn auch urverwandte Partikeln zusammengefallen sind, got. faur-, fair-, fra- (dieses noch in "fressen", "Fracht"). Davon erscheint got. faur auch als Präposition und kann etymologisch identisch sein mit ahd. furi, nhd. ⇑ "für", "vor"; dem fra- entspricht griech. pró, lat. pro, dem fair-etwa griech. perí, lat. per;1 auf got. (urgerm.) faur- zurückzuführen ist ver-jedenfalls in einigen Fällen, in denen es eine Stellvertretung ausdrückt: "verantworten", "verfechten", "verteidigen", "versprechen"(3), "vertreten"(1), verwesen(1); auch "verbürgen", "vergelten" sind vielleicht hierherzuziehen, ferner "versetzen"(1), für das die Zugehörigkeit zu faur-gesichert wird durch das im Mittelhochdeutschen noch danebenstehende fürsaz ›Pfand‹. In einer anderen Gruppe hat ver-wie mhd. für den Sinn ›über etwas hinaus‹, vom Raum auf die Zeit übertragen, "versäumen", "verpassen", "verhören"(2), "verplaudern", "verschlafen". Wieder in einer anderen bedeutet es ›über etwas hin‹, "verhören"(1), "verlesen"(2a), "verleben", auch "verziehen"(1a) und verzögern. Weniger sicher ist es, ob hierher auch die Zusammensetzungen zu ziehen sind, in denen ver- den Sinn des Absperrens, Abhaltens hat, wobei der danebenstehende Akkusativ zum Teil erst durch die Zusammensetzung möglich wird, während das einfache Verb entweder intransitiv ist oder eine andere Art von Objekt regiert, "verlaufen"(4), verbauen (eine Aussicht), "verbinden"(1), vergraben, "verhängen", "verhauen"(2), verhüten, verkleben, verkleistern, verkorken, verlegen(6), verlöten, "vermachen"(1), vermauern, "vernageln", vernähen, vernieten, verpanzern, verpichen, "verrammeln", "verreden", "verrennen", "versagen", verschanzen, verscharren, "verschlagen"(1), verschmieren, verschnüren, "verschütten", "verschwören", "verstecken", "verstellen"(3), verstopfen, "vertreten"(2b), verzäunen; vgl. auch verschneit werden. Hierher ließen sich wohl auch stellen verbergen, verdecken, verhindern, verhüllen, "verhehlen", "vermummen", verriegeln, "verschließen", versperren, "vertuschen", verwehren, "verweigern"; doch ist dies bei ihnen nicht sicher, da ver-auch als bloße Resultatsbezeichnung (s. unten [3]) genommen werden könnte;
2 in den meisten Fällen wird ver-auf gotisch fra- zurückzuführen sein. Wir werden anzunehmen haben, daß ursprünglich in fra- der Sinn eines Verschwindens, Zugrundegehens liegt bzw. eines Beseitigens, Zugrunderichtens. Von Intransitiva gehören hierher: "verschwinden", "vergehen"(1,2), "verlaufen"(1,2), verrinnen, "verstreichen", "verkommen", verfliegen, "verfließen", verströmen, "verfallen", verschweben, verwehen, verzittern (Droste-Hülshoff), verdampfen, "verduften", verdunsten, "verrauchen", verriechen, "verkochen", verhallen, verklingen, "verrauschen", versäuseln (Lenau), "verglimmen", verglühen, verblühen, "verrecken", "verröcheln", "verschnaufen", "verbrennen", verlöschen, verdursten, verhungern, "verschmachten", "verfrieren", verdorren, verfaulen, "vermodern", verrosten, "verrotten", verschimmeln, verwelken, verwesen(2), verschrumpfen, versumpfen, "verbummeln", "verkommen"(2), "verlottern", "versimpeln". Zahlreicher sind die Transitiva, bei denen wieder der Akkusativ zum Teil erst durch die Zusammensetzung möglich wird. Der Sinn, daß etwas durch eine Tätigkeit aufgebraucht wird, ist außer in verbrauchen besonders