Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
streichen
ahd. strihhan, mhd. strichen, altgermanisches starkes Verb (engl. strike), urverwandt lat. stringere, altslaw. striga ›scheren‹; ›gleitend berühren‹,1 transitiv bis ins 18. Jahrhundert ›schlagen‹: jmdn. mit Ruten streichen, bei Luther auch so euch jemand in das Angesicht streichet; mit dem Akkusativ des Resultats Ziegel streichen (L308 Kaspar Stieler), auf das Auftragen bezogen eine Wand, den Fußboden streichen (mit Farbe, Öl); veraltend: Er streicht eine gute Viol (L308 Kaspar Stieler), dazu Streichinstrument; seit dem Mittelhochdeutschen die Segel, die Flagge streichen, übertragen ›aufgeben‹: Das Glucke muß nun mehr vor dir den Segel streichen (Hofmannswaldau; L305 Christoph Ernst Steinbach); etwas streicheneinen Strich durch etwas machen‹ (zum Zeichen der Ungültigkeit), eine Stelle streichen, einen Posten in einer Rechnung streichen (L033 Joachim Heinrich Campe), auch ›etwas aufgeben, auf etwas verzichten‹: was alle welt längst aus dem reiche der möglichkeit gestrichen hatte (H.R.C.Laube 1875; L059 DWb); mit Richtungsbezeichnung Butter auf das Brot, Schminke auf die Wangen, Kalk in die Fugen streichen, dazu Brot streichen/ bestreichen; andererseits sich das Haar aus dem Gesicht, den Schweiß von der Stirn streichen, auch ein Messer streichenwetzen‹; auf Gefäße u.ä. bezogen im Partizip Perfekt gestrichenrandvoll gefüllt‹, Gegensatz gehäuft: Ein gestrichener Scheffel (L033 Joachim Heinrich Campe); nicht allgemein üblich sich streichensich davonmachen, sich drücken‹: ich strich mich in der Stille aus dem Gefängnis(Musäus);
2 intransitiv; ohne Objekt mit der Hand über das Gesicht streichen; danach wohl ähnlich wie "streifen" schon althochdeutsch ›sich über/ an etwas hin bewegen‹, dann überhaupt ›sich fortbewegen‹ (Perfekt mit sein); neuhochdeutsch eingeschränkt, von Menschen und vierfüßigen Tieren für eine Fortbewegung ohne bestimmte Richtung: durch das Land, durch den Wald streichen, umherstreichen (dazu "Landstreicher"), auch ›lauernd umkreisen‹: um den Tisch streichen; veraltet ›verfolgen‹: alle Männer strichen hinter ihnen her im Streit (Luther); von Vögeln und Fischen, insbesondere von Tieren, die auf Begattung ausgehen (vgl. L003 Johann Christoph Adelung 1780); von leblosen Gegenständen ›gleiten‹: das Schiff streicht durch die Wellen, es streicht ein Windlein durch die Bäume (L169 Matthias Kramer); im Süddeutschen übertragen in der Wendung (sich) die Füße, Schuhe abstreichen(sich) die Füße, Schuhe abputzen‹ (↑ "putzen"); dazu ⇑ "Strich", "anstreichen", "ausstreichen", "verstreichen".
Streichholz (1877; L059 DWb), ⇓ "S159" norddeutsch, süddt. Zündholz, österr. auch ↑ "Zünder" (L171 Paul Kretschmer 503, L048 DWAIII; L066 Jürgen Eichhoff, Karte 75);
streicheln (1510; L059 DWb), ⇓ "S099" Iterativum zu ahd. streichon, mhd. streichen (engl. stroke); ›streichen‹ mit dem Begriff der Liebkosung: lasz dich streichlen, lasz dich küssen (Weise; L059 DWb);
Streich (mhd. ); zunächst
1Schlag‹, dazu Rutenstreich, "Backenstreich", auch ↑ "spornstreichs"; von einem Hieb mit Schwert, Axt, Hammer usw., übertragen ›Anschlagwas für ein neuer Streich auf mein gebeugtes Haupt (Lessing), dir hat ein derber Streich das schönste Lebensglück entrissen (Goethe); von der Verwendung für den Fechterstreich ausgegangen
2etwas unerwartet Unternommenes‹: jmdm. einen Streich spielen »durch eine List hintergehen« (L003 Johann Christoph Adelung 1780), dazu "Handstreich", "Staatsstreich"; übertragen ›im Stich lassenWenn uns nur das Wetter keinen Streich spielt (1902; L320 Trübner); verallgemeinert
3Neckerei, Schabernack‹ (seit dem 18. Jahrhundert): dummer, toller, schlechter Streich: Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich (W.A033 Wilhelm Busch, Max und Moritz), Knabenstreich, Studentenstreich, Schwabenstreich. Zu Streich(2)
Geniestreich Die englische Metapher »Strokes of Genius« kann der Deutsche nicht durch »Genie-Streiche« geben, sondern er muß dafür »Genie-Blicke« gebrauchen L372 Johann Christoph Adelung, Styl 1,406.
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