Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
sitzen
ahd. sizzen, gemeingermanisch (got. sitan, altnord. sitja, engl. sit) und indogermanisch (lat. sedere, griech. hézesthai, altslaw. sedeti);1 zunächst auch vom Eintritt des Zustands ›sich setzen‹ (↑ "stehen"): viele Tyrannen haben müssen herunter auf die Erde sitzen, der Jüngling hieß den Alten neben sich auf das Ruhebett sitzen (Wieland), so noch süddeutsch, allgemein in ↑ "aufsitzen", absitzen, auch ↑ "einsitzen"; in diesem Sinn Perfekt mit sein, entsprechend gesessen sein ›sitzen‹ (s. unten und ↑ "besessen");
2 daneben wie jetzt schriftsprachlich für den bestehenden Zustand, Gegensätze "stehen", "liegen", Perfekt mit haben, süddeutsch frühzeitig mit sein; präpositional: ich saz uf eime steine (Walther v. d.Vogelweide; L059 DWb), bey einem am Tisch sitzen (L200 Josua Maaler), sitzen by dem wyn (Brant; L059 DWb), der reuter im sattel sitzende (1657; L059 DWb) übertragen von Personen in gesicherter Position (17. Jahrhundert), lust… über büchern… zu sitzen (Wieland; L059 DWb) ›lernen‹, sehen des menschen Son sitzen zur rechten Hand (A180 Martin Luther, Markus 14,62), zu Gericht sitzen (L200 Josua Maaler); ohne Objekt Hier sitz' ich, forme Menschen / Nach meinem Bilde (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Prometheus), in der Zurückweisung der Höflichkeitsgeste Bleibt sitzen, meine Lords (A222 Friedrich Schiller, Macbeth 3,8); substantivisch viel Sitzen schadet der Gesundheit (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch), häufig attributiv im Partizip Präsens ein sitzendt handwerck (1542; L059 DWb), eine sitzende Beschäftigung; speziell wenn der Zweck hinzugedacht wird ›Modell sitzen‹: daß Emilia Galotti mir gesessen (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Emilia Galotti 1,4), einem Fotografen sitzen; ohne Ergänzung umgangssprachlich er sitzt ›er ist in Haft‹ (L308 Kaspar Stieler); jmdm. Beichte sitzen ›ihm die Beichte abnehmen‹; eine Henne sitzt ›brütet‹; von einem Mädchen sie ist sitzengeblieben ›wurde nicht zum Tanz aufgefordert‹, dann auch ›unverheiratet geblieben‹: die Jungfer wird wohl sitzen bleiben (L308 Kaspar Stieler), entsprechend sitzenlassen, auch allgemeiner ›im Stich lassen‹; in der classe sitzen bleiben (umgangssprachlich) »nicht in die nächsthöhere versetzt werden« (L059 DWb); in der älteren Sprache
3 ›wohnen‹: die auf Erden sitzen und wohnen(Luther), des Königs Burgvogt, der auf Roßberg saß (Schiller); so jetzt noch ethnologisch sie saßen auf dem linken Ufer der Elbe; älter rechtssprachlich erbgesessen, dorfgesessen, hofgesessen, allgemein noch in angesessen; ⇑ "besitzen", "seßhaft"; ähnlich in neuerer Sprache
4 ›sich befinden‹: wer in einem ampt sitzet (Luther; L059 DWb) im Sinne von ›beschäftigt sein‹, zehn jahre hab ich als amtsrichter in dem kleinen nest gesessen (L059 DWb), auf schwierige Lebensumstände bezogen
⊚⊚ in der ↑ "Patsche", ↑ "Tinte", auf dem ↑ {{link}}Trockenen{{/link}} sitzen; dann auch von leblosen Gegenständen, Tieren und abstrakt: der baum siczt vol der voglin schon (Reinmar; L059 DWb), das Brett sitzt fest, locker (L003 Johann Christoph Adelung 1780), der Hut sitzt auf dem Kopf; von hier aus auch die Wendungen jmdm. auf dem Hals, im Nacken sitzen; ein Hieb sitzt übertragen, wenn in der Auseinandersetzung eine Bemerkung trifft (L059 DWb); es soll eine moralische Erzählung sein, und ich kann nur nicht finden, wo ihr das Moralische sitzt (Lessing); die Schuld nicht auf sich sitzen lassen (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch) ›sich verteidigen‹; etwas Gelerntes sitzt, wenn es nicht mehr vergessen wird; auf Kleidung bezogen das Kleid sitzet ihm nicht wol (L308 Kaspar Stieler), sitzen wie angegossen (L033 Joachim Heinrich Campe). ⇑ "ansässig", "aufsässig", "Gesäß", "Gesetz", "Sasse", "Satte", "Satz", "Sessel", "Truchseß",.