lebendig in Verben wie verarbeiten, verfüttern, verfeuern, verheizen, "verkochen", "verpuffen", "verrauchen" (Zigarren), "verschießen"(2), verschmieren u. a., wozu sich noch immer neue bilden lassen. Speziell mit Bezug auf Verbrauchen von Geld oder sonstigem Vermögen, verbauen, verfressen, vertrinken, "versaufen", "vernaschen", verprassen, verhuren, verspielen, "vergeuden", "verjubeln", verjuxen, "verläppern", "verplempern", "vertun" u. a. Noch freier ist die Verwendung von ver-, das Verbringen der Zeit mit einer Beschäftigung auszudrücken, sie verjammert und verbetet ihr Leben (Goethe); so verschwitzte und verhorchte ich eine lange peinliche Stunde in Todesangst (Thümmel); in seinem dritten Jahrzehnt verlebte, verschrieb und verlas er ganze Tage im Freien (Jean Paul); wollt ihr an warmer Stätte die Nacht versitzen oder verliegen (Goethe); so besonders häufig "verschlafen", "verträumen", "verbummeln", verschlendern, "vertändeln", "vertrödeln", "verplaudern". Ein Zugrunderichten oder Beschädigen in: vertilgen, "verzehren", "verletzen", "verbrennen", versengen, "verdrücken", "verhauen"(1), "verschneiden", verknittern, verknetschen, verkippen (den Fuß), "verstauchen", "verweinen" (die Augen), verhärmen, "verkümmern", verhudeln, "verhunzen", verhutzeln, "verpfuschen", verprügeln, verwohnen, verhätscheln, "verzärteln", verfärben, "verwässern", "versalzen", verräuchern, "verleumden", verklatschen, "verrufen", verschreien, "verwünschen", "vermaledeien", verurteilen, "verraten"; sich verheben, "verliegen"; verfressen, verlebt; verhagelt, verregnet. Das Einschlagen einer verkehrten Richtung in verdrehen, "verkehren", "verrenken", verlegen(2), verkramen, "verschlagen"(3), "verführen", "verleiten", verbilden, verkünsteln, "verwöhnen", verbauen, verdrucken, "verzerren", verzeichnen, "verstimmen", "verwechseln"; sich "vergreifen", "vergaloppieren", "verhaspeln", "verhauen", "verbeißen", verbohren, "vergaffen", "verrennen", "verlaufen", "verfahren", "versteigen", "versehen", "verhören", verrechnen, verzählen (↑ "erzählen"), "vermessen", "vertun", "verschnappen", "verschwatzen". Ein Wegschaffen in verjagen, verscheuchen, "vertreiben", "verdrängen", "verstoßen", "verwerfen"(2), "verschicken", versenden, "verführen", verflößen, verschiffen, "verschleppen", "vertragen"(1), verschwemmen, verwehen, versprengen, verstreuen, "verschütten", "vergießen", versprühen, verwischen, "verhauchen", verschenken, "verzapfen", "verhandeln"(3), "verkaufen", verhökern, verschachern, verborgen, "verleihen", "verdingen", vermieten, "verpachten", verpfänden, "verspekulieren", "versteigern", verweisen, verschmerzen, "verleugnen". Eine Raumveränderung in verlegen(1), verrücken, "versetzen"(2), verschieben, "verstellen"(1), "verpflanzen", "verziehen"(1b). Das Gegenteil von dem einfachen Wort in "verachten", "verlernen", "verkennen"; entsprechend in heutiger Schriftsprache das Verhältnis von "verbieten" zu "gebieten". Zum Nebeneinander einer positiven und einer negativen Bedeutung bei einer Reihe von ver-Bildungen vgl. E.Öhmann, in: Festschrift für U.Pretzel 1963,327ff.;
