Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Staat
Mask. , mhd. (14. Jahrhundert) < lat. status; ⇓ "S175" zunächst1 ›Stand‹ (bei L004 Johann Christoph Adelung noch als oberdeutsch verzeichnet): den Staat des Landes nicht verändern (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Egmont 2,1); unter Einfluß von franz. état (dt. Etat) und durch das Niederländische auch ›Stand der Einnahmen und Ausgaben‹, daher noch im 18. Jahrhundert Staat machen auf ›rechnen auf‹, auch ›Lebensunterhalt‹: den kostbaren Staat zu bestreiten, der einem königlichen Heerführer zukam (Schiller), dazu seit frühem 18. Jahrhundert großer Staat (L169 Matthias Kramer), jetzt umgangssprachlich ›Pracht, Putz‹: in vollem staate, und in tiefer ehrfurcht (Gellert; L059 DWb), mit etwas Staat machen, keinen Staat machen (L003 Johann Christoph Adelung 1780), Sonntagsstaat, Staatskleid, Staatskutsche, verstärkend Staatskerl; daneben
2 ›dienstbare Umgebung eines Fürsten‹, "Hofstaat"; im heutigen engeren politischen Sinn ›Ständevertretung‹ zunächst im Plural auf die Niederlande bezogen: jede Provinz hat ihre Staaten, ihre Landstände (Goethe), daher Generalstaaten ›(Gesamtvertretung der) Niederlande‹; daran anschließend seit dem 17. Jahrhundert (L284 Justus Georg Schottelius 1663) und – seit der Zeit der Französischen Revolution – zu einem nicht austauschbaren Grundbegriff für ein selbständiges politisches Gemeinwesen verfestigt (L086 GG6,25)
3 »die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen« (I.A153 Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft; AA 6,313), bei L003 Johann Christoph Adelung 1780 moralphilosophisch »Gesellschaft von Menschen, welche zur Beförderung ihrer Glückseligkeit unter dem gemeinschaftlichen Bande einer Regierungsform stehen«, daher sozialethisch gedeutet Mir kommt kein Besitz ganz rechtmäßig… vor, als der dem Staate seinen schuldigen Theil abträgt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lehrjahre I, 23,145); als Kollektivum »Land und Leute unter eines Regierung« (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch); territorial der Venedische Stat (L169 Matthias Kramer), Etwas ist faul im Staate Dänemark(Schlegel/ A239 William Shakespeare, Hamlet 1,4), die vereinigten [heute als Eigenname groß geschrieben] Staaten von Amerika »die zu einem Ganzen vereinigten Freistaaten in Nordamerika« (L033 Joachim Heinrich Campe); mit näheren Bestimmungen in festen Wendungen politischer Staat (1760; L086 GG5,579), unter dem Deckmantel des Stats-Bestens (L169 Matthias Kramer), zum Besten des Staates (L003 Johann Christoph Adelung 1780), obrigkeitlicher Staat (1868; L086 GG5,413), Wer… sich dem Staat zu dienen hat bestimmt, / … / … würkt am Wohl des Volks (Haller, Verdorbene Sitten), Für den totalen Staat gibt es keine Grenze seiner Herrschaftszuständigkeit wie seiner Herrschaftsmacht (1932; L086 GG6,93); in der begrifflichen Abgrenzung: Republique: ist das gemeine Wesen/ … / … Stat(1695 L307 Kaspar Stieler, ZeitungsLust), Staat und Volk in eins geben erst ein Reich (1810 Jahn; L086 GG5,490), es sinkt das vaterland herab zum staat (Stolberg; L059 DWb); ästhetisch idealisiert bei A222 Friedrich Schiller: Der Staat soll… auch den subjektiven und specifischen Charakter in den Individuen ehren… und… das Reich der Erscheinung nicht entvölkern (Ästhetische Erziehung; 20,317), In dem ästhetischen Staate ist Alles… ein freier Bürger (ebenda 412), bei A131 Friedrich Hölderlin ohne solche Liebe der Schönheit, ohne solche Religion ist jeder Staat ein dürr Gerippe ohne Leben und Geist(Hyperion 80); formelhaft Staat im Staate (L033 Joachim Heinrich Campe): Wie die Philosophen bei den Alten, so bilden die Künstler bei den Neuern einen Staat im Staate (1797/ 98 F.A223 Friedrich Schlegel, Fragmente I,1080). P.L.Weinacht, Staat 1968; fachsprachlich in der Zoologie, zumal von Ameisen- und Bienenvölkern (Voß; L059 DWb).