Sitz(mhd. ) hat älteres sez verdrängt; allgemein
1 ›Platz, auf dem man sitzt‹: sein Sitz verlassen (L200 Josua Maaler), Sitze im Schiffe (L308 Kaspar Stieler), vom Sitz… stossen (L169 Matthias Kramer), auch Sitz eines Stuhls, Gegensatz "Fuß", "Lehne": felliger Sitz (L200 Josua Maaler), stühle mit gepolsterten sitzen (L059 DWb), auf das Möbelstück bezogen: der Herr nehme einen Sitz (L169 Matthias Kramer); übertragen institutionell einen Sitz im Rathe haben (L305 Christoph Ernst Steinbach), Sitz und Stimme in einem Collegio haben (L003 Johann Christoph Adelung 1780), parlamentarisch die Regierungspartei verlor fünf Sitze; übertragen zu sitzen(4) seit dem Frühneuhochdeutschen auch
2 ›Ort, an dem man dauernd ansässig ist‹: in dem Sitz, da du wohnest (Luther), hinter Wismar ist meiner Eltern Sitz(Schiller), auch in Mythen: Sitz der Götter, Sitz der glaubigen oder saligen / Das paradeyß (L200 Josua Maaler), dazu Wohnsitz, Ruhesitz, Alterssitz, Witwensitz, auf das Gebäude bezogen Landsitz, Rittersitz; ↑ "Ansitz"; heute vor allem auf Institutionen u.ä. bezogen und dann war das Städtchen Waldzell ja auch der Sitz des offiziellen Glasperlenspiels und seiner Einrichtungen (A122 Hermann Hesse, Glasperlenspiel I,118), die Stadt ist Sitz eines Amtsgerichts;
⊚ in einem/ auf einen Sitz (16. Jahrhundert) ›auf einmal‹; seit dem 19. Jahrhundert
3 ›Art des Sitzens‹: tadelloser sitz eines reiters (L059 DWb), häufig auf Kleidung bezogen schlechter sitz eines rockes (L059 DWb); ⇑ "Besitz", "Vorsitz";
Sitzung (1483; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt);
1 zu sitzen(2) »die Versammlung eines Gerichtes oder Collegii« (L003 Johann Christoph Adelung 1780): Sitzung halten, der Sitzung beiwohnen (L033 Joachim Heinrich Campe), die sitzung eröffnen, schlieszen(L059 DWb); seit dem 18. Jahrhundert speziell
2 ›Zeit, während der man einem Künstler zum Porträtieren gegenübersitzt‹, heute auch auf ärztliche Behandlungen bezogen.
2 daneben wie jetzt schriftsprachlich für den bestehenden Zustand, Gegensätze "stehen", "liegen", Perfekt mit haben, süddeutsch frühzeitig mit sein; präpositional: ich saz uf eime steine (Walther v. d.Vogelweide; L059 DWb), bey einem am Tisch sitzen (L200 Josua Maaler), sitzen by dem wyn (Brant; L059 DWb), der reuter im sattel sitzende (1657; L059 DWb) übertragen von Personen in gesicherter Position (17. Jahrhundert), lust… über büchern… zu sitzen (Wieland; L059 DWb) ›lernen‹, sehen des menschen Son sitzen zur rechten Hand (A180 Martin Luther, Markus 14,62), zu Gericht sitzen (L200 Josua Maaler); ohne Objekt Hier sitz' ich, forme Menschen / Nach meinem Bilde (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Prometheus), in der Zurückweisung der Höflichkeitsgeste Bleibt sitzen, meine Lords (A222 Friedrich Schiller, Macbeth 3,8); substantivisch viel Sitzen schadet der Gesundheit (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch), häufig attributiv im Partizip Präsens ein sitzendt handwerck (1542; L059 DWb), eine sitzende Beschäftigung; speziell wenn der Zweck hinzugedacht wird ›Modell sitzen‹: daß Emilia Galotti mir gesessen (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Emilia Galotti 1,4), einem Fotografen sitzen; ohne Ergänzung umgangssprachlich er sitzt ›er ist in Haft‹ (L308 Kaspar Stieler); jmdm. Beichte sitzen ›ihm die Beichte abnehmen‹; eine Henne sitzt ›brütet‹; von einem Mädchen sie ist sitzengeblieben ›wurde nicht zum Tanz aufgefordert‹, dann auch ›unverheiratet geblieben‹: die Jungfer wird wohl sitzen bleiben (L308 Kaspar Stieler), entsprechend sitzenlassen, auch allgemeiner ›im Stich lassen‹; in der classe sitzen bleiben (umgangssprachlich) »nicht in die nächsthöhere versetzt werden« (L059 DWb); in der älteren Sprache