3 unter den aufgeführten Zusammensetzungen befinden sich solche, bei denen schon in dem einfachen Verb die Vorstellung eines zum Untergang oder zur Beschädigung, zum Verkehrten führenden Vorganges liegt, z. B. verfaulen, vertilgen, "verfehlen". In der Zusammensetzung ist also diese Vorstellung eigentlich doppelt ausgedrückt. Da sie aber nur einfach empfunden wird, so ergibt sich daraus die Folge, daß der Sinn von ver- verblaßt, daß es nur noch als ein Ausdruck dafür erscheint, daß der Vorgang zum Abschluß gebracht ist. So wird es synonym mit ↑ "er"-und wird als Resultatsbezeichnung auch mit Wörtern verbunden, die keine üble Bedeutung haben, "verbleiben", "verharren", verheilen, verharschen, "verwachsen", "versinken"; "vermessen"(1), verrechnen, verladen, verpacken, "verrichten", "verschaffen", verteilen, "vermengen", "vermischen", "verbinden", "verknüpfen", "verflechten", verweben, "verwickeln", verkitten, verkuppeln, verkoppeln, "verketten", verspunden, "verloben", "vermählen", "versöhnen", versiegeln, versenken, "verschlingen", "verschlucken", verzieren, verspüren, "verkosten", verschmecken. Zwischen der Bedeutung des einfachen Wortes und derjenigen der Zusammensetzung können sich sekundäre Differenzen entwickeln, die leicht zur Hauptsache werden können, verbeugen, "verbrechen", "verdanken", "verehren", "versehen", "verfallen", "verfangen", "verhandeln", "verlassen", "verloben", "vermahnen", "verwarnen", vermeiden, "vermeinen", "vermelden", "vermerken", "vermissen", "vermögen", "vernehmen", "verpflegen", "versammeln", "verschonen", versparen, verstehlen, "verstören", "versuchen", "vertrösten", "verwechseln", "verwenden"(3). Wir haben oben gesehen, daß ver-imstande ist, Intransitiva transitiv zu machen oder bei Transitiven eine andere Art des Akkusativs zu ermöglichen; in manchen Fällen beruht darauf der wesentliche Unterschied der Zusammensetzung zu dem einfachen Wort, "verdienen", "verfluchen", "verfolgen", verhexen, "verklagen", verlachen, verschweigen, "verspotten", "versorgen", "verwalten", verzaubern, verzögern; verheiraten, versteuern, "verzinsen", "verzollen". In manchen Fällen ist die Zusammensetzung das Gewöhnliche, das einfache Wort poetisch, verwandeln, verwunden, "verwüsten". Zuweilen ist der Unterschied zum einfachen Wort so groß, daß kaum noch ein Zusammenhang empfunden wird, "verstehen"(2), "verzeihen". Das einfache Wort ist untergegangen in "verdammen", "verdauen", "verderben", "vergessen", "verlieren";
4 auch Verben, die aus Adjektiven abgeleitet sind, können mit ver- zusammengesetzt werden, wobei der Bedeutungsunterschied bald größer, bald geringer ist, verbessern, verfälschen, verhärten, "verklären", verkrümmen, "verkühlen", "verkürzen", verschärfen, "versichern", "verstärken", vertrocknen. Von vielen existiert jetzt nur noch die Zusammensetzung mit ver-, das dabei als Resultatsbezeichnung dient, während das einfache Wort untergegangen oder nie vorhanden gewesen ist. Intransitiva: "veralten", "verarmen", verblöden, "verdummen", "vergilben", verrohen, "versauern", verstummen; auch "verblassen", "verbleichen". Viel zahlreicher sind die Transitiva: vergrößern, "verkleinern", verlängern, verlängen, "verkürzen", verbreitern, verengern, verengen, "vertiefen", verflachen, vermehren, vermindern, "verringern", "verbittern", versüßen, "verdeutschen", verdicken, verdichten, "verdoppeln", "verdummen", verdumpfen, verdunkeln, "verdüstern", "verfinstern", "veredeln", vereinzeln, "verekeln", verewigen, "verfeinern", vergröbern, verflüchtigen, verfrühen, "verspäten", "vergeistigen", "verjüngen", verkälten, "verleiden", "veröden", "verschlechtern", "verschlimmern", verschönen, verschönern, verteuern, "verwildern"; insbesondere