Staatsaktion
1 um 1700 bei den Wandertruppen übliche Bezeichnung eines politischen Stücks, jetzt am bekanntesten Haupt- und Staatsaktion, wobei Hauptaktion ursprünglich das Hauptstück des Abends im Gegensatz zu einem kleineren Nachspiel bezeichnet, dazu wohl
⊚ eine Staatsaktion aus etwas machen (L027 Büchmann 1912) ›aufbauschen‹; seit späterem 19. Jahrhundert
2 »eine handlung der regierung, welche wesentliche umänderungen im staatswesen zur folge hat« (1869; L059 DWb);
Staatsbürger Ein jedes Mitglied des Staats heißt ein Staatsbürger (G.F.Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems der Staatslehre, 1784, §133); im Zuge der Französischen Revolution dann für franz. citoyen (1789 Wieland),
Staatsbürgerschaft(L033 Joachim Heinrich Campe),
Staatsbürgerrecht (1836; L059 DWb);
Staatsgeheimnis (L169 Matthias Kramer); übertragen das ganze große Staatsgeheimnis der griechischen Litteratur (A121 Johann Gottfried Herder 1,290), häufig negiert
⊚ das ist doch kein Staatsgeheimnis ›das ist doch bekannt‹;
Staatsgewalt (L033 Joachim Heinrich Campe); in festen Verbindungen Ausübung der Staatsgewalt (1820; L086 GG5,376), widerstand gegen die staatsgewalt (L059 DWb);
Staatsmann (1677; L320 Trübner); ⇓ "S124" Lehnübersetzung von franz. homme d'état,
staatsmännisch (1814; L320 Trübner); lobend auf den weitsichtigen, weltgewandten Politiker bezogen;
Staatsmaschine 1785 Herder, als Vorstellung auf Hobbes' Leviathan zurückgehend (L181 Otto Ladendorf 298), im Sinn eines aus regelmäßig arbeitenden Teilen zusammengesetzten Mechanismus; dazu das Gegenbild
Staatsorganismus (1834 Leo);
Staatsräson (18. Jahrhundert) ⇓ "S124" Lehnübersetzung von franz. raison d'état ›das Staatswohl rechtfertigender Grundsatz‹;
Staatsreligion (1788 Wieland) »die öffentliche herrschende Religion in einem Staate« (L033 Joachim Heinrich Campe 1810), speziell Staatschristentum (1798 Herder);
Staatssache (L003 Johann Christoph Adelung 1780) ⇓ "S124" Lehnübersetzung von franz. affaires d'état, zumeist im Plural »Staatsangelegenheit« (ebenda), auch unpolitisch allgemeiner ›wichtige Angelegenheit‹;
Staatssicherheit allgemein verletzung der staatssicherheit (1798 I.Kant; L059 DWb); in der ⇓ "S045" DDR institutionalisiert Ministerium für Staatssicherheit (errichtet 1950), abgekürzt
Stasi Fem. , ⇓ "S198" der Bevölkerung das sichere Wissen gaben, den Häschern der Stasi am Ende doch nicht entkommen zu können (1990 Der Spiegel, Nr. 6,78), dafür u. a. im »Volksmund« Horch, Guck und Greif; Besser dem Volke vertrauen als auf die Stasi bauen (1989 Demospruch; E.L183 Ewald Lang 40), dazu Stasi-Apparat, Stasi-Spitzel, Stasi-Laus, ⇓ "S192" Stasisyndrom ⇓ "S231" eines der Wörter des Jahres 1991; siehe L131 H/ S/ T;
Staatsstreich anfangs ›Handlung zugunsten des Staates‹ (1689; L059 DWb); als ⇓ "S124" Lehnübersetzung von franz. coup d'état besonders seit 1848 wie "Revolte" ›Handlung wider den Staat‹, zumal von staatlichen Funktionären;
Staatswirtschaft (L003 Johann Christoph Adelung 1780) »zum Unterschiede von der Privat-Wirthschaft« (ebenda);
Staatswissenschaft »Erkenntniß der Einrichtung und Verwaltung eines Staates« (L003 Johann Christoph Adelung 1780);
staatlich vereinzelt frühneuhochdeutsch (L059 DWb), dann erst wieder 1796 (Goethe) zu Staat(1) ›stattlich, prächtig‹ (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 12.2.03); im heutigen Sinn zu Staat(3) (L033 Joachim Heinrich Campe 1810), dazu ↑ "verstaatlichen".
