Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
so
ahd. / mhd. so, gelegentlich auch sa (got. swa, swe, altnord. sva, altengl. swa, swæ), vielleicht aus dem Pronominalstamm, der ursprünglich den Nominativ Singular Mask. und Fem. des neuhochdeutschen Artikels lieferte (got. sa, so ›der‹, ›die‹); vgl. auch "sonst"; in den anderen germanischen Sprachen Formen mit -w-(got. swa, swe, altnord. sva, altengl. swa), ebenso ein vielleicht urverwandtes altlat. suad, lat. si ›wenn‹ (ursprünglich ›so‹, wie noch in lat. sic), aus einer erschlossenen indogermanischen Grundform *suod, eventuell Kreuzung aus dem Demonstrativpronomen *sodund dem Fragepronomen *kuod (1929 Horn; L164 Friedrich Kluge); deutsche Form vielleicht durch Assimilation des -w-an den Vokal (vgl. L320 Trübner); frühneuhochdeutsch zuerst L327 Voc.Teut.-Lat. (1482); mit der allgemeinen Bedeutung des Verweisens auf ein Element des Textes bzw. der Situation oder auf einen Aspekt einer Sache; zur Syntax vgl. L012 Otto Behaghel, Syntax 3,250ff.;1 Pronomen ›das im vorhergehenden oder folgenden Gesagte in der genannten Weise bzw. Formulierung‹ (schon mhd. ); als Statthalter für ein Objekt vor- oder rückweisend auf einen zuvor genannten oder in der unmittelbaren Folge erwähnten Satz oder Inhalt: Der Herr sprach zu Mose / Gehe hin ein zu Pharao / vnd sprich zu jm / So sagt der Herr / Las mein volck / das mirs diene (A180 Martin Luther, 2.Mose 8,1); Wir wollen in Fraw Venus Berg / So spricht Hans Sachs von Nuremberg (1517 A218 Hans Sachs, Fastnachtsspiele 109); so sagt man (L305 Christoph Ernst Steinbach); hierher der Gebrauch von Herr Soundso, Frau Sowieso (↑ "sowieso"[3]) als Ersatzwörter für nicht bekannte Namen: das ist ja der schauspieler herr soundso (Ludwig; L059 DWb); geh auf den berg soundso nicht weit von der stadt dortundda(Anzengruber; L059 DWb); hierher auch ↑ "sogenannt" und sozusagen ›gleichsam, gewissermaßen‹ (nach lat. ut ita dicam): wir riechen so zu sagen den schatten eines lieblichen duftes (Wieland; L059 DWb); Der Bauer ist auch ein Mensch –so zu sagen (A222 Friedrich Schiller, Wallensteins Lager 10.Auftritt); wohl an (1) anschließend schon althochdeutsch der konjunktionsartige Gebrauch als
2 Pronomen:
2.1 zur Einleitung des Hauptsatzes eines Konditional-, Temporal-, Kausal-, Final- oder Konzessivgefüges mit der Funktion der pronominalen Wiederaufnahme der durch die Nebensatzkonjunktion ausgedrückten Kategorie (Bedingung, Zeit, Grund, Zweck, Folge) ›dann, da, darum, deshalb, dennoch‹: Wenn du aber Almosen gibst / So las deine lincke hand nicht wissen / was die rechte thut (A180 Martin Luther, Matthäus 6,3); wenn man will klug seyn, so muß man sich der Weltweisheit befleißigen (L305 Christoph Ernst Steinbach); Ja wenn ich kalt aaß / so nisete ich (A095 Andreas Gryphius, Horribilicribrifax 7,56); Da nun also das Einreißen und Aufrichten allmalig geschah, so hatte mein Vater sich vorgenommen, nicht aus dem Hause zu weichen (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 24,20 LH); ob ich gleich nit bin reich an gut, / so bin ich aber reich an tugend (Sachs; L059 DWb); vgl. auch: Was nun Sie betrifft, so waren Sie ja wohl immer ziemlich bleichsüchtig, nicht? (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 255); im konditionalen und temporalen Sinne auch ohne Nebensatzkonjunktion: Bistu Gottes son / so steig erab vom creutz (A180 Martin Luther, Matthäus 27,40); Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Erlkönig); auch nach Fragen: was gebt Ihr mir? so tret' ich meine stell' euch ab (Lessing; L059 DWb); zur inhaltlichen Wiederaufnahme einer unmittelbar vorangehenden adverbialen Bestimmung: Endlich so kommt der Graf hergefahren (A222 Friedrich Schiller, Räuber 2,3); nach konzessiven Nebensätzen häufig mit doch: Vnd ob ich Alber bin mit reden / So bin ich doch nicht alber in dem erkenntnis (A180 Martin Luther, 2.Korinther 11,6); in Beteuerungsformeln: So war ich lebe / spricht der Herr / Du solt mit diesen allen / wie mit einem Schmuck angethan werden (A180 Martin Luther, Jesaja 49,18); So wahr mir Gott helfe! (L004 Johann Christoph Adelung); in Temporal- und Konditionalsätzen ›(jedesmal) wenn, falls‹: so dir jemand einen streich gibt auff deinen rechten Backen / dem biete den andern auch dar (A180 Martin Luther, Matthäus 5,39); wir täuschen uns, wir träumen, so wir glauben, unsere ideen und empfindungen von auszen zu empfangen (Schiller; L059 DWb); vgl. auch die Wendung so Gott will (L033 Joachim Heinrich Campe); bis ins 19. Jahrhundert so… so anstelle des heute üblichen sowohl.. als auch: So im Reden so im Denken (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 3,276 LH); dafür auch so… als: Die Zeit sie mäht so Rosen als Dornen (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 2,254 LH) sowie so… und: Daß einem so Hören und Sehen vergeht (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 1,196 LH); hierher auch so… so in zwei Sachverhalte vergleichenden, parallel gebildeten Verbindungen von Haupt- und (konzessivem) Nebensatz anstelle des heute üblicheren wie… auch, so: So prachtig die Kronung Karls des Siebenten gewesen war,… so war doch die Folge für den guten Kaiser desto trauriger (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 24,29 LH); beim prädikativen Adjektiv in Verbindung mit auch ebenfalls im Sinne von ›wenngleich, obwohl‹: auch diesen befehl nehme ich an, so sauer er mir auch wird (Gellert; L004 Johann Christoph Adelung); so… so, wie schon im Mittelhochdeutschen, zuweilen auch mit Komparativ für heute üblicheres je… je oder je… desto: so fruchtbarer meine welterkenntnisz wird, so ärmer wird mein karrikaturen-register (Schiller; L059 DWb);
