Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Tugend
ahd. tugund, mhd. tugent, Verbalabstraktum zu ↑ "taugen". Ursprünglich schließt sich die Bedeutung näher an die des Grundworts an, und zwar bezeichnet es entweder den Inbegriff dessen, was einen (lebenden oder leblosen) Gegenstand tauglich und wertvoll macht, oder eine einzelne bestimmte Eigenschaft an ihm, die tauglich und wertvoll ist;1körperliches und geistiges Vermögen‹, so noch Tugenden eines Pferdes; auf nichtmoralische Eigenschaften eines Menschen bezogen: diese Klugheit war freilich nie meine Tugend(Wieland), Geschicklichkeiten und Tugenden (Goethe); noch jetzt Untugendschlechte Angewohnheit‹; im Mittelalter Tugenden der Steine, Kräuter, Tränkeheilkräftige, zauberische Eigenschaften‹, so noch die Tugenden natürlicher Edelsteine (A075 Johann Wolfgang von Goethe, II,3,225), die Tugend des Wermuts (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 43,103), des Schwertes Tugend (Wieland), daher die seit dem 14. Jahrhundert bezeugte Wendung aus der Not eine Tugend machen(nach lat. facere de necessitate virtutem); daneben wie lat. virtusethisch gedeutet
2sittlich einwandfreie Eigenschaft‹, mittelhochdeutsch speziell höfisches Ideal: lebende tugende… liebe, triuwe und staeter muot (Gottfried von Straßburg; L320 Trübner), allgemeiner sittliche Tugenden (L169 Matthias Kramer), das ist eine schöne Tugend(ebenda), bürgerlicher Tugenden (L003 Johann Christoph Adelung 1780); als philosophisches Problem: tugend ist die stärke der maxime des menschen in befolgung seiner pflicht (I.Kant; L059 DWb); als unbestimmter Moralbegriff von der Tugend hatte er sich… ein… Ideal gemacht… daß ihn oft schon der Name Tugend bis zu Tränen rührte (A193 Karl Philipp Moritz, Reiser 234); literarisch im 18. Jahrhundert häufig personifiziert: Wenn sich das Laster erbricht, setzt sich die Tugend zu Tisch (A222 Friedrich Schiller, Shakespeares Schatten); häufig seit dem 17. Jahrhundert, heute veraltet, speziell auf Mädchen und junge Frauen bezogen ›Bewahrung der Keuschheit‹.
tugendhaft (mhd. ) gleichbedeutend veraltet tugendsam (früher in Titulaturen).
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