Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Vater
ahd. fater, mhd. vater, indogermanisch (engl. father, griech. pater, lat. pater), vielleicht altes Lallwort der Kindersprache (vgl. "Papa"); verwandt "Gevatter", "Vetter". Norddeutsch wird Vater innerhalb der Familie häufig ohne Artikel gebraucht (Vater hat gesagt), nähert sich daher dem Charakter eines Eigennamens, was Veranlassung gibt, einen Akkusativ Vatern zu bilden (entsprechend Muttern). Der Plural wird auch gebraucht mit Einbegreifung der weiteren Vorfahren: zu seinen Vätern versammelt werden, in der Gruft seiner Väter, "Großvater", Urgroßvater, "Ältervater", als Gesamtbezeichnung Urväter, Vorväter, Altväter (↑ "Altvater"). Der letzte, auf den man zurückgeht, heißt "Stammvater"; übertragen auf jmdn. , der nur teilweise die Funktion eines Vaters ausübt: Stiefvater, Pflegevater, (Nährvater, Ziehvater), Schwiegervater, Hausvater, Herbergsvater, Landesvater, Beichtvater, Kirchenvater; die Mitglieder der Stadtregierung werden scherzhaft Stadtväter genannt, die Stammväter des jüdischen Volkes heißen Erzväter (Erzvater Verdeutschung von "Patriarch"), auch Altväter ("Altvater" schon ahd. ; ↑ "alt"); die ersten Lehrer der christlichen Kirche nach den Aposteln werden als Kirchenväter, im Zusammenhang auch schlechthin als Väter bezeichnet; der Papst heißt der heilige Vater; (ehrwürdiger) Vater Anrede eines Geistlichen; man bezeichnet weiter einen ehrwürdigen alten Mann als Vater, auch einen Verstorbenen, wenn er in der Erinnerung als alter Mann fortlebt: Vater Gleim, Vater Blücher, der Turnvater Jahn; man sagt er ist ein Vater des Vaterlandes (nach lat. pater patriae), der Waisen, der Armen, andererseits nach der Urheberschaft der Vater des Gedankens, ⇓ "S134" die Väter [heute auch: und Mütter] des Grundgesetzes; ⇓ "S011" Gott wird als Vater angeredet (Vater unser, Matthäus 6,9), speziell Gott Vater als die eine Person der Gottheit; ferner Vater Zeus, danach auch mit Personifikation Vater Rhein; Vater Staat (A040 Alfred Döblin, Alexanderplatz 99). Zum Wortfeld ↑ "Verwandtschaft". Vaterland 11. Jahrhundert faterlant, ⇓ "S125" Lehnübertragung von lat. patria;
1.1 zunächst relativ vage ›Heimat, Land, in dem man (geboren ist und) sich heimisch fühlt‹, Jhesus… kam in sein Vaterland; Ein Prophet gilt nirgend weniger / denn in seinem Vaterland (A180 Martin Luther, Matthäus 13,54,57); auf deutsche Verhältnisse bezogen bis ins 18. Jahrhundert auch ›Heimatstadt‹ (Vaterstadt erst L003 Johann Christoph Adelung 1780); übertragen z. B. das Vaterland der Kunst (E.T.A.Hoffmann meint Italien; L320 Trübner);
1.2"S175" mit der Ausbildung der deutschen Territorialstaaten ›Einzelstaat, dem man zugehört‹ neben (1.1), so auch in der »preußischen Nationalhymne« (L320 Trübner) Heil dir, im Siegerkranz, Herrscher des Vaterlands (1793); berühmt Arndts Lied Was ist des Deutschen Vaterland? (1813); noch 1870: Auch mein Vater und Onkel fühlten sich in Göttingen weit fort von ihrem Vaterlande (H.Grimm; A087 9KHM, Vorrede);
1.3 die Ausdehnung auf ›Nation (Deutschland)‹ mit der Nationalbewegung im 19. Jahrhundert; gern zitiert wurde Freiherr vom Stein (1812): Ich habe nur ein Vaterland, das heißt Deutschland (vgl. L027 Büchmann); schon Ulrich von Hutten: Yetzt schrey ich an das vatterlandt, Teutsch nation (L320 Trübner); nach der Teilung Deutschlands wurde im Zuge der Abgrenzungsideologie auch wieder ein verengter Begriff propagiert: das Gedeihen unseres sozialistischen Vaterlandes, der DDR (Hager; L337 WdG), dagegen ⇓ "S231" der Ruf Deutschland, einig Vaterland (aus dem 1971 verbotenen Text der DDR-Hymne, 1.Strophe) bei den Montagsdemonstrationen 1989/ 90 (L282 Wolfgang Schneider, Demontagebuch, 118); seit dem 18. Jahrhundert
Vaterlandsliebe (Klopstock, Herder) entsprechend lat. amor patriae (vgl. "Patriotismus") und
vaterländisch (Klopstock, I.Kant, L004 Johann Christoph Adelung);
vaterlandslos seit Ende des 19. Jahrhunderts vielfach von der gesinnung gebraucht, z. b. die ultramontanen sind vaterlandslos (L059 DWb1886), besonders als Hetzwort gegen Linke: diese vaterlandslose Sozialistin (L371 Academische Monatshefte 1884,282), allgemein vaterlandslose Gesellen (z. B.H.Blum, Persönliche Erinnerungen,21900,173);
Vatermörder (L308 Kaspar Stieler);
1 ein von den furien hin und her getriebner vatermörder (Wieland; L059 DWb);
2Herrenkragen mit vorstehenden Spitzen‹, 1829 (übersetzt aus franz. parricide, das scherzhaft aus parasite ›Mitesser‹ umgedeutet ist);
väterlich (ahd. ), auch übertragen ew. kurfürstl. gn. wolten ein auge veterlicher sorge auff diese sache haben (Luther; L059 DWb);
Vaterschaft (Luther), im 18. Jahrhundert häufiger: dasz die wenigen stunden meiner vaterschaft mich schon zu so einem affen von vater gemacht haben (Lessing; L059 DWb); ⇓ "S181" juristisch Vaterschaftsvermutung, Vaterschaftsklage, Vaterschaftsbestimmung.
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