2.2 zum (scheinbaren) Anschluß einer Schlußfolgerung ›also, daher‹ (↑ "also"), aber auch temporal im Sinne von ›dann‹: So ist er endlich da der Augenblick (A222 Friedrich Schiller, Karlos 1,3); Ungerecht ist es, seine Enttäuschung auf sie zu übertragen. Nun, gut, so wird er ungerecht sein (Ch.A285 Christa Wolf, Ort 19); in Imperativsätzen oft Ausdruck von Unwillen (L033 Joachim Heinrich Campe) und Ungeduld: Nun so verricht Er was Er zu verrichten hat und spud er sich (J.M.R.A174 Jakob Michael Reinhold Lenz, Buhlschwester 4,3); so sag doch, so schwäz doch!(A222 Friedrich Schiller, Räuber 2,3); So setzen Sie sich doch (Ch.A285 Christa Wolf, Ort 39); hierher wohl auch unmittelbaren Bezug auf eine bestimmte Situation suggerierende Gedichtanfänge wie So hab' ich wirklich dich verloren (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 1,67 LH); So bist du denn geworden / wie ich dich nie gekannt (A035 Paul Celan, So bist du denn geworden);
3 demonstratives Adverb
3.1 ›auf die dem Hörer/ Leser bekannte, im Gesagten näher bezeichnete, vorgeführte oder durch die Umstände deutlich werdende Weise‹, zumeist anstelle einer genauere Angaben enthaltenden adverbialen Bestimmung: So gehoret sichs (L308 Kaspar Stieler 1691); arbeitet ihr so? (L169 Matthias Kramer); So sehen wir uns wieder! (A222 Friedrich Schiller, Karlos 5,11); Das ist so Tax bei uns (A222 Friedrich Schiller, Kabale und Liebe 2,6); So ist es gut, dachte Hans Castorp(Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 266f.); So ist das Leben (B.A254 Botho Strauß, Paare 95); häufig beim Vorführen oder Vormachen einer Handlung(sweise): Der Turm so – er zeigt es – und der Läufer so und die Dame so und so (B.A025 Bertolt Brecht, Galilei; 3,1284); in rhetorischen Fragen oft anstelle der Angabe einer unerwünschten Verhaltensweise: Grausamer Eridon! Wie kannst du nur so seyn? (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 7,23 LH); in der Umgangssprache ironisch So siehst du aus! ›das traue ich dir (nicht) zu‹, ›da irrst du dich sehr‹ (L320 Trübner); auch beim prädikativen Adjektiv: ists so recht? (L169 Matthias Kramer 1702); dafür oft verkürzt recht so, so recht: so recht! er ist gestürzt (Gryphius; L059 DWb); ähnlich gut so, weiter so, nicht so; hierher auch wenn jmd. jmdm. so kommt ›jmdn. in der vorliegenden Weise provoziert oder unter Druck setzt‹ (L004 Johann Christoph Adelung): Mac, wenn du mir so kommst… wer meine Ehre angreift, greift mich an (B.A025 Bertolt Brecht, Dreigroschenoper 2,480); dazu und so fort, und so weiter: Immer niedlich, immer heiter, / Immer lieblich! Und so weiter (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 3,157 LH) sowie die umgangssprachlichen, wohl aus der Verbindung mit ähnlich verkürzten, zugleich eine gewisse Unschärfe und Unsicherheit ausdrückenden oder so, und so ›und/ oder ähnliche Dinge, Handlungen oder Ereignisse‹, verbunden mit dem Appell an den Gesprächspartner, den vorgegebenen Spielraum selbst inhaltlich weiter auszufüllen, besonders häufig in der heutigen Jugendsprache (L106 Helmut Henne, Jugend 148): um'n neun uhren oder so(Müller; L059 DWb); Sie sagt, du hättest speziell Erfahrung mit Gewaltproblemen und so (B.A249 Botho Strauß, Kalldewey 17); hierher auch selbständiges soundso: Vnd solt zum Könige hinein gehen, / vnd mit jm reden so vnd so. Vnd Joab gab jr ein / was sie reden solt (A180 Martin Luther, 2.Samuel 14,3); Es konnte dann nicht mehr heißen: sie ist so und so, reizvoll, reizlos… (A004 Ingeborg Bachmann, Gomorrha 208); hierher auch bloß so, nur so ›ohne besonderen Grund oder Absicht‹: Als ich… in Berlin… eines Nachmittags… bloß so durch die Straßen bummelte (O.E.A108 Otto Erich Hartleben, Ausgewählte Werke 2,160); Ich werfe dir nichts vor, ich meine ja nur so (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 7,45 LH); »Was fängst du an, fränzösisch zu sprechen?« »Nur so« (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 541); in dieser Bedeutung gelegentlich auch so allein: Es geht alles so. Es geht so (B.A254 Botho Strauß, Paare 131); hierher auch so ziemlich (L308 Kaspar Stieler 1691) ›fast vollständig, einigermaßen‹: Er versteht es so ziemlich (L004 Johann Christoph Adelung); in Verbindung mit nun (ein)mal (⇑ "einmal", "mal", "nun"): Mama ist nun mal so (O.E.A108 Otto Erich Hartleben, Ausgewählte Werke III,119); hierher auch das Frageprononem ↑ "wieso";
3.2 ›ohnehin‹: Ich wollte so schon speisen(Hagedorn; L004 Johann Christoph Adelung); umgangssprachlich auch in der Bedeutung ›so wie etwas ist, ohne besondere Umstände‹: (im Bäckerladen) ich nehme den Kuchen gleich so ›uneingepackt, direkt in die Hand‹; hierher auch er ißt die Äpfel, die Gurke so ›ungeschält, unzubereitet‹ (Müller-Fraureuth; L320 Trübner); vgl. auch berlinisch Kommen Se doch mal so ›ohne besondere Einladung‹ (L320 Trübner);
4 als ⇓ "S080" Gradpartikel mit Bezug auf ein Adjektiv oder Adverb (schon mhd. )
