Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Ton
1"S087" ahd. thaha, mhd. dahe, tahe (Fem. ), gemeingermanisch (got. þaho), verwandt ↑ "dicht", urverwandt litauisch tánkus; das -n aus den obliquen Kasus in den Nominativ gedrungen; Bezeichnung einer Erdart, als Material der bildenden Kunst: in thon oder in andere materie zu arbeiten (Winckelmann; L059 DWb); seine Formbarkeit Übertragungsmotiv: wie der Thon… in des Töpffers hand / … seid… jr… in meiner hand (A180 Martin Luther, Jeremia 18,6).tönern (17. Jahrhundert), gebildet wie "eisern", 1"ledern", aus ahd. thahin, frühnhd. thönen; donerne Gefaße (L308 Kaspar Stieler);
Koloß auf tönernen Füßen(nach Daniel 2,31) ›nicht tragfähig‹.
2"S087" mhd. don < ⇓ "S120" lat. tonus und mit einem einheimischen Wort (zu mhd. dunendröhnen‹) zusammengeflossen; zunächst
1Geräusch, Klang‹: Das Chaos, wo der Ton begraben / In ehrner Todtenstille (A131 Friedrich Hölderlin, Der Aristokrat), Vielwillkommner Ton / Der Muttersprach' in einem fremden Lande! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Iphigenie 2,2); daneben
2"S141" auf den musikalischen Klang bezogen, zur Zeit der Minne- und Meistersinger ›Melodie eines Liedes‹, von Musikinstrumenten er videlte süeze dœne(Nibelungenlied; L059 DWb), Vnd der Posaunen dohn ward jmer stercker (A180 Martin Luther, 2.Mose 19,19), den Ton schwellen, heben (L033 Joachim Heinrich Campe), das schöne All der TöneHarmonie‹ (Schiller), süsse Leier!… wie fern her kommt mir dein Ton… von den Teichen der Liebe (A200 Friedrich Nietzsche, Zarathustra 399), von der menschlichen Stimme Wer kann… seinen [des Sängers] Tönen widerstehen? (A222 Friedrich Schiller, Die Macht des Gesanges); heute bei Rundfunk, Fernsehen, Film: Der Ton ist gestört; speziell musikalisch
2.1 von der einzelnen akustischen Schwingung, Gegensatz ↑ "Klang": töne… sind etwas reines und gleichartiges(A.W.Schlegel; L059 DWb),
den Ton angebenbestimmen, prägen‹: hauptfiguren, die den ton angeben (F.Schlegel; L059 DWb), mehrdeutig auf das Musikgenie bezogen: Wer hat zu seinen Zeiten… den Ton angegeben:.. Mozart oder die flachen Dutzendmenschen? (A124 Hermann Hesse, Steppenwolf 192); daneben auch
2.2Intervall‹, gantzer… halber Thon (L169 Matthias Kramer), um einen Ton höher/ tiefer; bis zum 17. Jahrhundert auch
2.3Tonart‹, harter TonDur‹, weicher TonMoll‹; daran mittelhochdeutsch anschließend
3 auf das gesprochene Wort bezogen, seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, speziell
3.1Akzentdie stimm oder don der sylben (L037 Petrus Dasypodius), indem sie beyde [Selbstlauter und Mitlauter] … nur in der Dauer des Tones unterschieden sind (L091 Johann Christoph Gottsched, Sprachkunst 83), der Sylben-Tohn, nach der Grammatik (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch), dazu Wortton, Satzton, Hauptton, Nebenton, Hochton, Tiefton; ↑ "betonen"; allgemeiner
3.2Wort‹, häufig negiert keinen Ton reden (G.A111 Gerhart Hauptmann, Biberpelz 12), vor Erkältung keinen Ton hervorbringen können (L320 Trübner); von der Sprechstimme
3.3 als Ausdruck der Gemütsverfassung bzw. appellierend auf die Redeweise bezogen, immer einerley Ton, in der Rede (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch), Etwas in einem befehlenden… kläglichen Tone sagen (L003 Johann Christoph Adelung 1780), in den Ton eines Predigers verfallen(L033 Joachim Heinrich Campe); im Sinne von ›Stimmungton meiner seele (Herder; L059 DWb); speziell auf den Dialog bezogen der Ton seiner Unterhaltung gefiel mir gar nicht (Knigge; ebenda), einen andern Ton ausbitten(F.S.Hügel; ebenda); daneben seit dem Mittelhochdeutschen, im 18. Jahrhundert reich belegt
3.4Ausdruck, Inhalt‹: der ton einer solchen fabel sey… vertraut und interessant (Eschenburg; ebenda), auch ›Art und Weise‹: im tone des herzigen volkslieds(Schubart; ebenda); verallgemeinert auf den gesellschaftlichen Umgang bezogen
3.5 »das ganze äußere Betragen in der menschlichen Gesellschaft« (L003 Johann Christoph Adelung 1780): es gehöre zum guten Tone, nicht einmal zu wissen, wer mit uns in demselben Hause wohnt (Knigge; L059 DWb); seit der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Malerei
4 »von den Farben und deren Verhältniß gegen einander« (L003 Johann Christoph Adelung 1780), in der festen Verbindung Ton in Ton von ähnlichen, miteinander harmonierenden Farben.
