Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
übel
ahd. ubil, mhd. übel, altgermanisch (got. ubils, engl. evil), vielleicht mit "üppig" verwandt; anfangs in allgemeiner Verwendung für den direkten Gegensatz zu "gut" und dessen Adverb "wohl"; allmählich zurückgedrängt, zuerst durch die Konkurrenz von "böse", das anfangs den mehr negativen Sinn ›geringwertig‹ hatte, dann auch durch die von "schlecht" und "schlimm" (s. unten). ⇓ "S036" Luther verwendet es noch in der alten Weise, wenn auch böse daneben steht. Im 18. Jahrhundert sind noch manche Gebrauchsweisen lebendig, die der jetzigen Gemeinsprache fremd sind, in der sich davon nur bestimmte Reste erhalten haben;1 allgemein früher Gegensatz zu gutim moralischen Sinn, was von L004 Johann Christoph Adelung als veraltet bezeichnet wird, tut nicht so übel (Luther); sondern hast übel gehandelt vor den Augen des Herrn (Luther); welche auf seinen Wegen wandeln, die tun kein Übels (Luther); dazu "Übeltat" (s. unten);
2 ferner in bezug auf Gesinnung und Benehmen gegen bestimmte Personen (jetzt böse oder schlecht): dieser handelte [›behandelte‹] unsere Väter übel (Luther); einen treuen Knecht halte nicht übel (Luther); Herr, warum tust du so übel an diesem Volk? (Luther); von einem kargen Filz redet die ganze Stadt übel (Luther); den meisten pflegt er übel zu dienen (Goethe); den Leuten… übel reden hinterrueck (Sachs; L320 Trübner), jetzt juristisch üble Nachrede, im 18. Jahrhundert auch mit Plural (Schiller; L059 DWb). Besser hält sich in diesem Sinne die substantivierte Form Übles: die mir Übles gönnen(Luther); seinen Freunden zu viel Gutes, seinen Feinden zu viel Übles erzeigen (Goethe); jmdm. nichts Übles gönnen, wünschen könnte man wohl auch jetzt noch sagen. Noch jetzt gebräuchlich ist Übelwollen, übelwollend als Gegensatz zu Wohlwollen, wohlwollend; weniger geläufig ist uns der entsprechende rein verbale Gebrauch: daß kein Genie meinem Herzen so übel will (Schiller). Veraltet ist jetzt etwas für übel halten oder etwas für übel nehmen: warum halten Sie mir's denn für übel, daß ich die Freiheit hochschätze (Gellert); wenn Sie mir's nicht für übel nehmen (Schiller); süddeutsch ist in übel nehmen, worin übel wohl eigentlich als Substantiv aufzufassen ist; allgemein jetzt übelnehmen; seltener übel aufnehmen, synonym verübeln (frühnhd.). Verwandt ist etwas übel vermerken; weniger geläufig übel deuten, auslegen, verstehen. Hierher dürfen wir auch üble Laune, übellaunig stellen; ferner übel aufgelegt (Schiller) u.dgl.;
3 in bezug auf widrige, unangenehme Umstände, wo jetzt meist "schlimm" eingesetzt werden kann: daß es in seinem Hause übel zuging (Luther); einem vermessenen Menschen geht es endlich übel aus (Luther); was den Seinen so übel ausgeschlagen (L. v.Ranke); wenn dir's wohl gehet, so gedenke, daß dir's wieder übel gehen kann (Luther); sieh du nach deinen Rechnungen – Ich fürchte, sie stehen übel (Schiller); das hätte mir eigentlich üble Händel zuziehen sollen (Goethe); mich befällt eine üble Ahndung ›Ahnung von etwas Schlimmem‹ (A222 Friedrich Schiller, Kabale und Liebe 3,6); üble Nachrichten, Folgen (Goethe). Noch allgemein ist in übler Lage sein, übel daran sein, auch jmdn. übel zurichten;
4 gut bewahrt hat sich übel mit Bezug auf einen unangenehmen Eindruck auf die Empfindung. L004 Johann Christoph Adelung führt noch als gebräuchlich an es riecht/ schmeckt übel; es steht/ kleidet ihm übel; übel lauten/ klingen; das wird ihr übel gefallen; vgl. dazu einem Wirte läßt nichts übler als Neugierde (Lessing); ein wenig Geiz schadet dem Weibe nichts, so übel sie die Verschwendung kleidet (Goethe); wie übel ziemt es sich für dein Geschlecht (A.W.Schlegel). Jetzt sind diese und ähnliche Ausdrücke noch in der Verbindung mit der Negation, als untertreibende Hervorhebung, üblich, vgl. auch sie ist nicht übel, das ist nicht übel oder bloß nicht übel; ich finde ihn/ das nicht übel; ferner das Mädchen ist kein übler Bissen (A222 Friedrich Schiller, Wallenstein L.5); sie hat kein so übles Gesicht. Auch ohne Negation gebraucht man übel in Verbindung mit einem Partizip Präsens: übelriechend, übelklingend;
