Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Urteil
ahd. urteili, urteili, urteila (vgl. engl. ordeal ›Gottesurteil‹), mundartlich in der abgeschwächten Form Urtel, die früher auch öfters in der Literatur erscheint, ursprünglich dem Verb ↑ "erteilen" entsprechend;1 seit Beginn ⇓ "S181"richterlicher Spruch‹: ein Urteil sprechen (Urteilsspruch), fällen, vollziehen, vollstrecken. Der Genitiv neben Urteil bezeichnet den, der es spricht; unmöglich wäre es jetzt, denjenigen, über den es gesprochen wird, in den Genitiv zu setzen, doch vgl. das Urteil der großen Hure (A180 Martin Luther, Offenbarung 17,1);
2 allgemeiner ›Aussprechen einer Ansicht über einen Gegenstand‹: darüber habe ich kein Urteilkeine Meinung‹; jmd. hat kein Urteiljmdm. geht die Fähigkeit zum Urteil ab‹; daher urteilslos;
3 im logischen Sinn ›Verbindung oder Trennung zweier Begriffe‹ zuerst von Ch.Wolff (nach Pius). Zusammensetzungen Endurteil (definitives, von dem keine Appellation möglich ist), Bluturteil, Todesurteil, ⇑ "Gottesurteil", "Vorurteil". Daraus abgeleitet
urteilen (urteln, z. B. A222 Friedrich Schiller, Stuart 1,2), mhd. urteilen, durch welches das ältere "erteilen" in der gleichen Bedeutung verdrängt ist. Bedeutungsentwicklung entsprechend Urteil. Ungewöhnliche Konstruktion: da derselbige urteilte, ihn los zu lassen (Luther). Frühneuhochdeutsch auch transitiv gebraucht: wer seinem Bruder afterredet und urteilet seinen Bruder, der afterredet dem Gesetz und urteilet das Gesetz (A180 Martin Luther, Jakobus 4,11; u.ö.); hier setzen neuere Ausgaben das jetzt übliche ↑ "beurteilen", das niemals von gerichtlichem Urteil gebraucht wird. ↑ "aburteilen".
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