pflegen von den zusammengesetzten Adjektiven die Ableitungen mit ver- gebildet zu werden: verallgemeinern, "veranschaulichen", verdeutlichen, verdreifachen, vervierfachen usw., verehelichen, "vereinbaren", "vergegenwärtigen", "vergewissern", verharmlosen, verheimlichen, verherrlichen, verlangsamen, "verlautbaren", "vermenschlichen", "veröffentlichen", versichtbaren (Schiller), "versinnlichen", verunreinigen, "vervielfältigen", vervollkommnen, vervollständigen, "verweichlichen", "verweltlichen", "verwirklichen". In dieser Funktion konkurriert ver-wieder mit "er"-. In der älteren Sprache und teilweise noch in den Mundarten bestehen vielfach Schwankungen zwischen beiden; in manchen Fällen bestehen Zusammensetzungen mit er- und ver- nebeneinander in verschiedenen Bedeutungsschattierungen. Etwas anderer Art wegen ihrer Bedeutung sind "veräußern", "verargen", verübeln, vernachlässigen;
5 eine Anzahl von Zusammensetzungen werden unmittelbar aus Substantiven gebildet. Einige bedeuten ›zu dem werden, was das Substantiv ausdrückt‹, verbauern, "verwaisen" (gewöhnlich verwaist), verfilzen, "verglasen", verholzen, "verkalken", "verkohlen", "verknöchern", verkrüppeln, "vernarben", versanden, "versteinern"; andere entsprechend transitiv ›zu dem machen, was das Substantiv ausdrückt‹, "verbrüdern" (sich), verfeinden, "vergöttern", "verketzern", "verteufeln", verkörpern, "vertieren", "verpuppen", verseifen, verschlacken; dazu die Partizipien verschwägert, "verschwistert", verwitwet. Wieder andere bedeuten ›mit dem versehen, was das Substantiv ausdrückt‹, "vergolden", "versilbern", vernickeln, verzuckern, "vergattern", vergittern, verpfählen, verpalisadieren, "verglasen", "verkappen", verschleiern, "verköstigen", "vergällen", "vergiften", "verpesten", "verunglimpfen". Noch anderer Art sind "verballhornen", "verbriefen", "verbünden", vereiden, "vergeben", "verklausulieren", verpönen, verschnörkeln, "vergesellschaften", "verunglücken", veruntreuen, "verursachen", "verabreden", "verabschieden", verabscheuen, veranlagen, "veranlassen", "veranschlagen", "veranstalten", verausgaben; ähnlich gebildet auch "verabfolgen", "verabsäumen", "verabreichen". Mit den Bildungen aus Substantiven sind "vernichten" und "verneinen" auf gleiche Linie zu stellen;
6 zu den verbalen Zusammensetzungen haben sich allmählich viele entsprechende Substantive gebildet, die den Eindruck primärer Bildungen machen, "Verband", "Verbleib", "Verbot", Verbrauch, Verbund, "Verdacht", "Verdeck", "Verderb", "Verdienst", "Verdruß", "Verein", "Verfall", "Vergleich", "Verhau", "Verhör", "Verkauf", "Verkehr", "Verlag", "Verlaß", "Verlaub", "Verlauf", "Verlust", "Vermerk", "Vernunft", Verputz, "Verrat", "Verriß", "Verruf", "Versand", "Versatz", "Verschiß", "Verschlag", "Verschleiß", "Verschluß", Verschnitt, "Verstand", "Versteck", "Verstoß", "Versuch", "Vertrag", "Vertrieb", Verwahr, Verweis, Verzehr, "Verzug". M.Leopold, Die Vorsilbe ver-und ihre Geschichte, 1907; Zur Behandlung des Artikels ver-im DWb, 1910 (Jahresbuch des Gymnasiums zu St. Elisabeth.); W.Henzen, Der heutige Bestand der Verben mit ver-, in: Festschrift für Th.Frings 1956,173.