4.1 in Verbindung mit wie beim Vergleich der Eigenschaften zweier Dinge, Handlungen oder Zustände ›in gleichem Maße‹: Wenn ich doch so schön wär' / Wie die Mädchen auf dem Land! (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 1,32 LH); auch in umgekehrter Reihenfolge: du bist wie eine blume / So hold und schön und rein (Heine; L059 DWb); dafür bis ins 19. Jahrhundert so… als: Ja er war so schön als ein Bawm im garten Gottes (A180 Martin Luther, Hesekiel 31,8); ein so grundliches als angenehmes Verhaltnis(A074 Johann Wolfgang von Goethe, 24,298 LH); auch bei der Gegenüberstellung zweier in ganzen Sätzen ausgedrückter Sachverhalte: ich weisz es so gewisz als ich lebe (1660 Corvinus; L059 DWb); der hund war nur so grosz, wie alle hunde sind (Gellert; L059 DWb); auch mit als ob: Er war so stolz darauf als ob die Erfindung sein gewesen ware (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 17,88 LH); mit einem Konditionalsatz: Mir ist so feierlich, / so bang, als sollte dieser Augenblick / ein großes Loos entscheiden (A222 Friedrich Schiller, Karlos 4,25); oft mit Voranstellung des Nebensatzes: wie mich mein Vater geleret hat / so rede ich (A180 Martin Luther, Johannes 8,28); Denn wie man sich bettet, so liegt man(B.A024 Bertolt Brecht, Mahagonny 2,530); verkürzt in den Sprichwörtern Wie gewonnen, so zerronnen (So gewunnen / so entrunnen; L105 Georg Henisch 1616, s. v. Gewunnen); wie der herr, / so's gescherr(Simrock; L059 DWb); auch zusammengerückt so wie: So wie gewonnen, so ists zerstoben (A222 Friedrich Schiller, Wallensteins Lager 1.Auftritt); gelegentlich auch in pleonastischer Doppelung als wie: Es ist nicht so heiß in Teutschland / als wie in Italien (L169 Matthias Kramer 1702); Da steh' ich nun, ich armer Thor! / Und bin so klug als wie zuvor (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,358); auch heute noch beide Möglichkeiten in der Wendung so bald, früh, schnell als/ wie möglich; hierher die Wendung so gut als: dieses Weybergezanck ist wol so gut als ein Schauspiel (L169 Matthias Kramer); später dafür zumeist so gut wie: Hat einer dreyßig Jahr' voruber, / So ist er schon so gut wie todt (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 41,101 LH); dazu auch ↑ "sowieso"(1) ›in jedem Fall, ohnehin‹; ebenso so oder so (A180 Martin Luther, Weisheit Salomos 16,21), frühneuhochdeutsch auch mit doppeltem so: Ey ein schones Paar zusammen! so Herr / so Knecht! (A095 Andreas Gryphius, Horribilicribrifax 7,61); mit einigen Adverbien verschmolzen und dann entweder selbständiges Adverb geworden oder als Konjunktion aus dem Hauptsatz an den Anfang des Nebensatzes getreten, zunächst unfest, ⇑ "sobald", "sofern", "sofort", "sogar", "sogleich"; vgl. solange (L200 Josua Maaler), soweit (ebenda), sowie (L169 Matthias Kramer), "sowohl" (L200 Josua Maaler);
4.2 in Verbindung mit einem anderen Hauptsatz, einem Infinitivsatz oder einem durch daß eingeleiteten Nebensatz (schon althochdeutsch) ›in derartig hohem Maße, Grade (wie im Nebensatz beschrieben wird)‹: sie soll so gut seyn, läszt mein herr bitten, und es übergeben (Lessing; L059 DWb); Ich bin so frei gewesen, Sie zu einem Schauspiel bitten zu lassen(A222 Friedrich Schiller, Fiesko 4,6); Er war so veracht / das man das angesucht fur jm verbarg (A180 Martin Luther, Jesaja 53,3); dazu soundso mit Bezug auf ein Adjektiv oder Adverb: so und so viel, so und so groß (L004 Johann Christoph Adelung); hierher auch die Konjunktion so daß; daraus
4.3 ohne weitere Ergänzung ›in derartig hohem Maß, Grad, daß eine Sprecher und Hörer bekannte Norm oder Normalform überschritten wird‹: Ey Herr Palladi, er eile doch nicht so hefftig! (A095 Andreas Gryphius, Horribilicribrifax 7,64); Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Erlkönig); Muster grüner Neonlichter auf der toten Oberfläche des Flusses (sah vorher nie so einen toten Fluß)(R.D.A027 Rolf Dieter Brinkmann, Schnitte 156); in der Verbindung so viel (L037 Petrus Dasypodius: Souil): Ah Herr / wie ist meiner Feinde so viel / vnd setzen sich so viel wider mich (A180 Martin Luther, Psalm 3,2); so viel Köpfe / so viel Sinne(L169 Matthias Kramer 1702); ähnlich so oft (L037 Petrus Dasypodius: So offt); So anderst (ebenda); auch in der Verbindung um so: Umsovielmehr (L308 Kaspar Stieler); Um so besser (L033 Joachim Heinrich Campe); dafür auch einfaches so: durch gleichen Zwang erzürnt, gehorchten sie / den Wallungen der Leidenschaft so dreister (A222 Friedrich Schiller, Karlos 3,3); dazu geradeso, "ebenso" (L308 Kaspar Stieler; davor eben also, vgl. L037 Petrus Dasypodius): sie ist eben so schon als ihre Schwester (L169 Matthias Kramer); bei Mengenvergleichen noch (ein)mal so und Adjektiv (⇑ "einmal", "mal"): noch einmal so viel (L169 Matthias Kramer); veraltet noch eins so und Adjektiv: sie schiene dadurch sogar noch eins so schön geworden (Wieland; L059 DWb); daraus weiter
4.4 ›in einem hohen Maß, das zwar nicht beschreibbar ist, aber vom Hörer vorgestellt werden kann‹, dabei drücken nachdrückliche Betonung und Längung des Vokals (zuweilen auch in der Schreibung) die Intensität der genannten Eigenschaft aus (vgl. L320 Trübner): Werd' ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schon! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,1699f.); Am Himmel zogen graue Wolken, aber Alles so dicht, und dann dampfte der Nebel herauf und strich schwer und feucht durch das Gesträuch, so träg, so plump… Es war ihm alles so klein, so nahe, so naß (A030 Georg Büchner, Lenz 79);
5 Relativpronomen (spätmhd.; L320 Trübner), für den Nominativ, Akkusativ Singular und Plural des Relativpronomens, »hat in den neuern Zeiten viele sehr harte Feinde bekommen, welche es schlechterdings aus der Deutschen Sprache verbannet wissen wollen« (L004 Johann Christoph Adelung): gut Getrenck ist bitter denen so es trincken (A180 Martin Luther, Jesaja 24,9); die, so niemals selbst denken(I.Kant; L059 DWb); Zu was Ende die Allianzen, so diese Doria schlossen? (A222 Friedrich Schiller, Fiesko 4,6); nach L320 Trübner im 19. Jahrhundert »höchstens noch in altertümelnder Sprache« (z. B. A210 Wilhelm Raabe, Abu Telfan 7,213);