2 ›dienstbare Umgebung eines Fürsten‹, "Hofstaat"; im heutigen engeren politischen Sinn ›Ständevertretung‹ zunächst im Plural auf die Niederlande bezogen: jede Provinz hat ihre Staaten, ihre Landstände (Goethe), daher Generalstaaten ›(Gesamtvertretung der) Niederlande‹; daran anschließend seit dem 17. Jahrhundert (L284 Justus Georg Schottelius 1663) und – seit der Zeit der Französischen Revolution – zu einem nicht austauschbaren Grundbegriff für ein selbständiges politisches Gemeinwesen verfestigt (L086 GG6,25)
3 »die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen« (I.A153 Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft; AA 6,313), bei L003 Johann Christoph Adelung 1780 moralphilosophisch »Gesellschaft von Menschen, welche zur Beförderung ihrer Glückseligkeit unter dem gemeinschaftlichen Bande einer Regierungsform stehen«, daher sozialethisch gedeutet Mir kommt kein Besitz ganz rechtmäßig… vor, als der dem Staate seinen schuldigen Theil abträgt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lehrjahre I, 23,145); als Kollektivum »Land und Leute unter eines Regierung« (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch); territorial der Venedische Stat (L169 Matthias Kramer), Etwas ist faul im Staate Dänemark(Schlegel/ A239 William Shakespeare, Hamlet 1,4), die vereinigten [heute als Eigenname groß geschrieben] Staaten von Amerika »die zu einem Ganzen vereinigten Freistaaten in Nordamerika« (L033 Joachim Heinrich Campe); mit näheren Bestimmungen in festen Wendungen politischer Staat (1760; L086 GG5,579), unter dem Deckmantel des Stats-Bestens (L169 Matthias Kramer), zum Besten des Staates (L003 Johann Christoph Adelung 1780), obrigkeitlicher Staat (1868; L086 GG5,413), Wer… sich dem Staat zu dienen hat bestimmt, / … / … würkt am Wohl des Volks (Haller, Verdorbene Sitten), Für den totalen Staat gibt es keine Grenze seiner Herrschaftszuständigkeit wie seiner Herrschaftsmacht (1932; L086 GG6,93); in der begrifflichen Abgrenzung: Republique: ist das gemeine Wesen/ … / … Stat(1695 L307 Kaspar Stieler, ZeitungsLust), Staat und Volk in eins geben erst ein Reich (1810 Jahn; L086 GG5,490), es sinkt das vaterland herab zum staat (Stolberg; L059 DWb); ästhetisch idealisiert bei A222 Friedrich Schiller: Der Staat soll… auch den subjektiven und specifischen Charakter in den Individuen ehren… und… das Reich der Erscheinung nicht entvölkern (Ästhetische Erziehung; 20,317), In dem ästhetischen Staate ist Alles… ein freier Bürger (ebenda 412), bei A131 Friedrich Hölderlin ohne solche Liebe der Schönheit, ohne solche Religion ist jeder Staat ein dürr Gerippe ohne Leben und Geist(Hyperion 80); formelhaft Staat im Staate (L033 Joachim Heinrich Campe): Wie die Philosophen bei den Alten, so bilden die Künstler bei den Neuern einen Staat im Staate (1797/ 98 F.A223 Friedrich Schlegel, Fragmente I,1080). P.L.Weinacht, Staat 1968; fachsprachlich in der Zoologie, zumal von Ameisen- und Bienenvölkern (Voß; L059 DWb).
