Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
überhaupt
mhd. über houbet ( < Präposition "über" und Akkusativ von houbet ›Haupt‹), analog zu "abends", "anfangs" usw., landschaftlich (v. a. süddeutsch) mit auslautendem -s; als metonymische Bildung wohl zunächst in Viehhandel und Viehwirtschaft im Zusammenhang von Kauf und Verkauf ›ohne die einzelnen Tiere (deren »Häupter«) zu zählen‹, ›pauschal‹, dann als Adverb übertragen auch auf Menschen, ›über die Häupter hin‹ (bis ins 18. Jahrhundert dafür zumeist ↑ "überall");1.1 ›im ganzen, insgesamt, en bloc‹: alles uberhaupt zusammen nehmen (L305 Christoph Ernst Steinbach 1734); diese bücher sollen nicht einzeln sondern überhaupt verkauft werden(Ludwig; L059 DWb); noch bei A075 Johann Wolfgang von Goethe: Wir zahlen dafür überhaupt 48 Thlr. (Brief vom 20.12.15); daher mittelhochdeutsch und frühneuhochdeutsch auch im Sinne von ›durchaus, vollständig‹: hat ohne sonderlichen beistand und hülff die Römer dazumal nicht alleine angegriffen, sondern auch uberheupt geschlahen(Spangenberg; L059 DWb); hierher auch das bis ins 18. Jahrhundert geläufige (eine Ware) überhaupt kaufen/ verkaufen (L308 Kaspar Stieler 1691 s. v. Kauf und Bausch) »ohne Unterschied der dazu gehörigen Individuorum« (L004 Johann Christoph Adelung), synonym in Bausch und Bogen (↑ "Bausch"); ebenso etwas nur überhaupt erzählen»ohne Berührung der besonderen Umstände« (L004 Johann Christoph Adelung);
1.2 attributiv bei Substantiven, dem Bezugswort nachgestellt, ›im allgemeinen, als solche(r/ s), ohne Ansehen der einzelnen Mitglieder einer Klasse‹: Ich nenne alle Erkenntnis transcendental, die sich nicht sowohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnißart von Gegenständen, sofern diese a priori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt (1787 I.A153 Immanuel Kant,2Kritik der reinen Vernunft; AA 3,43); Dem Botaniker überhaupt, besonders dem anatomirenden, sind die Spiralgefäße genugsam bekannt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, II,7,344); hierher auch die Verbindung mit dem Superlativ: die größte überhaupt (›von allen‹). Was ohne Rücksicht auf Einzeldinge oder -erscheinungen ausgesagt werden kann, mag später als Hinweis auf allgemeine Merkmale oder Regeln verstanden worden sein, aus denen sich das Ausgesagte schließen läßt, daher
2 der Gebrauch als ⇓ "S002" Abtönungspartikel (wohl 18. Jahrhundert)
2.1 ›Sprecher zeigt an, daß ihn die Gesamtschau aller Umstände auf die betreffende Aussage schließen läßt‹, ›alles zusammengenommen, aufs Ganze gesehen, im Grunde genommen‹ (L004 Johann Christoph Adelung): Überhaupt hat das Gebirgsleben etwas Menschlicheres als das Leben auf dem flachen Lande (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 24,20), Man ist überhaupt phlegmatisch bei Ihnen zulande, nicht wahr? (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 278), Für einen anständigen Menschen gibt es in bezug auf seine Kriegshaltung überhaupt nur einen Vorwurf: daß er nicht den Mut aufgebracht hat, Nein zu sagen (A266 Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke 2,390); v. a. in der gesprochenen Sprache auch außerhalb des Satzgefüges, ohne Umstellung von Subjekt und Prädikat, als Kennzeichnung einer (leichten) thematischen Wende oder zur Markierung einer abschließenden Zusammenfassung: Ueberhaupt, ehe man sich dessen versieht, haben die Leute hier 50 Jahre abgedient (1822 A118 Heinrich Heine, Brief aus Berlin; 6,43); Überhaupt, alle Arbeit ist schwer, die diesen Namen verdient, nicht wahr? (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 85); hierher auch das in der gesprochenen Sprache häufige, zuweilen einen Satz- bzw. Redeabbruch markierende und überhaupt (vgl. L320 Trübner): Dort [im Gefängnis Fuhlsbüttel] sind schließlich, sagte sie, alle Freunde und Bekannten, naja und überhaupt (U.A314 Uwe Timm,Kopfjäger 365);
2.2 in rhetorischen Fragen, die eigentlich das Gegenteil des ausgedrückten Gehalts aussagen, in derselben Bedeutung wie (2.1): was brauchst du denn / der väter überhaupt?(Lessing; L059 DWb);
2.3 in Ergänzungsfragen dagegen ›Sprecher zeigt an, daß er über den erfragten Inhalt wirklich nichts weiß‹ (ähnlich ⇑ "denn", "eigentlich"): was ist jetzt deine beschäftigung und wie ist überhaupt euer leben? (Schiller; L059 DWb); Übrigens will sie ja ohnedies wiederkommen, hat sie mir gelegentlich mitgeteilt, –wie kamen wir überhaupt auf sie? (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 494);
2.4 in Entscheidungsfragen: Was bezweckt er damit? Will er einen hereinlegen? Ist er überhaupt so heimtückisch? (A130 Hugo von Hofmannsthal, Schwierige 1,1), Sprach er überhaupt deutsch? (U.A314 Uwe Timm, Kopfjäger 411);
3 in Verbindung mit nicht, kein(e/ r/ s), nie usw. zur Verstärkung der Negation seit dem 18. Jahrhundert ›keineswegs‹, ›nicht den/ die/ das geringste‹, ›bei keiner Gelegenheit‹: ein guter fabeldichter ist Gay überhaupt nicht (Lessing; L059 DWb); Das Dörfchen hatte kein Gedächtnis über die »Schwedenzeit« hinaus, es hatte überhaupt keinen historischen Sinn (Raabe; L320 Trübner); Messen Sie sich etwa überhaupt nie?(Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 236);
4 ›insbesondere, gerade, zumal‹: im walde ist es schön, überhaupt im sommer (L059 DWb).