2 in den meisten Fällen wird ver-auf gotisch fra- zurückzuführen sein. Wir werden anzunehmen haben, daß ursprünglich in fra- der Sinn eines Verschwindens, Zugrundegehens liegt bzw. eines Beseitigens, Zugrunderichtens. Von Intransitiva gehören hierher: "verschwinden", "vergehen"(1,2), "verlaufen"(1,2), verrinnen, "verstreichen", "verkommen", verfliegen, "verfließen", verströmen, "verfallen", verschweben, verwehen, verzittern (Droste-Hülshoff), verdampfen, "verduften", verdunsten, "verrauchen", verriechen, "verkochen", verhallen, verklingen, "verrauschen", versäuseln (Lenau), "verglimmen", verglühen, verblühen, "verrecken", "verröcheln", "verschnaufen", "verbrennen", verlöschen, verdursten, verhungern, "verschmachten", "verfrieren", verdorren, verfaulen, "vermodern", verrosten, "verrotten", verschimmeln, verwelken, verwesen(2), verschrumpfen, versumpfen, "verbummeln", "verkommen"(2), "verlottern", "versimpeln". Zahlreicher sind die Transitiva, bei denen wieder der Akkusativ zum Teil erst durch die Zusammensetzung möglich wird. Der Sinn, daß etwas durch eine Tätigkeit aufgebraucht wird, ist außer in verbrauchen besonders lebendig in Verben wie verarbeiten, verfüttern, verfeuern, verheizen, "verkochen", "verpuffen", "verrauchen" (Zigarren), "verschießen"(2), verschmieren u. a., wozu sich noch immer neue bilden lassen. Speziell mit Bezug auf Verbrauchen von Geld oder sonstigem Vermögen, verbauen, verfressen, vertrinken, "versaufen", "vernaschen", verprassen, verhuren, verspielen, "vergeuden", "verjubeln", verjuxen, "verläppern", "verplempern", "vertun" u. a. Noch freier ist die Verwendung von ver-, das Verbringen der Zeit mit einer Beschäftigung auszudrücken, sie verjammert und verbetet ihr Leben (Goethe); so verschwitzte und verhorchte ich eine lange peinliche Stunde in Todesangst (Thümmel); in seinem dritten Jahrzehnt verlebte, verschrieb und verlas er ganze Tage im Freien (Jean Paul); wollt ihr an warmer Stätte die Nacht versitzen oder verliegen (Goethe); so besonders häufig "verschlafen", "verträumen", "verbummeln", verschlendern, "vertändeln", "vertrödeln", "verplaudern". Ein Zugrunderichten oder Beschädigen in: vertilgen, "verzehren", "verletzen", "verbrennen", versengen, "verdrücken", "verhauen"(1), "verschneiden", verknittern, verknetschen, verkippen (den Fuß), "verstauchen", "verweinen" (die Augen), verhärmen, "verkümmern", verhudeln, "verhunzen", verhutzeln, "verpfuschen", verprügeln, verwohnen, verhätscheln, "verzärteln", verfärben, "verwässern", "versalzen", verräuchern, "verleumden", verklatschen, "verrufen", verschreien, "verwünschen", "vermaledeien", verurteilen, "verraten"; sich verheben, "verliegen"; verfressen, verlebt; verhagelt, verregnet. Das Einschlagen einer verkehrten Richtung in verdrehen, "verkehren", "verrenken", verlegen(2), verkramen, "verschlagen"(3), "verführen", "verleiten", verbilden, verkünsteln, "verwöhnen", verbauen, verdrucken, "verzerren", verzeichnen, "verstimmen", "verwechseln"; sich "vergreifen", "vergaloppieren", "verhaspeln", "verhauen", "verbeißen", verbohren, "vergaffen", "verrennen", "verlaufen", "verfahren", "versteigen", "versehen", "verhören", verrechnen, verzählen (↑ "erzählen"), "vermessen", "vertun", "verschnappen", "verschwatzen". Ein Wegschaffen in verjagen, verscheuchen, "vertreiben", "verdrängen", "verstoßen", "verwerfen"(2), "verschicken", versenden, "verführen", verflößen, verschiffen, "verschleppen", "vertragen"(1), verschwemmen, verwehen, versprengen, verstreuen, "verschütten", "vergießen", versprühen, verwischen, "verhauchen", verschenken, "verzapfen", "verhandeln"(3), "verkaufen", verhökern, verschachern, verborgen, "verleihen", "verdingen", vermieten, "verpachten", verpfänden, "verspekulieren", "versteigern", verweisen, verschmerzen, "verleugnen". Eine Raumveränderung in verlegen(1), verrücken, "versetzen"(2), verschieben, "verstellen"(1), "verpflanzen", "verziehen"(1b). Das Gegenteil von dem einfachen Wort in "verachten", "verlernen", "verkennen"; entsprechend in heutiger Schriftsprache das Verhältnis von "verbieten" zu "gebieten". Zum Nebeneinander einer positiven und einer negativen Bedeutung bei einer Reihe von ver-Bildungen vgl. E.Öhmann, in: Festschrift für U.Pretzel 1963,327ff.;
