Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Traum
ahd. / mhd. troum, altgermanisch (engl. dream), wurzelverwandt mit ↑ "Trug";1 »Erscheynung im schlaaff« (L200 Josua Maaler), in typischen Verbindungen Schwarer Traum »der einen in angst und sorg bringt« (ebenda), unruhige Treume (L308 Kaspar Stieler), im Traume reden (L003 Johann Christoph Adelung 1780), Treume auslegen (L308 Kaspar Stieler), einem seinen Traum erzehlen (L169 Matthias Kramer), einem im Traum erscheinen (ebenda), Welch einen sonderbaren Traum träumt' ich?! / -- Mir war, als ob… (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Homburg 1,4); "Alptraum"; mit der Vorstellung des Ahnens Der Traum ist wahr worden (L308 Kaspar Stieler); als seelischer Vorgang gedeutet der Traum eine… freye Erholung der gebundenen Fantasie (A202 Novalis, Ofterdingen; I,199), seit Ende des 19. Jahrhunderts wissenschaftlicher Gegenstand der Psychoanalyse: Traum als eine Form des Ausdrucks für Regungen… , auf denen bei Tage ein Widerstand lastete (S.A063 Sigmund Freud II,581), mit typischer Funktion: Wunscherfüllung der Sinn eines jeden Traumes (ebenda 151); sprichwörtlich zur Bezeichnung von Nichtigkeit Träume sind Schäume (L033 Joachim Heinrich Campe); bei der Zurückweisung von Zugemutetem das fällt mir im Traum nicht einich denke nicht daran‹ (vgl. L033 Joachim Heinrich Campe); übertragen zum Ausdruck rascher Vergänglichkeit Wie ein Traum verfliegen Ewigkeiten (A131 Friedrich Hölderlin, An die Stille), verwandelnd sich in Flüchtigkeit, in Traum (A010 Gottfried Benn, Der Traum); mittelhochdeutsch, seit dem 18. Jahrhundert reich entfaltet
2Phantasievorstellung‹: die… alles nur für einen traum hielten (1649; L059 DWb), mit dem Begriff des Untätigen Im Traum erringt man solche Dinge nicht (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Homburg 1,1), des Nichtgreifbaren Traum schien mir da die Welt und Dichtung eines Gottes (A200 Friedrich Nietzsche, Zarathustra 35);
jmdm. aus dem Traum helfen (wohl biblischen Ursprungs; vgl. L333 Karl Friedrich Wilhelm Wander) ›jmdn. aufklären‹, dazu Tagtraum, Wachtraum; vor allem ›Wunsch‹: sie gehen um mit süszen träumen / … / und fahren nach schlaraffenland (S.Brant; L059 DWb), Meines Lebens schönster Traum hängt an diesem Apfelbaum(W.A033 Wilhelm Busch, Max und Moritz, 1.Streich); heute häufig umgangssprachlich zur Bezeichnung der Unerreichbarkeit materieller Güter die neuesten träume der modeateliers (1932; L059 DWb), häufig auch werbesprachlich (eventuell unter Einfluß von engl. dream []) ein Traum von einem Haus/ Auto, so auch umgangssprachlich als Bestimmungswort Traumberuf, Traumfrau, Traumreise, Traumvilla usw.; dazu Wunschtraum, Kindertraum, Lebenstraum, Menschheitstraum.