1.2 attributiv bei Substantiven, dem Bezugswort nachgestellt, ›im allgemeinen, als solche(r/ s), ohne Ansehen der einzelnen Mitglieder einer Klasse‹: Ich nenne alle Erkenntnis transcendental, die sich nicht sowohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnißart von Gegenständen, sofern diese a priori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt (1787 I.A153 Immanuel Kant,2Kritik der reinen Vernunft; AA 3,43); Dem Botaniker überhaupt, besonders dem anatomirenden, sind die Spiralgefäße genugsam bekannt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, II,7,344); hierher auch die Verbindung mit dem Superlativ: die größte überhaupt (›von allen‹). Was ohne Rücksicht auf Einzeldinge oder -erscheinungen ausgesagt werden kann, mag später als Hinweis auf allgemeine Merkmale oder Regeln verstanden worden sein, aus denen sich das Ausgesagte schließen läßt, daher
2 der Gebrauch als ⇓ "S002" Abtönungspartikel (wohl 18. Jahrhundert)
2.1 ›Sprecher zeigt an, daß ihn die Gesamtschau aller Umstände auf die betreffende Aussage schließen läßt‹, ›alles zusammengenommen, aufs Ganze gesehen, im Grunde genommen‹ (L004 Johann Christoph Adelung): Überhaupt hat das Gebirgsleben etwas Menschlicheres als das Leben auf dem flachen Lande (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 24,20), Man ist überhaupt phlegmatisch bei Ihnen zulande, nicht wahr? (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 278), Für einen anständigen Menschen gibt es in bezug auf seine Kriegshaltung überhaupt nur einen Vorwurf: daß er nicht den Mut aufgebracht hat, Nein zu sagen (A266 Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke 2,390); v. a. in der gesprochenen Sprache auch außerhalb des Satzgefüges, ohne Umstellung von Subjekt und Prädikat, als Kennzeichnung einer (leichten) thematischen Wende oder zur Markierung einer abschließenden Zusammenfassung: Ueberhaupt, ehe man sich dessen versieht, haben die Leute hier 50 Jahre abgedient (1822 A118 Heinrich Heine, Brief aus Berlin; 6,43); Überhaupt, alle Arbeit ist schwer, die diesen Namen verdient, nicht wahr? (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 85); hierher auch das in der gesprochenen Sprache häufige, zuweilen einen Satz- bzw. Redeabbruch markierende und überhaupt (vgl. L320 Trübner): Dort [im Gefängnis Fuhlsbüttel] sind schließlich, sagte sie, alle Freunde und Bekannten, naja und überhaupt (U.A314 Uwe Timm,Kopfjäger 365);
2.2 in rhetorischen Fragen, die eigentlich das Gegenteil des ausgedrückten Gehalts aussagen, in derselben Bedeutung wie (2.1): was brauchst du denn / der väter überhaupt?(Lessing; L059 DWb);
2.3 in Ergänzungsfragen dagegen ›Sprecher zeigt an, daß er über den erfragten Inhalt wirklich nichts weiß‹ (ähnlich ⇑ "denn", "eigentlich"): was ist jetzt deine beschäftigung und wie ist überhaupt euer leben? (Schiller; L059 DWb); Übrigens will sie ja ohnedies wiederkommen, hat sie mir gelegentlich mitgeteilt, –wie kamen wir überhaupt auf sie? (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 494);
2.4 in Entscheidungsfragen: Was bezweckt er damit? Will er einen hereinlegen? Ist er überhaupt so heimtückisch? (A130 Hugo von Hofmannsthal, Schwierige 1,1), Sprach er überhaupt deutsch? (U.A314 Uwe Timm, Kopfjäger 411);
3 in Verbindung mit nicht, kein(e/ r/ s), nie usw. zur Verstärkung der Negation seit dem 18. Jahrhundert ›keineswegs‹, ›nicht den/ die/ das geringste‹, ›bei keiner Gelegenheit‹: ein guter fabeldichter ist Gay überhaupt nicht (Lessing; L059 DWb); Das Dörfchen hatte kein Gedächtnis über die »Schwedenzeit« hinaus, es hatte überhaupt keinen historischen Sinn (Raabe; L320 Trübner); Messen Sie sich etwa überhaupt nie?(Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 236);
4 ›insbesondere, gerade, zumal‹: im walde ist es schön, überhaupt im sommer (L059 DWb).