Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
spekulieren
(1295; L081 FWb) < lat. speculari ›beobachten, erforschen‹; ursprünglich in der ⇓ "S142" Mystik auf das Verhältnis zu Gott bezogen ›sich verzückt in religiöse Betrachtung versenken‹; seit dem Frühneuhochdeutschen1 »Außspehen.. nachsinnen.. inn gedancken sitzen« (S.L261 Simon Rot), abwertend ›grübeln, deuteln‹: Ich speculire jetzt immer nur, was ich alles seltzames wölle (1611; L081 FWb); seit dem 17. Jahrhundert speziell ⇓ "S168" philosophisch ›durch bloßes Denken (er)forschen‹ (»mentis acumine indagare«, L308 Kaspar Stieler, Nachschuß): laß alles Sinnen sein / … / … ein Kerl, der spekuliert, / Ist wie ein Tier auf dürrer Heide (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,1828f.); auch allgemeiner ›auf etwas sinnen, etwas planen‹ [Er] speculirte… wie er doch mochte ein Bischoff werden (1712; L081 FWb); seit frühem 18. Jahrhundert
2"S106" kaufmannssprachlich »Handelsrechnungen anstellen, gewagte Geschäfte unternehmen« (L277 Alfred Schirmer, Kaufmannssprache), intransitiv Er speculirte stets (1719; L081 FWb), präpositional wir spekuliren (auf diese oder jene Waare)(1804; L277 Alfred Schirmer, Kaufmannssprache), allgemeiner
auf etwas spekulierenauf etwas rechnen‹, kleinere Nachbarhäuser zusammenzukaufen, um mit den Plätzen zu spekuliren(1854; L081 FWb); speziell auf den Handel an der Börse bezogen alles spekulierte, kaufte Papiere. Verkaufte(1925; ebenda).
verspekulieren (1837; L081 FWb) reflexiv, ›durch Spekulation verlieren‹, gleichzeitig auch übertragen Verzweiflung über ein verspeculirtes Leben (1837; L059 DWb);
Spekulation Fem. , mhd. speculacie < lat. speculatio ›Betrachtung‹; in der Form Spekulation Paracelsus 1536 (L081 FWb) < lat. speculationem; ursprünglich in der Mystik auf das Verhältnis zu Gott bezogen ›Verzückung‹; wissenschaftssprachlich
1 »Außspehung.. nachsinnung« (S.L261 Simon Rot), abwertend ›unwissenschaftliche Mutmaßung‹: schlecht Theoria vnnd Speculatio… ein tod vnd vnnützes ding (1575; L081 FWb), auch allgemeiner eigene Speculationen oder Träumereien (1770; L081 FWb), machten wir Spekulation, den Weg abzukürzen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 15.10.70); seit frühem 18. Jahrhundert
2 kaufmannssprachlich ›geschäftliches, hohe Gewinne versprechendes Wagnis‹, zumeist abwertend: Ihre sogenannten Speculationen bestehen in Wuchern und Betriegen (1798; L081 FWb); dazu Spekulationsgeschäft, Spekulationsobjekt, Spekulationspapier; Bodenspekulation, Grundstücksspekulation, dafür im 19. Jahrhundert Terrain- und Häuser-Speculationen (1877; L277 Alfred Schirmer, Kaufmannssprache);
Spekulant (1615; L081 FWb); bis ins 19. Jahrhundert spekulieren entsprechend auch ›Grübler, Philosoph‹, dann nur noch ›mit gewagten Geschäften nach hohem Gewinn trachtender Unternehmer‹, häufig abwertend ›skrupelloser Geschäftsmann‹: [die Börse] voller Spekulanten (1780; L277 Alfred Schirmer, Kaufmannssprache);
spekulativ (1701; L081 FWb) < mittellat. speculativus; zunächst
1 auf die Philosophie bezogen ›betrachtend‹, dazu spekulative Philosophie (1784 Sulzer; L081 FWb), allgemeiner ›mutmaßend‹; seit Anfang des 20. Jahrhunderts kaufmannssprachlich
2nach hohen Gewinnen trachtend‹: ein Hotel… von einem spekulativen Franzosen… erbaut (1900; L081 FWb).
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