5 mhd. sich übele gehaben ›seinen Schmerz durch Gebärden ausdrücken‹; noch bei Luther ich gräme mich und gehabe mich übel;
6 in bezug auf das körperliche Befinden mir ist/ wird übel (A222 Friedrich Schiller, Kabale und Liebe 5,7), als Gegensatz zu mir ist/ wird wohl; speziell mir wird übel ›ich muß mich übergeben‹ (L305 Christoph Ernst Steinbach), dazu speiübel, kotzübel, "Übelkeit" (s. unten) Auch auf Geistiges übertragen, mir ist übel zumute. Jetzt ungewöhnlich ist Veränderung der Konstruktion wie bei "wohl": er versicherte, daß ich sehr übel wäre (S. v.LaRoche, Geschichte des Fräuleins von Sternheim, 1985, 274); auch Sie sind nicht wohl und vielleicht übler, als Sie mir sagen wollen (Eva König); unsere arme Freundin Kalb ist wirklich sehr übel (Goethe), sehr ungern hört ich, daß Sie sich einige Zeit übel befanden (Goethe; dazu Übelbefinden A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 19.8.02), etwas bekommt einem übel; vgl. auch warum siehest du so übel? Du bist ja nicht krank (Luther);
7 auch Gegensatz zu "gut" (wohl) ›zweckmäßig‹, es gibt oft einer etwas, da er es übel anlegt; dagegen gibt einer, da er es sehr wohl anlegt (Luther); sein Geld, seine Zeit sehr übel anwenden L004 Johann Christoph Adelung. Noch üblich ist übel angebracht;
8 neben Verben, die an sich etwas Unangenehmes ausdrücken, dient übel als eine Verstärkung; so schon mittelhochdeutsch und bei Luther, welches sie gar übel verdroß, ähnlich übel schelten (Psalm 31,14), schmähen, plagen; vgl. noch daß nicht leicht eine Schrift übler gemißhandelt sei(Winckelmann);
9 schon im Mittelhochdeutschen kann sich das Adverb übele dem Sinn einer Negation nähern. Ein vereinzelter Rest ist nicht übel Lust haben, worin also der negative Sinn durch eine direkte Negation wieder aufgehoben ist;
10 auch in dem mehr negativen Sinn von "schlecht" erscheint übel, auf Fähigkeiten bezogen: übel hören L004 Johann Christoph Adelung; übel sehen (Herder); gewöhnlicher mit Negation: du schlägst nicht übel (Wieland); verstanden die Deutschen nicht übel, sich mit dem Stadtleben zu befreunden (Freytag). In Fällen wie er singt, spielt nicht übel mischt sich allerdings die Vorstellung des Wohlgefallens ein, vgl. (4);
11 formelhaft erstarrt ist wohl oder übel, das ausdrückt, daß etwas unter allen Umständen (›notgedrungen‹) getan wird, gleichviel, ob es gut oder schlecht ausgeht.
Übel althochdeutsches Substantiv wie "Gut" usw. Als ein Übel wird alles bezeichnet, was als schädlich und unangenehm empfunden wird; vom Übel sein: Ewer rede aber sey Ja / ja / Nein / nein / Was drüber ist / das ist vom vbel (A180 Martin Luther, Matthäus 5,37). Häufig speziell auf einen Leibesschaden, eine Krankheit bezogen: Schillers Übel hat mir diese Tage viele Sorge gemacht (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 25.2.00). Veraltet ›Böses im moralischen Sinn‹ erlöse vns von dem vbel (A180 Martin Luther, Matthäus 6,13); Geiz ist eine Wurzel alles Übels(Luther); wie sollte ich denn nun ein solch groß Übel tun und wider Gott sündigen? (Luther). Desgleichen bezogen auf Böses, das man jmdm. antut, also gereute den Herrn das Übel, das er drohete seinem Volk zu tun (Luther);
Übelstand (16. Jahrhundert) synonym zu "Mißstand". Wie dieses bezeichnet es jetzt meist einen Umstand, der schädlich oder lästig ist, früher auch ›etwas, was übel ansteht‹: irgendeinen Übelstand in ihrem Betragen(Wieland); das Kästchen hätt' ohne Übelstand noch immer warten mögen (Wieland); vgl. "Wohlstand";
Übeltat (ahd. ) zu übel(1) ›böse Tat‹ (vgl. "Missetat"), veraltet; dazu (mhd. )
Übeltäter (ahd. ubiltato), früher ⇓ "S181" rechtssprachlich, heute allgemein und auch scherzhaft;
Übelkeit zu übel(6): ›Unwohlsein‹, besonders ›Brechreiz‹, erst seit 18. Jahrhundert (Gellert).