6 vor Substantiven mit dem unbestimmten Artikel, anstelle von (selber ursprünglich aus so und -lich zusammengesetzem) ↑ "solch" ›ein(e) solche(r/ s), derartige(r/ s)‹: so eine schöne frau sich selbst zu überlassen! (Wieland; L059 DWb); Ja, so ein Kuß, das ist ein Kuß (A177 Gotthold Ephraim Lessing 1,63); So ein Biereifer! (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 68); gelegentlich auch in umgekehrter Reihenfolge: ein so einzigs lied… ist mehr werth (F.Müller; L059 DWb); in der Umgangssprache zumeist zusammengezogen zu so'n, das dann sogar in den Plural gesetzt werden kann: haben sie schon sone verrückten kerle, sone kerle gesehen? (L059 DWb); dazu so eine, einer, eins: wenn mir dann so einer wieder querfeldein käme, der hübscher aussähe (Weiße; L059 DWb); auch so kein für ›kein (solche(r/ s), derartige(r/ s)‹: Hab mein Tag so kein Gaudium gehabt(A074 Johann Wolfgang von Goethe, 8,138 LH); hierher auch so etwas, häufig ergänzt durch ein substantiviertes Adjektiv: wäre nicht das moralische gesetz in unserer vernunft eher deutlich gedacht, so würden wir uns niemals berechtigt halten, so etwas, als freiheit ist,… anzunehmen (I.Kant; L059 DWb); dafür umgangssprachlich auch so was: Und so was kommt nie an unser einen!(A222 Friedrich Schiller, Wallensteins Lager 6); hierher der umgangssprachliche erstaunte Ausruf Na, so was! (↑ "na"); ebenso gelegentlich bei nichts: Hast du die Tugend gesehen? Wieland! Ich bin doch auch in der Welt herumgekommen, und ist mir nichts so begegnet (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 33,285 LH); in Verbindung mit einem Substantiv auch so (et)was von: so etwas von frechheit ist mir noch nicht vorgekommen (L059 DWb); gelegentlich beim Adjektiv oder Adverb auch ohne von im Sinne von ›so sehr, derart‹: ich bin so was vergeßlich (A095 Andreas Gryphius, Horribilicribrifax 7,67);
7 Adverb ›etwa, ungefähr‹: Wenn ist es Ihr am gelegensten, Jungfer? So in der Demmerung? (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Minna 3,2); was auf eine dem Hörer/ Leser bekannte oder durch die Umstände deutlich werdende Weise der Fall ist, mag später dahingehend verstanden worden sein, daß der Hörer schon wissen werde, welche Weise oder Hinsicht gemeint ist; daher aus (3.1) u. (4.4) der Gebrauch als
8 ⇓ "S002" Abtönungspartikel ›Sprecher meint, der Hörer wisse schon wie oder in welcher Hinsicht‹: Ich ging im Walde / So für mich hin (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Gefunden); Sehn Sie, wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt einem nur so die Natur (A030 Georg Büchner, Woyzeck 172); Man lebt hier so Tür an Tür mit sterbenden Leuten (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 415); Sie selber hatte oft so dahingeredet(A004 Ingeborg Bachmann, Gomorrha 199); hierher nicht so ganz, nicht so recht: ›Natürlich fällt es mir nicht so ganz leicht, mich bei Ihnen hier oben zu akklimatisieren‹ (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 124); ebenso so ziemlich, so leidlich (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 22,9 LH); auch (so) so lala (↑ "lala") sowie soso in der Bedeutung ›der Hörer weiß schon wie, mittelmäßig‹: Es gehet so, so, mittelmäßig (L004 Johann Christoph Adelung); Die Haushaltung liegt ganz allein auf mir, mit dem Feldbau geht es nur soso (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 11,309 LH); aus (1) und (3.1) seit dem 18. Jahrhundert der Gebrauch als
9 ⇓ "S209" Sprechhandlungspartikel, zur Markierung des Endes einer Handlung und der Bereitschaft zu einer neuen (schon 18. Jahrhundert): Hier! zieh' meinen Rock an! So! er sitzt dir majestätisch! wie ein schwarzsammtnes Schleppkleid! (A082 Christian Dietrich Grabbe, Scherz 3,1); Crescence steht auf: So, und jetzt laß ich dich deinen Geschäften (A130 Hugo von Hofmannsthal, Schwierige 1,3); und setzte die… Zigarre mit einigen hingebungsvoll paffenden Zügen in Brand. »So!«, sagte er (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 70); So. Das hätten wir wohl (Ch.A286 Christa Wolf, Störfall 20); aus (1) und (3.1) auch der Gebrauch als
10 ⇓ "S079" Gliederungspartikel:
10.1 als Einleitung eines Gespächsbeitrags, rückfragend ›Sprecher fragt nach, ob er auch richtig verstanden habe‹ (schon spätmhd.): So! Glaubst du wohl, was dieser da, dein Schwager, / In deinem Namen unterhandelt hat, / Das werde man nicht dir auf Rechnung setzen? (A222 Friedrich Schiller, Wallensteins Tod 1,3); Ruprecht. Was ich dagegen aufzubringen habe, Herr Richter?… Daß sie kein wahres Wort gesprochen hat. Adam. So? Und das denkt er zu beweisen?(H.v.A160 Heinrich von Kleist, Zerbrochener Krug, 7. Auftritt); »So? Nur kurzfristig?« fragte er aufgeräumt, »auch immer auf Achse woll?«(B.A254 Botho Strauß, Paare 150);
10.2 ›Sprecher zeigt an, daß er verstanden hat‹: Alcest (zum Wirth). Herr Wirth, ich reise nicht! Wirth (hervortretend). So! (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 7,58 LH); »Der ist an der Lungenentzündung gestorben -«, sagte Hans Castorp »und mein Großvater auch -«, setzte er hinzu. »So, der auch?… « Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 255); hierher ach so, ja so (⇑ "ach", "ja"); hierher auch reduplizierend, vorsichtigen Zweifel bzw. ironisch Unglauben anmeldendes so so (L308 Kaspar Stieler); So so! Ein Sammler! (A082 Christian Dietrich Grabbe, Scherz 2,1); Adam. Das umgekehrte Ende war's der Klinke!Licht. So! So! (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Zerbrochener Krug, 7. Auftritt); Die Frau. Ich nicht. Ich bin hier nur / aufs Wochenende zu Besuch. Der Mann. Nur zu Besuch, soso. (B.A249 Botho Strauß, Kalldewey 73); aus (1) und (3.1) ebenfalls der Gebrauch als
11 ⇓ "S185" Rückmeldepartikel,