Halbton (18. Jahrhundert) ⇓ "S141" musikalisch da eine chromatische octave 12 halbtöne hat (Jacobsson; L059 DWb); übertragen ›Unstimmigkeitist ein… halbton… zwischen alte harmonien zweier wesen… durchgedrungen (Jean Paul; ebenda);
Tonart (1735 Matthesson; ebenda); zunächst auch allgemeiner die herrschende melodie war… von den tonarten aller übrigen völker weit verschieden (Schubart; ebenda); speziell ›Dur, Moll‹: Eine harte Tonart, dur, zum Unterschiede von der weichen, moll (L003 Johann Christoph Adelung 1780); seit dem 19. Jahrhundert übertragen zu Ton(3, 4);
Tondichter (1639; L059 DWb) »Komponist« (Campe 1795), heute gehoben; vgl. "Tondichtung" (↑ 2"dichten");
Tonfall (1764 Klopstock; L059 DWb); zumeist ⇓ "S027" übertragen auf die menschliche Stimme ›Art und Weise des Sprechens‹;
Tonfilm (L298 Sprach-Brockhaus 1935) »Film mit Tonstreifen, der passende Klänge, Begleitgeräusche und meist auch Reden bietet« (ebenda);
Tonkunst (1660; L213 MLN39,356) ›Musik‹;
Tonkünstler (L308 Kaspar Stieler);
Tonleiter (1. Hälfte des 18. Jahrhunderts) ›regelmäßige Abfolge von Tönen in einer Tonart‹; übertragen wie Skala: tonleiter der weltbegebenheiten (Herder; L059 DWb);
Tonsetzer (1776; L059 DWb) ⇓ "S125" Lehnübertragung ›Komponist‹, Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, Untertitel von Th.Mann, ›Doktor Faustus‹, heute veraltend;
tönen mhd. dœnen; der Bedeutungsentwicklung von Ton(s. oben) entsprechend
1klingen, schallen‹, dazu ertönen, ›nachhallenes thont noch in meinen Ohren (L305 Christoph Ernst Steinbach); speziell
2 in musikalischem Sinn Tonende seyten (L200 Josua Maaler), lasz zuletzt / nur Günthers leyer wieder tönen (Gottsched; L059 DWb), transitiv Von dem Dome / Schwer und bang, / Tönt die Glocke / Grabgesang (A222 Friedrich Schiller, Glocke); zu Ton(3) auf die menschliche Stimme bezogen
3in bestimmter Art und Weise reden‹, verächtlich ›angebenschwarm tönender worthelden(Herder; L059 DWb), auch ›feierlich redender tönende redner aus Pylos (G.A.Bürger; ebenda); seit Mitte des 18. Jahrhunderts
4 zu Ton(4) ›eine Farbe verändern‹, dazu abtönen; häufig im Partizip Perfekt vier stuckwände, gelblich getönt (Fontane; ebenda);
Tönung zu tönen(1, 2) 15. Jahrhundert, seit Ende des 18. Jahrhunderts selten; zu tönen(4) seit Ende des 19. Jahrhunderts (vgl. ebenda).
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