Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
tun
ahd. / mhd. tuon, nur westgermanisch, verwandt mit griech. tídemi, lat. facere, altslaw. deti; Präteritum mhd. Singular tete,daher noch frühneuhochdeutsch und zuweilen von neueren Dichtern archaisierend ich (er) tet (tät);1 anfangs ›an einen Ort legen oder stellen‹; in Verbindung mit einer Richtungsbezeichnung: etwas in den Kasten, Schrank, den Löffel in die Suppe, jmdn. in die Lehre, in Pension, Salz an das Essen, Gemüse auf den Teller, Wasser unter die Milch tun, dazutun; ⇑ "zutun", "abtun", "antun", "auftun", "umtun" (ein Tuch). Frühnhd. sich tun mit Richtungsbezeichnung (↑ "machen"): so du aber dich beizeiten zu Gott tust (übertragen) (Luther), niemand soll sich zu seiner nächsten Blutsfreundin tun (Luther), warum tust du dich nicht von mir?(Luther), einen Adler, der sich aus der Luft herab aufs Nest tat(Musäus); noch jetzt allgemein sich zusammentun; auch der Wolkenschleier der um Gipfel sich getan (Goethe). Hieran anzuschließen sein wird auch ein seltenes tun mit Dativ ›übergeben‹: das ihm zu treuer Hand getan ist (Luther) (↑ "treu");
2 jetzt Berührung mit ↑ "machen". Bei Verbindung mit einfachem Objekt besteht im allgemeinen der Unterschied, daß machen sich auf die Gewinnung eines Resultats, tunauf das Beschäftigtsein bezieht. Als Objekt zu tun eignen sich daher Tätigkeitsbezeichnungen, noch allgemein üblich Buße, Abbitte, Verzicht, Bescheid(beim Trinken), Dienst (militärisch), Erwähnung, Meldung, (gute) Wirkung, (einer Sache) Einhalt, Eintrag, eine Arbeit, einen Ausspruch, einen Eid, ein Gelübde, einen Fang, Gang, Schluck, Schrei, Schritt, Sturz, ein Wunder, einen Zug (beim Trinken, beim Brettspiel), ein gutes Werk, jmdm. einen Dienst, einen Blick in (auf) etwas tun; früher übliche Verbindungen jetzt durch solche mit machen oder auch einem Verb von speziellerem Sinn ersetzt: einen Angriff, Einfall, Erbschaft (alle Schiller), einen Plan (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 28.10.84), Vorschläge (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 11.2.81), Erklärung (Goethe), Fortschritte, Geschäfte, Geständnis(alle Schiller), Anzeige (Goethe), Vorstellungen (Schiller) tun; sehr gewöhnlich mit Objekten allgemeiner Art: er hat das getan, was tust du?; etwas, viel, wenig, Gutes, Böses tun; tun, was jmdm. befohlen wird. Hieran reihen sich auch jmdm. ein Leid, Unrecht, einen Gefallen, jmds. Willen, seine Pflicht, seine Schuldigkeit, jmdm. / einer Sache Genüge tun; jmdm. etwas tun speziell ›jmdm. ein Leid, eine Kränkung zufügen‹. Mit nichtpersönlichem Subjekt bezieht sich auch tun wie machen auf Erzielung eines Resultats: das tut viel/ wenig/ nichts (zur Sache)das hat großen/ geringen/ keinen Einfluß‹; umgangssprachlich es tut'ses genügt‹; tut's ein Taler nicht auch? damit ist nichts getan. Jetzigem machen entspricht tun auch bei Angabe eines Betrags: was die Gebühren taten (Gellert). Unpersönlich passivisch es ist um ihn getangeschehen‹. Das Objekt kann fehlen bei zu tun haben/ bekommen (mit jmdm. ). Es ist mir darum zu tunmir ist daran gelegen‹. Ohne Dativ jetzt veraltet ›sich handeln um‹: weil es doch um ein neues Gesetz zu tun wäre (Wieland), als er vernommen hatte, warum es zu tun sei (Wieland). Mit prädikativem Adjektiv in der älteren Sprache sehr üblich, jetzt durch machen verdrängt; erhalten hat sich kundtun. Isoliert steht jetzt auch die Wendung jmdm. etwas zu wissen tun; umgangssprachlich mit Infinitiv zur Umschreibung der betreffenden Formen dieses Verbums (L012 Otto Behaghel, Syntax 2,361): der noch den Nußbaum pflanzen tät (Hölty), die Ware sich selber loben tut(Goethe), als der Sachs noch im Lande tät pochen(Schiller); auch standardsprachlich, wenn der Infinitiv mit Voranstellung als logisches Subjekt dient: schreiben tue ich ihm nicht. Der älteren Sprache eigen ist die Verwendung von tun an Stelle der Wiederholung eines vorhergehenden Verbs: großes Gut, das sich nicht läßt verzehren, wie irdisch Reichtum tut (P.Gerhardt). Verschieden davon und auch jetzt allgemein üblich ist es, wenn ein auf das vorhergehende Verb bezügliches Pronomen als Objekt zu tun steht, er kam zu mir, das hatte er sonst nie getan. Intransitiv zunächst für sich stehend im Infinitiv, namentlich in den Verbindungen (sein) Tun und Lassen, Tun und Treiben; auch jener soll tun und wirken, dieser soll leisten und schaffen (Goethe); ein guter Abend kommt heran, wenn ich den ganzen Tag getan (Goethe). Ferner in dazu tun, daß usw. Veraltet mit als und einem Substantiv, noch bei Schiller du hast als Held getan (jetzt gehandelt), besonders mit Adverbien verbunden: wohltun, guttun, übeltun, schöntun, wehetun. Umgangssprachlich, v. a. südostdt. er tut sich leichter hat keine Schwierigkeiten zu überwinden‹. Mit beliebigen Adverbien verbunden ›sich stellen‹, also immer von etwas Erheucheltem: betrübt, freundlich tun usw. Ursprünglich mit Adverb ›sich benehmen‹, ohne daß dabei Verstellung im Spiel zu sein brauchte, noch im 18. Jahrhundert wir tun oft so hart und rauh, man tut mir [›behandelt mich‹] sehr artig (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 9.7.84). An den neueren Gebrauch schließt sich dann auch tun als ob usw. Veraltet absolut bei Einschränkungen: wie würden Dorff und Stätte voll loser Zauchen, wenn nicht dein Läger thetewäre nicht dein Lager, welches das Gegenteil bewirkt‹ (Opitz), unt täte nicht die Kahlheit meines Hauses, nicht hätte ich mich getrennt von meines Alters Stabe(Rückert). In älterer Zeit kann hierbei die Negation unausgedrückt bleiben: was wäre für ein Königreich in Israel, wenn du tätest (1.Könige 21,7; geändert in der revidierten Bibel). L012 Otto Behaghel, Syntax 2,119; E.Weiss, Tun – Machen, 1956. ⇑ "Tat", -{{link}}tum{{/link}}.
Tunichtgut (1586; L320 Trübner) ⇓ "S188" Satzname wie "Taugenichts";
tunlich Zimmerische Chronik (16. Jahrhundert) thonlich (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), 1607 thunlich, veraltete Nebenform tulich (noch bei Lessing, Wieland, Goethe); ›wenn möglichmehr als tunlich ist (A075 Johann Wolfgang von Goethe, II,3,222; Brief vom 21.4.21; 1.6.22 u. ö. ); zumeist im Superlativ, heute in der festen Verbindung etwas tunlichst vermeiden; veraltet Tunlichkeit (L308 Kaspar Stieler); zutunlichanschmiegsam‹.
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