11.1 rückbestätigend ›Sprecher versteht (ohne Übernahme des Rederechts)‹: Alba. Denn kaum daß Sie das Zimmer des Monarchen / verlassen hatten, ward mir angekündigt / nach Brüssel abzugehen. Karlos. Brüssel! So! Alba. Wem sonst, mein Prinz, als Ihrer gnädigen Verwendung bei des Königs Majestät / kann ich es zuzuschreiben haben? (A222 Friedrich Schiller, Karlos 2,5); Karl.[..] Die Tante sagt: ich sey recht geschickt. Gotz. So! (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 8,26 LH);
11.2 ›Sprecher hat verstanden, hört weiter zu, möchte sich aber noch einmal durch eine Rückfrage versichern‹: Patriarch. Dann wäre mit dem Juden fördersamst / Die Strafe zu vollziehen… Tempelherr. So? Patriarch. Und zwar bestimmen obbesagte Rechte / Dem Juden, welcher einen Christen zur Apostasie verführt,- den Scheiterhaufen, – den Holzstoß – Tempelherr. So?(A177 Gotthold Ephraim Lessing, Nathan 4,2); Licht. Macht Euch bereit auf unerwarteten Besuch aus Utrecht. Adam. So? Licht. Der Herr Gerichtsrat kommt (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Zerbrochener Krug, 1. Auftritt)
2 Pronomen:
2.1 zur Einleitung des Hauptsatzes eines Konditional-, Temporal-, Kausal-, Final- oder Konzessivgefüges mit der Funktion der pronominalen Wiederaufnahme der durch die Nebensatzkonjunktion ausgedrückten Kategorie (Bedingung, Zeit, Grund, Zweck, Folge) ›dann, da, darum, deshalb, dennoch‹: Wenn du aber Almosen gibst / So las deine lincke hand nicht wissen / was die rechte thut (A180 Martin Luther, Matthäus 6,3); wenn man will klug seyn, so muß man sich der Weltweisheit befleißigen (L305 Christoph Ernst Steinbach); Ja wenn ich kalt aaß / so nisete ich (A095 Andreas Gryphius, Horribilicribrifax 7,56); Da nun also das Einreißen und Aufrichten allmalig geschah, so hatte mein Vater sich vorgenommen, nicht aus dem Hause zu weichen (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 24,20 LH); ob ich gleich nit bin reich an gut, / so bin ich aber reich an tugend (Sachs; L059 DWb); vgl. auch: Was nun Sie betrifft, so waren Sie ja wohl immer ziemlich bleichsüchtig, nicht? (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 255); im konditionalen und temporalen Sinne auch ohne Nebensatzkonjunktion: Bistu Gottes son / so steig erab vom creutz (A180 Martin Luther, Matthäus 27,40); Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Erlkönig); auch nach Fragen: was gebt Ihr mir? so tret' ich meine stell' euch ab (Lessing; L059 DWb); zur inhaltlichen Wiederaufnahme einer unmittelbar vorangehenden adverbialen Bestimmung: Endlich so kommt der Graf hergefahren (A222 Friedrich Schiller, Räuber 2,3); nach konzessiven Nebensätzen häufig mit doch: Vnd ob ich Alber bin mit reden / So bin ich doch nicht alber in dem erkenntnis (A180 Martin Luther, 2.Korinther 11,6); in Beteuerungsformeln: So war ich lebe / spricht der Herr / Du solt mit diesen allen / wie mit einem Schmuck angethan werden (A180 Martin Luther, Jesaja 49,18); So wahr mir Gott helfe! (L004 Johann Christoph Adelung); in Temporal- und Konditionalsätzen ›(jedesmal) wenn, falls‹: so dir jemand einen streich gibt auff deinen rechten Backen / dem biete den andern auch dar (A180 Martin Luther, Matthäus 5,39); wir täuschen uns, wir träumen, so wir glauben, unsere ideen und empfindungen von auszen zu empfangen (Schiller; L059 DWb); vgl. auch die Wendung so Gott will (L033 Joachim Heinrich Campe); bis ins 19. Jahrhundert so… so anstelle des heute üblichen sowohl.. als auch: So im Reden so im Denken (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 3,276 LH); dafür auch so… als: Die Zeit sie mäht so Rosen als Dornen (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 2,254 LH) sowie so… und: Daß einem so Hören und Sehen vergeht (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 1,196 LH); hierher auch so… so in zwei Sachverhalte vergleichenden, parallel gebildeten Verbindungen von Haupt- und (konzessivem) Nebensatz anstelle des heute üblicheren wie… auch, so: So prachtig die Kronung Karls des Siebenten gewesen war,… so war doch die Folge für den guten Kaiser desto trauriger (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 24,29 LH); beim prädikativen Adjektiv in Verbindung mit auch ebenfalls im Sinne von ›wenngleich, obwohl‹: auch diesen befehl nehme ich an, so sauer er mir auch wird (Gellert; L004 Johann Christoph Adelung); so… so, wie schon im Mittelhochdeutschen, zuweilen auch mit Komparativ für heute üblicheres je… je oder je… desto: so fruchtbarer meine welterkenntnisz wird, so ärmer wird mein karrikaturen-register (Schiller; L059 DWb);
2.2 zum (scheinbaren) Anschluß einer Schlußfolgerung ›also, daher‹ (↑ "also"), aber auch temporal im Sinne von ›dann‹: So ist er endlich da der Augenblick (A222 Friedrich Schiller, Karlos 1,3); Ungerecht ist es, seine Enttäuschung auf sie zu übertragen. Nun, gut, so wird er ungerecht sein (Ch.A285 Christa Wolf, Ort 19); in Imperativsätzen oft Ausdruck von Unwillen (L033 Joachim Heinrich Campe) und Ungeduld: Nun so verricht Er was Er zu verrichten hat und spud er sich (J.M.R.A174 Jakob Michael Reinhold Lenz, Buhlschwester 4,3); so sag doch, so schwäz doch!(A222 Friedrich Schiller, Räuber 2,3); So setzen Sie sich doch (Ch.A285 Christa Wolf, Ort 39); hierher wohl auch unmittelbaren Bezug auf eine bestimmte Situation suggerierende Gedichtanfänge wie So hab' ich wirklich dich verloren (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 1,67 LH); So bist du denn geworden / wie ich dich nie gekannt (A035 Paul Celan, So bist du denn geworden);
3 demonstratives Adverb
