Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
tot
ahd. / mhd. tot, gemeingermanisches Partizipialadjektiv (got. dauþs, engl. dead) zu mhd. touwen (↑ "Tod"), also eigentlich ›gestorben‹;1.1 Gegensatz lebend, auf den Menschen bezogen ich wolt lieber tod sein denn leben (A180 Martin Luther, Jona 4,3), Todt ist nun, die mich erzog und stillte (A131 Friedrich Hölderlin, An die Natur), todter Korper (L308 Kaspar Stieler); in festeren Verbverbindungen prädikativ bzw. als Bestimmungswort: Kain… schlug jn tod (A180 Martin Luther, 1.Mose 4,8), übertragen die zeit, die langeweile totschlagen (L059 DWb), dazu Totschlag (mhd. ) – juristisch Gegensatz zu ↑ "Mord" – vom nicht vorsätzlichen Umbringen, totmachen (L308 Kaspar Stieler) zumeist auf Tiere bezogen (vgl. L004 Johann Christoph Adelung), heute reflexiv umgangssprachlich auch ›sich nicht schonen‹, häufig negiert: Von elf bis um sieben Uhr abends ist der Zivi zur Stelle. Er macht sich nicht tot, aber was er macht, verhilft… zu einem guten Leben(1990 Spiegel, Nr. 37,45), Man sagt ihn todt… man sagt, daß er… gestorben… sey (L003 Johann Christoph Adelung 1780), totgehen"S109" kindersprachlich gleichbedeutend ↑ "sterben" (19. Jahrhundert; L177 Heinz Küpper), v. a. norddeutsch (L322 UWb), ↑ "mausetot";
1.2 in vielfachen Übertragungen: ›abgestorbentodter Baum (L308 Kaspar Stieler), todte/ erfrorne Glieder (ebenda); zum Ausdruck von Leere: das Tote Meer (1350; L320 Trübner) in dem kein Leben möglich ist, geistlich/ sittlich todt seyn (L169 Matthias Kramer), totes Gestein (Goethe; L059 DWb) ›wertlos‹; seit dem Mittelhochdeutschen ›erledigt sein‹, bei L200 Josua Maaler im Kompositum Ich bin ein Todtermann »Es ist vmb mich vß und gethan«, bürgerlich tot (Raabe; L320 Trübner); totschweigenübergehen‹; todte Farbe »eine matte, welche weder Glanz noch Lebhaftigkeit hat« (L003 Johann Christoph Adelung 1780), Todte Augen »welche weder Geist noch Leben verkünden« (ebenda), zum Ausdruck von Einsamkeit ein todter Ort, todte Gasse(ebenda), hierher auch toter Winkel (L144 Johann Karl Gottfried Jacobsson 1784) ursprünglich im Festungsbau, heute zumeist auf die Rückspiegel beim PKW bezogen; tote Sprachen (›nicht mehr gesprochene‹) (Goethe, Xenien), totes Kapitalnicht zinsträchtig‹ (1750; L059 DWb); bei der Eisenbahn totes Gleis, das nicht befahren wird, heute auch in der Elektrik ›nicht angeschlossen‹: tote Leitung, totes Telefon; ›getarnt‹: Die Ostdeutschen haben sich in Schweden ertappen lassen mit vergrabenen Radiosendern und toten Briefkästen (U.Johnson, Jahrestage 3,1199); als Bestimmungswort hyperbolisierend ›sehr‹, im 18. und 19. Jahrhundert noch unfest: sich todt arbeiten… gramen… lachen.. saufen (L169 Matthias Kramer). Substantivisch
Tote(r) Stehe auff von den Todten (A180 Martin Luther, Epheser 5,14), nach Matthäus 8,22 als Mahnung, Gegenwart und Zukunft zu gewärtigen: Begrabt sie nur, ihr Todten, eure Todten(A131 Friedrich Hölderlin, Der Jüngling an die klugen Rathgeber); in Zusammensetzungen genitivisch: totenblaß, totenstill etc.;
Totenbaum(frühnhd.), ⇓ "S214" südwestdeutsch veraltet ›Sarg‹ (ursprünglich aus einem ausgehöhlten Baumstamm);
Totengräber (mhd. ); übertragen auch ›Zerstörer‹;
Totenkopf (1468 toten kopff; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ›Schädel eines Skeletts‹; als militärisches Abzeichen die schwarzen husaren mit dem totenkopf (Freytag; L059 DWb), danach im ⇓ "S145" Nationalsozialismus auf die SS bezogen, bei P.A276 Peter Weiss wortspielend mit ihrer perversen Aufgabe verbunden ein Trupp der schwarzen Totengräber, den Totenkopf an der Mütze (Ästhetik I,22);
Totenuhr nach dem Volksglauben ›Holzwurm‹ (dessen Ticken in der Wand den Tod ankündigt);
töten ahd. toden, mhd. tœten, tœden, gemeingermanisches ⇓ "S107" Faktitivum zu tot (s. oben); ohne Objekt in der ethischen Grundmaxime Du solt nicht tödten (A180 Martin Luther, Matthäus 5,21), übertragen ›vernichtenDenn der Buchstaben tödtet (A180 Martin Luther, 2.Korinther 3,6); hyperbolisierend Der Durst wil mich toden (L200 Josua Maaler), Ein strenger blick tödtet die worte auf meiner zunge (Klinger; L059 DWb), heute
wenn Blicke töten könnten; dazu abtöten, "ertöten".
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