Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Tor
1"S087" Mask. , mhd. tor(e), mittelniederdt. dore, stammverwandt ⇑ "dösig", "Dusel", anfangs also ›ein Benommener, Umnebelter‹, auch ›geistig Gestörter, Debiler‹: die den geprechen an der sel habent von gepurt, daz seint die natürleichen toren(Konrad von Megenberg; L059 DWb), auch ›Unvernünftiger, DummerDa steh ich nun, ich armer Tohr, Und binn so klug als wie zuvor (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Urfaust Nacht); »Seine Handlungen können sehr ernsthafte Folgen haben, so daß wir über ihn [im Gegensatz zum Narren] nicht lachen können« (L033 Joachim Heinrich Campe); in der Moderne noch literarisch: Der Tor und der Tod (1893 A130 Hugo von Hofmannsthal, Dramentitel). Das zugehörige Adjektivtöricht (mit anderem Suffix törig, besonders bei Goethe), mhd. toreht, tœreht, meist nur abgeschwächt ›unklug, unvernünftig‹: Aber fünff vnter jnen waren töricht / vnd fünff waren klug (A180 Martin Luther, Matthäus 25,2); im 18. Jahrhundert noch viel gebraucht, verklingt im 19. und 20. Jahrhundert, heute, sofern nicht zitathaft mit Bezug auf die törichten Jungfrauen, zumeist gehoben.
2"S087" Neutr. (ahd. ), verwandt mit ↑ "Tür";
1Öffnung zum Ein-/ Ausgehen oder -fahren‹, kurz für Stadtor: im wart daz tor uf getan(Iwein; L059 DWb), vors Thor hinausspatziren (L169 Matthias Kramer), biß an die Thore von Brüssel(ebenda); Eingang eines Hauses, einer Scheune etc.: die Flügel eines Thors (L305 Christoph Ernst Steinbach), heute auch auf Einfahrten großer Fabrikanlagen bezogen bzw. auf die Sperrvorrichtung bei Schleusen; in der festen Verbindung Tür und Tor (↑ "Tür");
vor den Toren stehen wenn etwas unmittelbar bevorsteht, Tor zum Leben, zum Glück, zum TodSchwelle‹; auf Naturerscheinungen bezogen es öffnet sich schwarz ein schauriges [felsen-]thor (Schiller; L059 DWb);
2 seit früherem 20. Jahrhundert im ⇓ "S205" Sport
2.1Gehäuse, in das bei Mannschaftsspielen der Ball, Puck u.ä. gebracht werden muß‹ (L396 ZADS1903,170): ein Tor schießen (L320 Trübner), dazu im Begeisterungsausruf Tor! wenn ein solches gefallen ist;
2.2 (Ski) beim Slalom ›zwei die Durchfahrt markierende Stangen‹.
Torschluß (um 1750) historisch ›das Schließen der Stadttore‹,
kurz/ noch vor Torschluß (z. B. A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 13.2.18) ›im letzten Augenblick, wo es höchste Zeit ist‹;
Torschlußpanik (L056 Duden 151961) ›Angst, etwas zu versäumen‹.
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