2 ferner in bezug auf Gesinnung und Benehmen gegen bestimmte Personen (jetzt böse oder schlecht): dieser handelte [›behandelte‹] unsere Väter übel (Luther); einen treuen Knecht halte nicht übel (Luther); Herr, warum tust du so übel an diesem Volk? (Luther); von einem kargen Filz redet die ganze Stadt übel (Luther); den meisten pflegt er übel zu dienen (Goethe); den Leuten… übel reden hinterrueck (Sachs; L320 Trübner), jetzt juristisch üble Nachrede, im 18. Jahrhundert auch mit Plural (Schiller; L059 DWb). Besser hält sich in diesem Sinne die substantivierte Form Übles: die mir Übles gönnen(Luther); seinen Freunden zu viel Gutes, seinen Feinden zu viel Übles erzeigen (Goethe); jmdm. nichts Übles gönnen, wünschen könnte man wohl auch jetzt noch sagen. Noch jetzt gebräuchlich ist Übelwollen, übelwollend als Gegensatz zu Wohlwollen, wohlwollend; weniger geläufig ist uns der entsprechende rein verbale Gebrauch: daß kein Genie meinem Herzen so übel will (Schiller). Veraltet ist jetzt etwas für übel halten oder etwas für übel nehmen: warum halten Sie mir's denn für übel, daß ich die Freiheit hochschätze (Gellert); wenn Sie mir's nicht für übel nehmen (Schiller); süddeutsch ist in übel nehmen, worin übel wohl eigentlich als Substantiv aufzufassen ist; allgemein jetzt übelnehmen; seltener übel aufnehmen, synonym verübeln (frühnhd.). Verwandt ist etwas übel vermerken; weniger geläufig übel deuten, auslegen, verstehen. Hierher dürfen wir auch üble Laune, übellaunig stellen; ferner übel aufgelegt (Schiller) u.dgl.;
3 in bezug auf widrige, unangenehme Umstände, wo jetzt meist "schlimm" eingesetzt werden kann: daß es in seinem Hause übel zuging (Luther); einem vermessenen Menschen geht es endlich übel aus (Luther); was den Seinen so übel ausgeschlagen (L. v.Ranke); wenn dir's wohl gehet, so gedenke, daß dir's wieder übel gehen kann (Luther); sieh du nach deinen Rechnungen – Ich fürchte, sie stehen übel (Schiller); das hätte mir eigentlich üble Händel zuziehen sollen (Goethe); mich befällt eine üble Ahndung ›Ahnung von etwas Schlimmem‹ (A222 Friedrich Schiller, Kabale und Liebe 3,6); üble Nachrichten, Folgen (Goethe). Noch allgemein ist in übler Lage sein, übel daran sein, auch jmdn. übel zurichten;
4 gut bewahrt hat sich übel mit Bezug auf einen unangenehmen Eindruck auf die Empfindung. L004 Johann Christoph Adelung führt noch als gebräuchlich an es riecht/ schmeckt übel; es steht/ kleidet ihm übel; übel lauten/ klingen; das wird ihr übel gefallen; vgl. dazu einem Wirte läßt nichts übler als Neugierde (Lessing); ein wenig Geiz schadet dem Weibe nichts, so übel sie die Verschwendung kleidet (Goethe); wie übel ziemt es sich für dein Geschlecht (A.W.Schlegel). Jetzt sind diese und ähnliche Ausdrücke noch in der Verbindung mit der Negation, als untertreibende Hervorhebung, üblich, vgl. auch sie ist nicht übel, das ist nicht übel oder bloß nicht übel; ich finde ihn/ das nicht übel; ferner das Mädchen ist kein übler Bissen (A222 Friedrich Schiller, Wallenstein L.5); sie hat kein so übles Gesicht. Auch ohne Negation gebraucht man übel in Verbindung mit einem Partizip Präsens: übelriechend, übelklingend;
5 mhd. sich übele gehaben ›seinen Schmerz durch Gebärden ausdrücken‹; noch bei Luther ich gräme mich und gehabe mich übel;