3 unter den aufgeführten Zusammensetzungen befinden sich solche, bei denen schon in dem einfachen Verb die Vorstellung eines zum Untergang oder zur Beschädigung, zum Verkehrten führenden Vorganges liegt, z. B. verfaulen, vertilgen, "verfehlen". In der Zusammensetzung ist also diese Vorstellung eigentlich doppelt ausgedrückt. Da sie aber nur einfach empfunden wird, so ergibt sich daraus die Folge, daß der Sinn von ver- verblaßt, daß es nur noch als ein Ausdruck dafür erscheint, daß der Vorgang zum Abschluß gebracht ist. So wird es synonym mit ↑ "er"-und wird als Resultatsbezeichnung auch mit Wörtern verbunden, die keine üble Bedeutung haben, "verbleiben", "verharren", verheilen, verharschen, "verwachsen", "versinken"; "vermessen"(1), verrechnen, verladen, verpacken, "verrichten", "verschaffen", verteilen, "vermengen", "vermischen", "verbinden", "verknüpfen", "verflechten", verweben, "verwickeln", verkitten, verkuppeln, verkoppeln, "verketten", verspunden, "verloben", "vermählen", "versöhnen", versiegeln, versenken, "verschlingen", "verschlucken", verzieren, verspüren, "verkosten", verschmecken. Zwischen der Bedeutung des einfachen Wortes und derjenigen der Zusammensetzung können sich sekundäre Differenzen entwickeln, die leicht zur Hauptsache werden können, verbeugen, "verbrechen", "verdanken", "verehren", "versehen", "verfallen", "verfangen", "verhandeln", "verlassen", "verloben", "vermahnen", "verwarnen", vermeiden, "vermeinen", "vermelden", "vermerken", "vermissen", "vermögen", "vernehmen", "verpflegen", "versammeln", "verschonen", versparen, verstehlen, "verstören", "versuchen", "vertrösten", "verwechseln", "verwenden"(3). Wir haben oben gesehen, daß ver-imstande ist, Intransitiva transitiv zu machen oder bei Transitiven eine andere Art des Akkusativs zu ermöglichen; in manchen Fällen beruht darauf der wesentliche Unterschied der Zusammensetzung zu dem einfachen Wort, "verdienen", "verfluchen", "verfolgen", verhexen, "verklagen", verlachen, verschweigen, "verspotten", "versorgen", "verwalten", verzaubern, verzögern; verheiraten, versteuern, "verzinsen", "verzollen". In manchen Fällen ist die Zusammensetzung das Gewöhnliche, das einfache Wort poetisch, verwandeln, verwunden, "verwüsten". Zuweilen ist der Unterschied zum einfachen Wort so groß, daß kaum noch ein Zusammenhang empfunden wird, "verstehen"(2), "verzeihen". Das einfache Wort ist untergegangen in "verdammen", "verdauen", "verderben", "vergessen", "verlieren";
4 auch Verben, die aus Adjektiven abgeleitet sind, können mit ver- zusammengesetzt werden, wobei der Bedeutungsunterschied bald größer, bald geringer ist, verbessern, verfälschen, verhärten, "verklären", verkrümmen, "verkühlen", "verkürzen", verschärfen, "versichern", "verstärken", vertrocknen. Von vielen existiert jetzt nur noch die Zusammensetzung mit ver-, das dabei als Resultatsbezeichnung dient, während das einfache Wort untergegangen oder nie vorhanden gewesen ist. Intransitiva: "veralten", "verarmen", verblöden, "verdummen", "vergilben", verrohen, "versauern", verstummen; auch "verblassen", "verbleichen". Viel zahlreicher sind die Transitiva: vergrößern, "verkleinern", verlängern, verlängen, "verkürzen", verbreitern, verengern, verengen, "vertiefen", verflachen, vermehren, vermindern, "verringern", "verbittern", versüßen, "verdeutschen", verdicken, verdichten, "verdoppeln", "verdummen", verdumpfen, verdunkeln, "verdüstern", "verfinstern", "veredeln", vereinzeln, "verekeln", verewigen, "verfeinern", vergröbern, verflüchtigen, verfrühen, "verspäten", "vergeistigen", "verjüngen", verkälten, "verleiden", "veröden", "verschlechtern", "verschlimmern", verschönen, verschönern, verteuern, "verwildern"; insbesondere pflegen von den zusammengesetzten Adjektiven die Ableitungen mit ver- gebildet zu werden: verallgemeinern, "veranschaulichen", verdeutlichen, verdreifachen, vervierfachen usw., verehelichen, "vereinbaren", "vergegenwärtigen", "vergewissern", verharmlosen, verheimlichen, verherrlichen, verlangsamen, "verlautbaren", "vermenschlichen", "veröffentlichen", versichtbaren (Schiller), "versinnlichen", verunreinigen, "vervielfältigen", vervollkommnen, vervollständigen, "verweichlichen", "verweltlichen", "verwirklichen". In dieser Funktion konkurriert ver-wieder mit "er"-. In der älteren Sprache und teilweise noch in den Mundarten bestehen vielfach Schwankungen zwischen beiden; in manchen Fällen bestehen Zusammensetzungen mit er- und ver- nebeneinander in verschiedenen Bedeutungsschattierungen. Etwas anderer Art wegen ihrer Bedeutung sind "veräußern", "verargen", verübeln, vernachlässigen;
5 eine Anzahl von Zusammensetzungen werden unmittelbar aus Substantiven gebildet. Einige bedeuten ›zu dem werden, was das Substantiv ausdrückt‹, verbauern, "verwaisen" (gewöhnlich verwaist), verfilzen, "verglasen", verholzen, "verkalken", "verkohlen", "verknöchern", verkrüppeln, "vernarben", versanden, "versteinern"; andere entsprechend transitiv ›zu dem machen, was das Substantiv ausdrückt‹, "verbrüdern" (sich), verfeinden, "vergöttern", "verketzern", "verteufeln", verkörpern, "vertieren", "verpuppen", verseifen, verschlacken; dazu die Partizipien verschwägert, "verschwistert", verwitwet. Wieder andere bedeuten ›mit dem versehen, was das Substantiv ausdrückt‹, "vergolden", "versilbern", vernickeln, verzuckern, "vergattern", vergittern, verpfählen, verpalisadieren, "verglasen", "verkappen", verschleiern, "verköstigen", "vergällen", "vergiften", "verpesten", "verunglimpfen". Noch anderer Art sind "verballhornen", "verbriefen", "verbünden", vereiden, "vergeben", "verklausulieren", verpönen, verschnörkeln, "vergesellschaften", "verunglücken", veruntreuen, "verursachen", "verabreden", "verabschieden", verabscheuen, veranlagen, "veranlassen", "veranschlagen", "veranstalten", verausgaben; ähnlich gebildet auch "verabfolgen", "verabsäumen", "verabreichen". Mit den Bildungen aus Substantiven sind "vernichten" und "verneinen" auf gleiche Linie zu stellen;
6 zu den verbalen Zusammensetzungen haben sich allmählich viele entsprechende Substantive gebildet, die den Eindruck primärer Bildungen machen, "Verband", "Verbleib", "Verbot", Verbrauch, Verbund, "Verdacht", "Verdeck", "Verderb", "Verdienst", "Verdruß", "Verein", "Verfall", "Vergleich", "Verhau", "Verhör", "Verkauf", "Verkehr", "Verlag", "Verlaß", "Verlaub", "Verlauf", "Verlust", "Vermerk", "Vernunft", Verputz, "Verrat", "Verriß", "Verruf", "Versand", "Versatz", "Verschiß", "Verschlag", "Verschleiß", "Verschluß", Verschnitt, "Verstand", "Versteck", "Verstoß", "Versuch", "Vertrag", "Vertrieb", Verwahr, Verweis, Verzehr, "Verzug". M.Leopold, Die Vorsilbe ver-und ihre Geschichte, 1907; Zur Behandlung des Artikels ver-im DWb, 1910 (Jahresbuch des Gymnasiums zu St. Elisabeth.); W.Henzen, Der heutige Bestand der Verben mit ver-, in: Festschrift für Th.Frings 1956,173.