3.1 ›auf die dem Hörer/ Leser bekannte, im Gesagten näher bezeichnete, vorgeführte oder durch die Umstände deutlich werdende Weise‹, zumeist anstelle einer genauere Angaben enthaltenden adverbialen Bestimmung: So gehoret sichs (L308 Kaspar Stieler 1691); arbeitet ihr so? (L169 Matthias Kramer); So sehen wir uns wieder! (A222 Friedrich Schiller, Karlos 5,11); Das ist so Tax bei uns (A222 Friedrich Schiller, Kabale und Liebe 2,6); So ist es gut, dachte Hans Castorp(Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 266f.); So ist das Leben (B.A254 Botho Strauß, Paare 95); häufig beim Vorführen oder Vormachen einer Handlung(sweise): Der Turm so – er zeigt es – und der Läufer so und die Dame so und so (B.A025 Bertolt Brecht, Galilei; 3,1284); in rhetorischen Fragen oft anstelle der Angabe einer unerwünschten Verhaltensweise: Grausamer Eridon! Wie kannst du nur so seyn? (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 7,23 LH); in der Umgangssprache ironisch So siehst du aus! ›das traue ich dir (nicht) zu‹, ›da irrst du dich sehr‹ (L320 Trübner); auch beim prädikativen Adjektiv: ists so recht? (L169 Matthias Kramer 1702); dafür oft verkürzt recht so, so recht: so recht! er ist gestürzt (Gryphius; L059 DWb); ähnlich gut so, weiter so, nicht so; hierher auch wenn jmd. jmdm. so kommt ›jmdn. in der vorliegenden Weise provoziert oder unter Druck setzt‹ (L004 Johann Christoph Adelung): Mac, wenn du mir so kommst… wer meine Ehre angreift, greift mich an (B.A025 Bertolt Brecht, Dreigroschenoper 2,480); dazu und so fort, und so weiter: Immer niedlich, immer heiter, / Immer lieblich! Und so weiter (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 3,157 LH) sowie die umgangssprachlichen, wohl aus der Verbindung mit ähnlich verkürzten, zugleich eine gewisse Unschärfe und Unsicherheit ausdrückenden oder so, und so ›und/ oder ähnliche Dinge, Handlungen oder Ereignisse‹, verbunden mit dem Appell an den Gesprächspartner, den vorgegebenen Spielraum selbst inhaltlich weiter auszufüllen, besonders häufig in der heutigen Jugendsprache (L106 Helmut Henne, Jugend 148): um'n neun uhren oder so(Müller; L059 DWb); Sie sagt, du hättest speziell Erfahrung mit Gewaltproblemen und so (B.A249 Botho Strauß, Kalldewey 17); hierher auch selbständiges soundso: Vnd solt zum Könige hinein gehen, / vnd mit jm reden so vnd so. Vnd Joab gab jr ein / was sie reden solt (A180 Martin Luther, 2.Samuel 14,3); Es konnte dann nicht mehr heißen: sie ist so und so, reizvoll, reizlos… (A004 Ingeborg Bachmann, Gomorrha 208); hierher auch bloß so, nur so ›ohne besonderen Grund oder Absicht‹: Als ich… in Berlin… eines Nachmittags… bloß so durch die Straßen bummelte (O.E.A108 Otto Erich Hartleben, Ausgewählte Werke 2,160); Ich werfe dir nichts vor, ich meine ja nur so (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 7,45 LH); »Was fängst du an, fränzösisch zu sprechen?« »Nur so« (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 541); in dieser Bedeutung gelegentlich auch so allein: Es geht alles so. Es geht so (B.A254 Botho Strauß, Paare 131); hierher auch so ziemlich (L308 Kaspar Stieler 1691) ›fast vollständig, einigermaßen‹: Er versteht es so ziemlich (L004 Johann Christoph Adelung); in Verbindung mit nun (ein)mal (⇑ "einmal", "mal", "nun"): Mama ist nun mal so (O.E.A108 Otto Erich Hartleben, Ausgewählte Werke III,119); hierher auch das Frageprononem ↑ "wieso";
3.2 ›ohnehin‹: Ich wollte so schon speisen(Hagedorn; L004 Johann Christoph Adelung); umgangssprachlich auch in der Bedeutung ›so wie etwas ist, ohne besondere Umstände‹: (im Bäckerladen) ich nehme den Kuchen gleich so ›uneingepackt, direkt in die Hand‹; hierher auch er ißt die Äpfel, die Gurke so ›ungeschält, unzubereitet‹ (Müller-Fraureuth; L320 Trübner); vgl. auch berlinisch Kommen Se doch mal so ›ohne besondere Einladung‹ (L320 Trübner);
4 als ⇓ "S080" Gradpartikel mit Bezug auf ein Adjektiv oder Adverb (schon mhd. )
4.1 in Verbindung mit wie beim Vergleich der Eigenschaften zweier Dinge, Handlungen oder Zustände ›in gleichem Maße‹: Wenn ich doch so schön wär' / Wie die Mädchen auf dem Land! (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 1,32 LH); auch in umgekehrter Reihenfolge: du bist wie eine blume / So hold und schön und rein (Heine; L059 DWb); dafür bis ins 19. Jahrhundert so… als: Ja er war so schön als ein Bawm im garten Gottes (A180 Martin Luther, Hesekiel 31,8); ein so grundliches als angenehmes Verhaltnis(A074 Johann Wolfgang von Goethe, 24,298 LH); auch bei der Gegenüberstellung zweier in ganzen Sätzen ausgedrückter Sachverhalte: ich weisz es so gewisz als ich lebe (1660 Corvinus; L059 DWb); der hund war nur so grosz, wie alle hunde sind (Gellert; L059 DWb); auch mit als ob: Er war so stolz darauf als ob die Erfindung sein gewesen ware (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 17,88 LH); mit einem Konditionalsatz: Mir ist so feierlich, / so bang, als sollte dieser Augenblick / ein großes Loos entscheiden (A222 Friedrich Schiller, Karlos 4,25); oft mit Voranstellung des Nebensatzes: wie mich mein Vater geleret hat / so rede ich (A180 Martin Luther, Johannes 8,28); Denn wie man sich bettet, so liegt man(B.A024 Bertolt Brecht, Mahagonny 2,530); verkürzt in den Sprichwörtern Wie gewonnen, so zerronnen (So gewunnen / so entrunnen; L105 Georg Henisch 1616, s. v. Gewunnen); wie der herr, / so's gescherr(Simrock; L059 DWb); auch zusammengerückt so wie: So wie gewonnen, so ists zerstoben (A222 Friedrich Schiller, Wallensteins Lager 1.Auftritt); gelegentlich auch in pleonastischer Doppelung als wie: Es ist nicht so heiß in Teutschland / als wie in Italien (L169 Matthias Kramer 1702); Da