6 in bezug auf das körperliche Befinden mir ist/ wird übel (A222 Friedrich Schiller, Kabale und Liebe 5,7), als Gegensatz zu mir ist/ wird wohl; speziell mir wird übel ›ich muß mich übergeben‹ (L305 Christoph Ernst Steinbach), dazu speiübel, kotzübel, "Übelkeit" (s. unten) Auch auf Geistiges übertragen, mir ist übel zumute. Jetzt ungewöhnlich ist Veränderung der Konstruktion wie bei "wohl": er versicherte, daß ich sehr übel wäre (S. v.LaRoche, Geschichte des Fräuleins von Sternheim, 1985, 274); auch Sie sind nicht wohl und vielleicht übler, als Sie mir sagen wollen (Eva König); unsere arme Freundin Kalb ist wirklich sehr übel (Goethe), sehr ungern hört ich, daß Sie sich einige Zeit übel befanden (Goethe; dazu Übelbefinden A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 19.8.02), etwas bekommt einem übel; vgl. auch warum siehest du so übel? Du bist ja nicht krank (Luther);
7 auch Gegensatz zu "gut" (wohl) ›zweckmäßig‹, es gibt oft einer etwas, da er es übel anlegt; dagegen gibt einer, da er es sehr wohl anlegt (Luther); sein Geld, seine Zeit sehr übel anwenden L004 Johann Christoph Adelung. Noch üblich ist übel angebracht;
8 neben Verben, die an sich etwas Unangenehmes ausdrücken, dient übel als eine Verstärkung; so schon mittelhochdeutsch und bei Luther, welches sie gar übel verdroß, ähnlich übel schelten (Psalm 31,14), schmähen, plagen; vgl. noch daß nicht leicht eine Schrift übler gemißhandelt sei(Winckelmann);
9 schon im Mittelhochdeutschen kann sich das Adverb übele dem Sinn einer Negation nähern. Ein vereinzelter Rest ist nicht übel Lust haben, worin also der negative Sinn durch eine direkte Negation wieder aufgehoben ist;
10 auch in dem mehr negativen Sinn von "schlecht" erscheint übel, auf Fähigkeiten bezogen: übel hören L004 Johann Christoph Adelung; übel sehen (Herder); gewöhnlicher mit Negation: du schlägst nicht übel (Wieland); verstanden die Deutschen nicht übel, sich mit dem Stadtleben zu befreunden (Freytag). In Fällen wie er singt, spielt nicht übel mischt sich allerdings die Vorstellung des Wohlgefallens ein, vgl. (4);
11 formelhaft erstarrt ist wohl oder übel, das ausdrückt, daß etwas unter allen Umständen (›notgedrungen‹) getan wird, gleichviel, ob es gut oder schlecht ausgeht.
Übel althochdeutsches Substantiv wie "Gut" usw. Als ein Übel wird alles bezeichnet, was als schädlich und unangenehm empfunden wird; vom Übel sein: Ewer rede aber sey Ja / ja / Nein / nein / Was drüber ist / das ist vom vbel (A180 Martin Luther, Matthäus 5,37). Häufig speziell auf einen Leibesschaden, eine Krankheit bezogen: Schillers Übel hat mir diese Tage viele Sorge gemacht (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 25.2.00). Veraltet ›Böses im moralischen Sinn‹ erlöse vns von dem vbel (A180 Martin Luther, Matthäus 6,13); Geiz ist eine Wurzel alles Übels(Luther); wie sollte ich denn nun ein solch groß Übel tun und wider Gott sündigen? (Luther). Desgleichen bezogen auf Böses, das man jmdm. antut, also gereute den Herrn das Übel, das er drohete seinem Volk zu tun (Luther);
Übelstand (16. Jahrhundert) synonym zu "Mißstand". Wie dieses bezeichnet es jetzt meist einen Umstand, der schädlich oder lästig ist, früher auch ›etwas, was übel ansteht‹: irgendeinen Übelstand in ihrem Betragen(Wieland); das Kästchen hätt' ohne Übelstand noch immer warten mögen (Wieland); vgl. "Wohlstand";
Übeltat (ahd. ) zu übel(1) ›böse Tat‹ (vgl. "Missetat"), veraltet; dazu (mhd. )
Übeltäter (ahd. ubiltato), früher ⇓ "S181" rechtssprachlich, heute allgemein und auch scherzhaft;
Übelkeit zu übel(6): ›Unwohlsein‹, besonders ›Brechreiz‹, erst seit 18. Jahrhundert (Gellert).