Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Text
(mhd. ) < lat. textus›Aufeinanderfolge, Zusammenhang; Gefüge einer Schrift‹, mittellat. ›Text des Evangeliums‹, eigentlich ›Gewebe‹ (zu lat. texere, textum ›weben‹, ›flechten‹).1.1Wortlaut der BibelNu wil ich deme texte na / Gen in disem buche vort (vor 1350 Poetische Paraphrase des Buches Hiob; H.O.Spillmann s. unten Kontext); den Text und nit die glos (um 1380; L081 FWb), dazu (veraltend)
jmdm. den Text lesenkritisieren, einen Verweis erteilen‹: um ihm den Text zu lesen wegen seines betragens gegen Sch. (Lessing; L059 DWb); danach
1.2originaler Wortlaut einer Dichtung, Urkunde usw.‹: verderbung des textes (Liscow; L059 DWb), Urtext; eingegrenzt
2.1 »Wort eines Gesangs, so vnter die notten geschriben« (S.L261 Simon Rot 1571), mhd. wort und wise, der text ist der noten seele(Mathesius; L059 DWb); sobald sie [das Lied] geendet fragt ich dem texte nach (Goethe; ebenda), Operntext, Liedtext, Textbuch (s. unten); hieraus entwickelt
2.2 »sprachliche Erläuterung.. zu einer Abbildung« (L337 WdG), Gegensatz ↑ "Bild", bzw. heute in der Werbung einen Text (zu einer Abbildung, Grafik u.ä.) machen, Werbetext (s. unten texten, Texter, Texterin); erweitert zu
3thematisch-inhaltliche Folge einer Schrift oder Rede‹: So stehet es auch zum hefftigsten vnsauber, wenn allerley Lateinische, Frantzösische, Spanische und Welsche wörter in den text vnserer rede geflickt werden (A203 Martin Opitz, Poeterey VI.Cap.); übertragen ich denke, ist der alleinige text der nationalen psychologie, aus welchem sie ihre ganze weisheit auswickeln solle (I.Kant; L059 DWb); eingegrenzt zu
4Gegenstand, Thema einer Rede, Unterhaltung usw.‹, schon in den Fastnachtsspielen (L059 DWb) belegt, und bei diesem anlasz kam er sehr tief in text(Goethe; ebenda), heute (schon bei Fischart Item ferner im text; L320 Trübner) v. a. eher umgangssprachlich
⊚⊚ weiter im Text! eine Aufforderung, mit etwas fortzufahren, auch (veraltet) aus dem Text geraten;
5 als ⇓ "S208" linguistischer Terminus: Text bezeichnet eine begrenzte Folge von sprachlichen Zeichen, die in sich kohärent ist und die als Ganzes eine erkennbare kommunikative Funktion signalisiert (K.Brinker, Linguistische Textanalyse 1985,17), Textsorte (s. unten), Textlinguistik. M.Scherner, »Text«. Untersuchungen zur Begriffsgeschichte, L001 ABG 39,1996,103ff. Zu Text(5)
Textualität linguistisch beschrieben im Sinne von »Texthaftigkeit als Bedingung für die Konstitution von Text oder als spezifische Seinsweise eines Textes« (L189 Theodor Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch. 3, 1000), dazu
Intertextualitätdurch sprachliche Mittel hergestellter Bezug eines Textes zu einem anderen Text‹, als literarische Technik im Sinn einer produktiven Rezeption z. B. durch stilistische, kompositorische, erzähltechnische u. a. Anspielungen; vgl. Broich/ Pfister, I. 1985; zu Text(3)
Klartext zunächst fachsprachlich (1934; L081 FWb) »nicht chiffrierter Text« (L337 WdG), so heute auch in der ⇓ "S043" Computersprache (P.L219 Peter Müller 101988); übertragen
⊚⊚ (im) Klartext (reden)deutlich, verständlich, offen (reden)‹: Diese Gesellschaft ist zu Opfern bereit, die Politiker müssen nur Klartext reden (Mannheimer Morgen 18.10.1995), knapp 700 000 Tonnen Sonderabfälleim Klartext Giftmüll(Neues Deutschland. 22.1.1990); zu Text(5)
Kontext < lat. contextusZusammenhang der Rede, einer Schrift‹, in dieser Bedeutung auch im Deutschen: Du must allhie den gantzen context, ein wort beym andern, im gedechtnuß haben (1524 T.Müntzer; Spillmann, s. unten); L031 Joachim Heinrich Campe 1801 »die Redeverbindung«; im Sinne von »textuelle Umgebung einer sprachlichen Einheit« (L081 FWb) Fachwort der neueren Linguistik, dafür auch
Kotext (1970; L189 Theodor Lewandowski); Kontext dann in der fachwissenschaftlichen Bedeutung ›situationelle Umgebung‹. H.O.Spillmann, Zur Wortgeschichte… von Textund Kontext. In: Deutscher Wortschatz. Festschrift für L.E.Schmitt 1988,200ff.  
Textbuch (z. B. der Oper) er reichte mir sein textbuch zum mitnachlesen (Goethe; L059 DWb);
Textkritik »philologische Methode der Geistes-, Rechts- und Religionswiss. zur krit. Prüfung solcher Texte, deren Authentizität nicht gesichert ist« (L289 Günther und Irmgard Schweikle) seine [Lachmanns] textcritik (1851 J.A089 Jacob Grimm, Kleinere Schriften 1,152);  
Textsorte seit den 1970er Jahren textlinguistischer Beschreibungsterminus zur Bestimmung und Klassifizierung der Merkmale von Texten in Abhängigkeit von ihrer pragmatischen Funktion, Bedingungen ihrer Entstehung etc.; E.Gülich / W.Raible, Textsorten – Differenzierungskriterien aus linguistischer Sicht, 1972;  
texten (1963; L081 FWb) zumeist in der Werbe- und Schlagerbranche ›einen Text (zu einer Melodie, einer Grafik u.ä.) verfassen‹, dazu betexten und
Texter,
Texterin (1955; L081 FWb);
textlich von A.L089 Alfred Götze, Frühneuhochdeutsches Glossar ohne Nachweis gebucht: »dem Text (der heiligen Schrift) gemäß«, dann bei L264 Daniel Sanders in allgemeiner Bedeutung.
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