Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
steigen
ahd. stigan, mhd. stigen, indogermanisch (griech. steíchein, vgl. lat. ve-stigium); anfangs ›schreiten‹ (noch z. T. in Ableitungen);1 im Germanischen auf das Auf- oder Abwärtsschreiten beschränkt, für letzteres nur in Verbindung mit einer Richtungsbezeichnung: in eine Grube, vom Berg, ins wasser steigen(1556; L059 DWb), dazu "absteigen"; ohne eine solche versteht sich die Richtung aufwärts von selbst, transitiv eine Stiege steigen (L169 Matthias Kramer); übertragen auf die kanzel steigen (Frisius; L059 DWb), auf den thron steigen (17. Jahrhundert; L059 DWb), ↑ "aufsteigen"; ohne den Begriff der Niveauveränderung ›gehen‹ (mhd. ) »wo der Begriff der Höhe oft in der bloßen Erhebung der Beine liegt.. im Scherze« (L003 Johann Christoph Adelung 1775), dazu nachsteigen; dann übertragen
1.1 auf jede aufwärts gehende Bewegung, Gegensatz "sinken", "fallen", aus den Wiesen steiget / Der weiße Nebel wunderbar (A037 Claudius, Abendlied); seit dem Frühneuhochdeutschen ›sich erhebenda das apenninisch gebirg erstlich in die hohe steiget (1606; L059 DWb), dazu ansteigen; ›fliegeneiner steigenden raqueten verglichen(1677; L059 DWb), seit frühem 20. Jahrhundert auf Flugzeuge bezogen in die luft gestiegen (1916; L059 DWb), speziell seit dem 18. Jahrhundert in der Verbindung Drachen steigen lassen; übertragen wem das bier… nit in kopff steiget (1571; L059 DWb), jmdm. auf das Dach steigen (17. Jahrhundert; L059 DWb) umgangssprachlich ›jmdn. zurechtweisen‹, etwas steigt jmdm. über den Kopf bei Überforderung (Börne; L059 DWb), zu Kopf steigen vom Eitlen; ›sich begebenDer Student steigt in das Examen (L320 Trübner), dazu einsteigen; ohne den Begriff der physischen Bewegung
1.2ein höheres Niveau erreichen‹, seit dem Althochdeutschen ›emporkommenunsere… muttersprache… , wie hoch sie… gestiegen (Zesen; L059 DWb), dazu seit dem 17. Jahrhundert speziell ›an Wert gewinnen‹: das gold steiget und fällt (Harsdörffer; L059 DWb), die Actien steigen oder fallen (L297 Sperander 1727), allgemeiner ›sich erhöhendie Preiße steigen (L169 Matthias Kramer), übertragen in der Achtung, Gunst steigen (19. Jahrhundert; L059 DWb); ohne den Begriff des Wertes die wasser steigen vierzig tag (Fischart; L059 DWb), das Barometer ist um zwey Grad gestiegen (L003 Johann Christoph Adelung 1775), das Fieber steigt (1810ff.; L059 DWb), fest in der Verbindung in steigendem Maße (L320 Trübner); auf die sinnliche Wahrnehmung bezogen seit dem Mittelhochdeutschen von Tönen, Melodien ›schwellen‹; auf den Geruchssinn bezogen: den widrigen geruch, der uns… in die nase steigt (Breitinger; L059 DWb); wohl erst neuer Die Stimmung… ist… gestiegen (1936; L320 Trübner); umgangssprachlich
2stattfinden‹, zunächst studentensprachlich (1875; L115 Helmut Henne/ L115 Georg Objartel 3); dazu ⇑ "Steg", "Stegreif", 1"Stiege", "steil", "umsteigen", "versteigen".
Steigbügel (1581; L059 DWb) für älteres "Stegreif",
Steigbügelhalter (1721 Thomasius) ›jmd. , der unter eigener Zurücksetzung jmdm. bei seiner Karriere hilft‹, häufig im Bereich der Politik;
Steige2"S087" (mhd. ) ›ansteigender Teil einer Straße‹ (wofür heute Steigung): gemächlich ritt er die lange Steige hinunter(Mörike); außerdem zuweilen ›Stiege‹;
Steiger mhd. stiger; ⇓ "S033" um 1500 ›Aufsicht führender Bergmann‹; ↑ "Aufsteiger";
steigern (mhd. ) ⇓ "S099" Iterativum zu mhd. steigen (schwach flektiert ›steigen machen‹, bis 16. Jahrhundert, ⇓ "S107" Kausativum zu mhd. stigen [s. oben]); anfangs
1den Preis erhöhen‹, daher seit dem 16. Jahrhundert bei Auktionen: steigeren/ Auffschlahe/ Mer auff ein ding bieten (L200 Josua Maaler), dazu ersteigern, "versteigern"; seit dem 18. Jahrhundert auch übertragen
2vergrößern‹, reflexiv häufig auf die Leistungsfähigkeit bezogen; speziell grammatisch ›den Komparativ bzw. Superlativ zu einem Adjektiv bildenEs müssen die Adjective… gesteigert werden können (L006 Johann Christoph Adelung, Lehrgebäude 1,640), entsprechend
Steigerung mhd. steigerunge.
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