Traumarbeit in der ⇓ "S180" Psychoanalyse Der Traum ist… eine besondere Form unseres Denkens… Die Traumarbeit ist es, die diese Form herstellt (S.A063 Sigmund Freud II,486);
Traumdeutung (17. Jahrhundert) zunächst in abergläubischem Sinn auf die Auslegung von Träumen als Ahnungen bezogen; heute vor allem ⇓ "S180" psychoanalytisch: Die Traumdeutung aber ist die via regia zur Kenntnis des Unbewußten im Seelenleben (S.A063 Sigmund Freud II,577);
Traumfabrik (A303 Victor Klemperer 20.2.1951; Tagebücher II,139) ›Produktionsstätte eines Films‹, ›Welt des Films‹ (eventuell nach engl. dream factory): Traumfabrik Hollywood;
traumhaft (bei L308 Kaspar Stieler treumhaft); seit dem 19. Jahrhundert reicher belegt; selten zu Traum(1); zu Traum(2): manchmal kommt es mir ganz traumhaft vor(Raabe; L059 DWb), so im 19. Jahrhundert auch negativ gedeutet; positiv wie ↑ "wunderbar", ⇓ "S229" häufig in der festen Verbindung traumhaft schöne bilder (Treitschke; L059 DWb), heute umgangssprachlich als ⇓ "S060" Entzückungswort abgeblaßt das Essen war traumhaft!;
träumen ahd. troumen, mhd. troumen, tröumen; die ältere Konstruktion (heute gehoben) mir träumt etwas, dazu das hätte ich mir nicht träumen lassen (s. unten) u.dgl.; seit dem 16. Jahrhundert durchgesetzt, im 19. Jahrhundert mit Subjekt der Person, mit näherer Bestimmung von etwas träumen, auch transitiv, anders mit prädikativem Adjektiv oder mit Richtungsbezeichnung; neuer auch unpersönlich mir träumt von; der Bedeutungsentwicklung von Traum (s. oben) folgend
1schlafend Bilder sehen‹, vom Somnambulen Als ein Nachtwandler… sich träumend… den prächtgen Kranz des Ruhmes einzuwinden (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Homburg 1,1); Phantasie und Wirklichkeit verbindend: Daß ich von dir träumte, und mich bald darauf von Sehnsucht ergriffen fühlte (A202 Novalis, Ofterdingen; I,200); in der psychoanalytischen Deutung: das Träumen setzt sich über Zeit und Raum nicht anders hinweg als das wache Denken… weil es… eine Form des Denkens ist (S.A063 Sigmund Freud II,86); daneben seit dem Mittelhochdeutschen
2 auf den wachen Zustand bezogen ›phantasierenIch glaube, du träumst (L003 Johann Christoph Adelung 1780), mit offenen Augen geträumt (Zimmermann; L059 DWb); dazu seit dem 17. Jahrhundert
sich etwas nicht träumen lassenetwas nicht für möglich halten‹, zunächst auch mit Dativ; pleonastisch die feste Verbindung Ich träumt in seinem Schatten / So manchen süßen Traum (W.Müller, ›Am Brunnen vor dem Tore‹; A319 Karl Otto Conrady 269), häufig passivisch die schönsten träume von freiheit werden ja in kerkern geträumt(Schiller; L059 DWb) bzw. präfigiert Natur! ich hab ihn ausgeträumt, von Menschendingen den Traum (A131 Friedrich Hölderlin, Hyperion 159); seit dem 17. Jahrhundert positiv
2.1wünschenich wacht' und ich träumte / von der kühnen fahrt (Klopstock; L059 DWb); seit dem 17. Jahrhundert, reich belegt seit dem 18. Jahrhundert
2.2geistesabwesend seinsie traumen an der taffel (Gryphius; L059 DWb), fest mit adverbialer Ergänzung Walpurga… träumte vor sich hin(Auerbach; L059 DWb);
verträumen (L308 Kaspar Stieler), ›(Zeit) vertunEr hat sein Glück vertreumet (ebenda), im Partizip Perfekt verträumtgeistesabwesendsein blick irrte verträumt in die… unendlichkeit (Viebig; L059 DWb), attributiv so manche verträumte Stunde; heute auch allgemeiner ›anheimelnd, idyllisch‹, auch spöttisch zur Bezeichnung weltferner Abgelegenheit: ein verträumtes Städtchen;
Träumer ahd. troumari, mhd. troumære; selten zu Traum(1): ›Ich weiß nicht… wo ich bin‹… ›In Fehrbellin, du sinnverwirrter Träumer‹ (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Homburg 1,4); zu Traum(2) häufig negativ da geht der närrische Träumer (L033 Joachim Heinrich Campe), vom Lebensuntüchtigen.
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