3 ›wohnen‹: die auf Erden sitzen und wohnen(Luther), des Königs Burgvogt, der auf Roßberg saß (Schiller); so jetzt noch ethnologisch sie saßen auf dem linken Ufer der Elbe; älter rechtssprachlich erbgesessen, dorfgesessen, hofgesessen, allgemein noch in angesessen; ⇑ "besitzen", "seßhaft"; ähnlich in neuerer Sprache
4 ›sich befinden‹: wer in einem ampt sitzet (Luther; L059 DWb) im Sinne von ›beschäftigt sein‹, zehn jahre hab ich als amtsrichter in dem kleinen nest gesessen (L059 DWb), auf schwierige Lebensumstände bezogen
⊚⊚ in der ↑ "Patsche", ↑ "Tinte", auf dem ↑ {{link}}Trockenen{{/link}} sitzen; dann auch von leblosen Gegenständen, Tieren und abstrakt: der baum siczt vol der voglin schon (Reinmar; L059 DWb), das Brett sitzt fest, locker (L003 Johann Christoph Adelung 1780), der Hut sitzt auf dem Kopf; von hier aus auch die Wendungen jmdm. auf dem Hals, im Nacken sitzen; ein Hieb sitzt übertragen, wenn in der Auseinandersetzung eine Bemerkung trifft (L059 DWb); es soll eine moralische Erzählung sein, und ich kann nur nicht finden, wo ihr das Moralische sitzt (Lessing); die Schuld nicht auf sich sitzen lassen (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch) ›sich verteidigen‹; etwas Gelerntes sitzt, wenn es nicht mehr vergessen wird; auf Kleidung bezogen das Kleid sitzet ihm nicht wol (L308 Kaspar Stieler), sitzen wie angegossen (L033 Joachim Heinrich Campe). ⇑ "ansässig", "aufsässig", "Gesäß", "Gesetz", "Sasse", "Satte", "Satz", "Sessel", "Truchseß",.
Sitz(mhd. ) hat älteres sez verdrängt; allgemein
1 ›Platz, auf dem man sitzt‹: sein Sitz verlassen (L200 Josua Maaler), Sitze im Schiffe (L308 Kaspar Stieler), vom Sitz… stossen (L169 Matthias Kramer), auch Sitz eines Stuhls, Gegensatz "Fuß", "Lehne": felliger Sitz (L200 Josua Maaler), stühle mit gepolsterten sitzen (L059 DWb), auf das Möbelstück bezogen: der Herr nehme einen Sitz (L169 Matthias Kramer); übertragen institutionell einen Sitz im Rathe haben (L305 Christoph Ernst Steinbach), Sitz und Stimme in einem Collegio haben (L003 Johann Christoph Adelung 1780), parlamentarisch die Regierungspartei verlor fünf Sitze; übertragen zu sitzen(4) seit dem Frühneuhochdeutschen auch
2 ›Ort, an dem man dauernd ansässig ist‹: in dem Sitz, da du wohnest (Luther), hinter Wismar ist meiner Eltern Sitz(Schiller), auch in Mythen: Sitz der Götter, Sitz der glaubigen oder saligen / Das paradeyß (L200 Josua Maaler), dazu Wohnsitz, Ruhesitz, Alterssitz, Witwensitz, auf das Gebäude bezogen Landsitz, Rittersitz; ↑ "Ansitz"; heute vor allem auf Institutionen u.ä. bezogen und dann war das Städtchen Waldzell ja auch der Sitz des offiziellen Glasperlenspiels und seiner Einrichtungen (A122 Hermann Hesse, Glasperlenspiel I,118), die Stadt ist Sitz eines Amtsgerichts;
⊚ in einem/ auf einen Sitz (16. Jahrhundert) ›auf einmal‹; seit dem 19. Jahrhundert
3 ›Art des Sitzens‹: tadelloser sitz eines reiters (L059 DWb), häufig auf Kleidung bezogen schlechter sitz eines rockes (L059 DWb); ⇑ "Besitz", "Vorsitz";
Sitzung (1483; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt);
1 zu sitzen(2) »die Versammlung eines Gerichtes oder Collegii« (L003 Johann Christoph Adelung 1780): Sitzung halten, der Sitzung beiwohnen (L033 Joachim Heinrich Campe), die sitzung eröffnen, schlieszen(L059 DWb); seit dem 18. Jahrhundert speziell
2 ›Zeit, während der man einem Künstler zum Porträtieren gegenübersitzt‹, heute auch auf ärztliche Behandlungen bezogen.