Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Trotz
mhd. truz(daneben traz), dunkler, vielleicht lautmalender Herkunft; die Form Trutz bis in die neueste Zeit allgemein durch den Reim geschützt: Schutz und Trutz; bei Luther speziell auch wie ↑ "Trost" ›Vertrauen, Zuversicht‹: der Weg des Herrn ist des Frommen Trotz; anfangs und bis ins 17. Jahrhundert1Herausforderung‹; daran anschließend speziell ›Mut, Selbstbewußtsein, Stolz‹, vor allem im 18. und 19. Jahrhundert: voll trutz und stärke wie ein leu (G.A.Bürger; L059 DWb), erhalten in festen Verbindungen: (jmdm. ) Trotz bieten, übertragen beweise… , die jedem zweifel troz bieten (W. v.Humboldt; L059 DWb), mit dem Begriff des Wettkampfs du weißt dein Mädchen zu lieben, und Trotz sei jedem Sperling geboten (Leisewitz), Trotz sei aller Welt geboten, ob einer lebt (Schiller); jmdm. zum Trotz(e)/ Trutz (Mitte des 16. Jahrhunderts), mit Dativ, zuweilen mit Genitiv, früher auch zu Trotz, übertragen: ihren Millionen, der Feenkunst zu Trotz(Wieland), der Vernunft, der Vorsicht zum Trotz, der gantzen Welt zu Trotz (L169 Matthias Kramer), die kritik… der zum trotze ich… nie diese mittelmäszige stücke für schön erkennen würde(Lessing; L059 DWb), abgeblaßt seit dem 18. Jahrhundert ›entgegen‹: dem Zwang des Silbenmaasses und des Reimes zum Trotze (Lessing); weiterentwickelt seit dem 17. Jahrhundert zu heutigem
2Widerstand, Eigenwille‹; zumeist auf den Eigensinn von Kindern bezogen der Trotz eines Kindes (L003 Johann Christoph Adelung 1780), eines Kindes Trotz brechen (L033 Joachim Heinrich Campe).
trotz als Präposition im 17. Jahrhundert aus dem satzbildend mit Dativ gebrauchten Substantiv: Trotz, und mache sich einer an Joab(Luther), Trotz, daß mir ein Mensch meinen Namen nimmt(Ch.Weise); zunächst noch mit dem Begriff des Wettbewerbs und mit Dativ, dann nur noch ›ungeachtet, ohne Rücksicht auf‹ mit Genitiv seit Mitte des 18. Jahrhunderts (L012 Otto Behaghel 2,51): Ich habe, Trotz der grauen Haare / … / Sechs Tage nur geliebt (A177 Gotthold Ephraim Lessing, 1,88);
trotzdem
1 konzessives Adverb ›dennoch‹ im 19. Jahrhundert aus dem Gebrauch von Trotz (s. oben) mit Dativ: es ist mir trotzdem sehr leicht geworden (Pückler; L059 DWb), verstärkt trotz alledem: Ob Armut euer Los auch sei, / Hebt doch die Stirn trotz alledem (Freiligrath, Trotz alledem);
2 aus adverbialem Gebrauch trotzdem dasz ich mir… nichts abgehen liesz (Gaudy; L059 DWb) wie seitdem (↑ "seit"), ↑ "indem" durch Übertritt in den Gliedsatz bei gleichzeitigem Wegfall von daß unterordnende Konjunktion ›obwohl‹: sprang, trotzdem [sie] ihn am mantel festzuhalten strebten… aus dem schlag (Gaudy; L059 DWb); von der Grammatik seit 1959 nicht mehr verworfen (Duden-Grammatik 1959; H.Gelhaus, in: L354 WW 19,310ff.); ↑ "daß"(13);
trotzen ältere Nebenform trutzen; ahd. trotzen, trutzen, mhd. tratzen, trotzen; dem ursprünglichen Begriff des Herausforderns folgend
1sich widersetzen, sich entgegenstellen‹, mit dem Dativ wie Trotz bieten, und wie dieses auch übertragen das Schiff trotzt dem Sturm, der Mantel trotzt allen Strapazen; statt dessen in der älteren Sprache und in Resten bis in die neuere Zeit der Akkusativ; ohne den Begriff des Widerstandes daneben
2eigensinnig sein, schmollen‹, mit mit verbunden: sie trutzt in dieser Sache mit uns(Goethe); ohne Objekt ein Kind trotzt (L003 Johann Christoph Adelung 1780); seit früherem 20. Jahrhundert sprechhandlungsbezeichnend ›und ich fahre mit dem alten nicht‹, trotzte Hans (1932; L059 DWb), dazu abtrotzen, ertrotzen; daran anschließend
Trotzkopf (1689; L059 DWb) »im gemeinen Leben, eine Gemüthsfassung, ingleichen eine Person, welche Trotz besitzet oder äussert« (L003 Johann Christoph Adelung 1780): der Trotzkopf wird nicht nachgeben! ich sehe es schon! (L.A.Gottsched; L059 DWb);
trotzig mhd. tretzic, mitteldt. trotzic, Nebenform trutzig; anfangs
1herausfordernd, drohend‹, noch literarisch ›kühn‹: ein trotzig Löwenpaar (A131 Friedrich Hölderlin, Hymne an die Freiheit; 1,157); auch
2mutig, stolz, zuversichtlich‹, auf etwas trotzig: diese Stadt, auf ihre Befestigung trotzig(Schiller), abwertend ›eitel‹, ihr bißchen Gesicht, worauf sie so trotzig tut (Schiller); allgemein
3widerspenstig‹: ein trotzig Gesicht, trotzig antworten (L169 Matthias Kramer), übertragen Und dräut der Winter noch so sehr / Mit trotzigen Gebärden (E.Geibel, ›Hoffnung‹).
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