Staatsaktion
1 um 1700 bei den Wandertruppen übliche Bezeichnung eines politischen Stücks, jetzt am bekanntesten Haupt- und Staatsaktion, wobei Hauptaktion ursprünglich das Hauptstück des Abends im Gegensatz zu einem kleineren Nachspiel bezeichnet, dazu wohl
⊚ eine Staatsaktion aus etwas machen (L027 Büchmann 1912) ›aufbauschen‹; seit späterem 19. Jahrhundert
2 »eine handlung der regierung, welche wesentliche umänderungen im staatswesen zur folge hat« (1869; L059 DWb);
Staatsbürger Ein jedes Mitglied des Staats heißt ein Staatsbürger (G.F.Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems der Staatslehre, 1784, §133); im Zuge der Französischen Revolution dann für franz. citoyen (1789 Wieland),
Staatsbürgerschaft(L033 Joachim Heinrich Campe),
Staatsbürgerrecht (1836; L059 DWb);
Staatsgeheimnis (L169 Matthias Kramer); übertragen das ganze große Staatsgeheimnis der griechischen Litteratur (A121 Johann Gottfried Herder 1,290), häufig negiert
⊚ das ist doch kein Staatsgeheimnis ›das ist doch bekannt‹;
Staatsgewalt (L033 Joachim Heinrich Campe); in festen Verbindungen Ausübung der Staatsgewalt (1820; L086 GG5,376), widerstand gegen die staatsgewalt (L059 DWb);
Staatsmann (1677; L320 Trübner); ⇓ "S124" Lehnübersetzung von franz. homme d'état,
staatsmännisch (1814; L320 Trübner); lobend auf den weitsichtigen, weltgewandten Politiker bezogen;
Staatsmaschine 1785 Herder, als Vorstellung auf Hobbes' Leviathan zurückgehend (L181 Otto Ladendorf 298), im Sinn eines aus regelmäßig arbeitenden Teilen zusammengesetzten Mechanismus; dazu das Gegenbild
Staatsorganismus (1834 Leo);
Staatsräson (18. Jahrhundert) ⇓ "S124" Lehnübersetzung von franz. raison d'état ›das Staatswohl rechtfertigender Grundsatz‹;
Staatsreligion (1788 Wieland) »die öffentliche herrschende Religion in einem Staate« (L033 Joachim Heinrich Campe 1810), speziell Staatschristentum (1798 Herder);
Staatssache (L003 Johann Christoph Adelung 1780) ⇓ "S124" Lehnübersetzung von franz. affaires d'état, zumeist im Plural »Staatsangelegenheit« (ebenda), auch unpolitisch allgemeiner ›wichtige Angelegenheit‹;
Staatssicherheit allgemein verletzung der staatssicherheit (1798 I.Kant; L059 DWb); in der ⇓ "S045" DDR institutionalisiert Ministerium für Staatssicherheit (errichtet 1950), abgekürzt
Stasi Fem. , ⇓ "S198" der Bevölkerung das sichere Wissen gaben, den Häschern der Stasi am Ende doch nicht entkommen zu können (1990 Der Spiegel, Nr. 6,78), dafür u. a. im »Volksmund« Horch, Guck und Greif; Besser dem Volke vertrauen als auf die Stasi bauen (1989 Demospruch; E.L183 Ewald Lang 40), dazu Stasi-Apparat, Stasi-Spitzel, Stasi-Laus, ⇓ "S192" Stasisyndrom ⇓ "S231" eines der Wörter des Jahres 1991; siehe L131 H/ S/ T;
Staatsstreich anfangs ›Handlung zugunsten des Staates‹ (1689; L059 DWb); als ⇓ "S124" Lehnübersetzung von franz. coup d'état besonders seit 1848 wie "Revolte" ›Handlung wider den Staat‹, zumal von staatlichen Funktionären;
Staatswirtschaft (L003 Johann Christoph Adelung 1780) »zum Unterschiede von der Privat-Wirthschaft« (ebenda);
Staatswissenschaft »Erkenntniß der Einrichtung und Verwaltung eines Staates« (L003 Johann Christoph Adelung 1780);
staatlich vereinzelt frühneuhochdeutsch (L059 DWb), dann erst wieder 1796 (Goethe) zu Staat(1) ›stattlich, prächtig‹ (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 12.2.03); im heutigen Sinn zu Staat(3) (L033 Joachim Heinrich Campe 1810), dazu ↑ "verstaatlichen".