steh' ich nun, ich armer Thor! / Und bin so klug als wie zuvor (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,358); auch heute noch beide Möglichkeiten in der Wendung so bald, früh, schnell als/ wie möglich; hierher die Wendung so gut als: dieses Weybergezanck ist wol so gut als ein Schauspiel (L169 Matthias Kramer); später dafür zumeist so gut wie: Hat einer dreyßig Jahr' voruber, / So ist er schon so gut wie todt (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 41,101 LH); dazu auch ↑ "sowieso"(1) ›in jedem Fall, ohnehin‹; ebenso so oder so (A180 Martin Luther, Weisheit Salomos 16,21), frühneuhochdeutsch auch mit doppeltem so: Ey ein schones Paar zusammen! so Herr / so Knecht! (A095 Andreas Gryphius, Horribilicribrifax 7,61); mit einigen Adverbien verschmolzen und dann entweder selbständiges Adverb geworden oder als Konjunktion aus dem Hauptsatz an den Anfang des Nebensatzes getreten, zunächst unfest, ⇑ "sobald", "sofern", "sofort", "sogar", "sogleich"; vgl. solange (L200 Josua Maaler), soweit (ebenda), sowie (L169 Matthias Kramer), "sowohl" (L200 Josua Maaler);
4.2 in Verbindung mit einem anderen Hauptsatz, einem Infinitivsatz oder einem durch daß eingeleiteten Nebensatz (schon althochdeutsch) ›in derartig hohem Maße, Grade (wie im Nebensatz beschrieben wird)‹: sie soll so gut seyn, läszt mein herr bitten, und es übergeben (Lessing; L059 DWb); Ich bin so frei gewesen, Sie zu einem Schauspiel bitten zu lassen(A222 Friedrich Schiller, Fiesko 4,6); Er war so veracht / das man das angesucht fur jm verbarg (A180 Martin Luther, Jesaja 53,3); dazu soundso mit Bezug auf ein Adjektiv oder Adverb: so und so viel, so und so groß (L004 Johann Christoph Adelung); hierher auch die Konjunktion so daß; daraus
4.3 ohne weitere Ergänzung ›in derartig hohem Maß, Grad, daß eine Sprecher und Hörer bekannte Norm oder Normalform überschritten wird‹: Ey Herr Palladi, er eile doch nicht so hefftig! (A095 Andreas Gryphius, Horribilicribrifax 7,64); Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Erlkönig); Muster grüner Neonlichter auf der toten Oberfläche des Flusses (sah vorher nie so einen toten Fluß)(R.D.A027 Rolf Dieter Brinkmann, Schnitte 156); in der Verbindung so viel (L037 Petrus Dasypodius: Souil): Ah Herr / wie ist meiner Feinde so viel / vnd setzen sich so viel wider mich (A180 Martin Luther, Psalm 3,2); so viel Köpfe / so viel Sinne(L169 Matthias Kramer 1702); ähnlich so oft (L037 Petrus Dasypodius: So offt); So anderst (ebenda); auch in der Verbindung um so: Umsovielmehr (L308 Kaspar Stieler); Um so besser (L033 Joachim Heinrich Campe); dafür auch einfaches so: durch gleichen Zwang erzürnt, gehorchten sie / den Wallungen der Leidenschaft so dreister (A222 Friedrich Schiller, Karlos 3,3); dazu geradeso, "ebenso" (L308 Kaspar Stieler; davor eben also, vgl. L037 Petrus Dasypodius): sie ist eben so schon als ihre Schwester (L169 Matthias Kramer); bei Mengenvergleichen noch (ein)mal so und Adjektiv (⇑ "einmal", "mal"): noch einmal so viel (L169 Matthias Kramer); veraltet noch eins so und Adjektiv: sie schiene dadurch sogar noch eins so schön geworden (Wieland; L059 DWb); daraus weiter
4.4 ›in einem hohen Maß, das zwar nicht beschreibbar ist, aber vom Hörer vorgestellt werden kann‹, dabei drücken nachdrückliche Betonung und Längung des Vokals (zuweilen auch in der Schreibung) die Intensität der genannten Eigenschaft aus (vgl. L320 Trübner): Werd' ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schon! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,1699f.); Am Himmel zogen graue Wolken, aber Alles so dicht, und dann dampfte der Nebel herauf und strich schwer und feucht durch das Gesträuch, so träg, so plump… Es war ihm alles so klein, so nahe, so naß (A030 Georg Büchner, Lenz 79);
5 Relativpronomen (spätmhd.; L320 Trübner), für den Nominativ, Akkusativ Singular und Plural des Relativpronomens, »hat in den neuern Zeiten viele sehr harte Feinde bekommen, welche es schlechterdings aus der Deutschen Sprache verbannet wissen wollen« (L004 Johann Christoph Adelung): gut Getrenck ist bitter denen so es trincken (A180 Martin Luther, Jesaja 24,9); die, so niemals selbst denken(I.Kant; L059 DWb); Zu was Ende die Allianzen, so diese Doria schlossen? (A222 Friedrich Schiller, Fiesko 4,6); nach L320 Trübner im 19. Jahrhundert »höchstens noch in altertümelnder Sprache« (z. B. A210 Wilhelm Raabe, Abu Telfan 7,213);
6 vor Substantiven mit dem unbestimmten Artikel, anstelle von (selber ursprünglich aus so und -lich zusammengesetzem) ↑ "solch" ›ein(e) solche(r/ s), derartige(r/ s)‹: so eine schöne frau sich selbst zu überlassen! (Wieland; L059 DWb); Ja, so ein Kuß, das ist ein Kuß (A177 Gotthold Ephraim Lessing 1,63); So ein Biereifer! (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 68); gelegentlich auch in umgekehrter Reihenfolge: ein so einzigs lied… ist mehr werth (F.Müller; L059 DWb); in der Umgangssprache zumeist zusammengezogen zu so'n, das dann sogar in den Plural gesetzt werden kann: haben sie schon sone verrückten kerle, sone kerle gesehen? (L059 DWb); dazu so eine, einer, eins: wenn mir dann so einer wieder querfeldein käme, der hübscher aussähe (Weiße; L059 DWb); auch so kein für ›kein (solche(r/ s), derartige(r/ s)‹: Hab mein Tag so kein Gaudium gehabt(A074 Johann Wolfgang von Goethe, 8,138 LH); hierher auch so etwas, häufig ergänzt durch ein substantiviertes Adjektiv: wäre nicht das moralische gesetz in unserer vernunft eher deutlich gedacht, so würden wir uns niemals berechtigt halten, so etwas, als freiheit ist,… anzunehmen (I.Kant; L059 DWb); dafür umgangssprachlich auch so was: Und so was kommt nie an unser einen!(A222 Friedrich Schiller, Wallensteins Lager 6); hierher der umgangssprachliche erstaunte Ausruf Na, so was! (↑ "na"); ebenso gelegentlich bei nichts: Hast du die Tugend gesehen? Wieland! Ich bin doch auch in der Welt herumgekommen, und ist mir nichts so begegnet (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 33,285 LH); in Verbindung mit einem Substantiv auch so (et)was von: so etwas von frechheit ist mir noch nicht vorgekommen (L059 DWb); gelegentlich beim Adjektiv oder Adverb auch ohne von im Sinne von ›so sehr, derart‹: ich bin so was vergeßlich (A095 Andreas Gryphius, Horribilicribrifax 7,67);
7 Adverb ›etwa, ungefähr‹: Wenn ist es Ihr am gelegensten, Jungfer? So in der Demmerung? (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Minna 3,2); was auf eine dem Hörer/ Leser bekannte oder durch die Umstände deutlich werdende Weise der Fall ist, mag später dahingehend verstanden worden sein, daß der Hörer schon wissen werde, welche Weise oder Hinsicht gemeint ist; daher aus (3.1) u. (4.4) der Gebrauch als
8 ⇓ "S002" Abtönungspartikel ›Sprecher meint, der Hörer wisse schon wie oder in welcher Hinsicht‹: Ich ging im Walde / So für mich hin (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Gefunden); Sehn Sie, wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt einem nur so die Natur (A030 Georg Büchner, Woyzeck 172); Man lebt hier so Tür an Tür mit sterbenden Leuten (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 415); Sie selber hatte oft so dahingeredet(A004 Ingeborg Bachmann, Gomorrha 199); hierher nicht so ganz, nicht so recht: ›Natürlich fällt es mir nicht so ganz leicht, mich bei Ihnen hier oben zu akklimatisieren‹ (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 124); ebenso so ziemlich, so leidlich (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 22,9 LH); auch (so) so lala (↑ "lala") sowie soso in der Bedeutung ›der Hörer weiß schon wie, mittelmäßig‹: Es gehet so, so, mittelmäßig (L004 Johann Christoph Adelung); Die Haushaltung liegt ganz allein auf mir, mit dem Feldbau geht es nur soso (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 11,309 LH); aus (1) und (3.1) seit dem 18. Jahrhundert der Gebrauch als
9 ⇓ "S209" Sprechhandlungspartikel, zur Markierung des Endes einer Handlung und der Bereitschaft zu einer neuen (schon 18. Jahrhundert): Hier! zieh' meinen Rock an! So! er sitzt dir majestätisch! wie ein schwarzsammtnes Schleppkleid! (A082 Christian Dietrich Grabbe, Scherz 3,1); Crescence steht auf: So, und jetzt laß ich dich deinen Geschäften (A130 Hugo von Hofmannsthal, Schwierige 1,3); und setzte die… Zigarre mit einigen hingebungsvoll paffenden Zügen in Brand. »So!«, sagte er (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 70); So. Das hätten wir wohl (Ch.A286 Christa Wolf, Störfall 20); aus (1) und (3.1) auch der Gebrauch als
10 ⇓ "S079" Gliederungspartikel:
10.1 als Einleitung eines Gespächsbeitrags, rückfragend ›Sprecher fragt nach, ob er auch richtig verstanden habe‹ (schon spätmhd.): So! Glaubst du wohl, was dieser da, dein Schwager, / In deinem Namen unterhandelt hat, / Das werde man nicht dir auf Rechnung setzen? (A222 Friedrich Schiller, Wallensteins Tod 1,3); Ruprecht. Was ich dagegen aufzubringen habe, Herr Richter?… Daß sie kein wahres Wort gesprochen hat. Adam. So? Und das denkt er zu beweisen?(H.v.A160 Heinrich von Kleist, Zerbrochener Krug, 7. Auftritt); »So? Nur kurzfristig?« fragte er aufgeräumt, »auch immer auf Achse woll?«(B.A254 Botho Strauß, Paare 150);
10.2 ›Sprecher zeigt an, daß er verstanden hat‹: Alcest (zum Wirth). Herr Wirth, ich reise nicht! Wirth (hervortretend). So! (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 7,58 LH); »Der ist an der Lungenentzündung gestorben -«, sagte Hans Castorp »und mein Großvater auch -«, setzte er hinzu. »So, der auch?… « Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 255); hierher ach so, ja so (⇑ "ach", "ja"); hierher auch reduplizierend, vorsichtigen Zweifel bzw. ironisch Unglauben anmeldendes so so (L308 Kaspar Stieler); So so! Ein Sammler! (A082 Christian Dietrich Grabbe, Scherz 2,1); Adam. Das umgekehrte Ende war's der Klinke!Licht. So! So! (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Zerbrochener Krug, 7. Auftritt); Die Frau. Ich nicht. Ich bin hier nur / aufs Wochenende zu Besuch. Der Mann. Nur zu Besuch, soso. (B.A249 Botho Strauß, Kalldewey 73); aus (1) und (3.1) ebenfalls der Gebrauch als
11 ⇓ "S185" Rückmeldepartikel,
11.1 rückbestätigend ›Sprecher versteht (ohne Übernahme des Rederechts)‹: Alba. Denn kaum daß Sie das Zimmer des Monarchen / verlassen hatten, ward mir angekündigt / nach Brüssel abzugehen. Karlos. Brüssel! So! Alba. Wem sonst, mein Prinz, als Ihrer gnädigen Verwendung bei des Königs Majestät / kann ich es zuzuschreiben haben? (A222 Friedrich Schiller, Karlos 2,5); Karl.[..] Die Tante sagt: ich sey recht geschickt. Gotz. So! (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 8,26 LH);
11.2 ›Sprecher hat verstanden, hört weiter zu, möchte sich aber noch einmal durch eine Rückfrage versichern‹: Patriarch. Dann wäre mit dem Juden fördersamst / Die Strafe zu vollziehen… Tempelherr. So? Patriarch. Und zwar bestimmen obbesagte Rechte / Dem Juden, welcher einen Christen zur Apostasie verführt,- den Scheiterhaufen, – den Holzstoß – Tempelherr. So?(A177 Gotthold Ephraim Lessing, Nathan 4,2); Licht. Macht Euch bereit auf unerwarteten Besuch aus Utrecht. Adam. So? Licht. Der Herr Gerichtsrat kommt (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Zerbrochener Krug, 1. Auftritt)