Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
sieden
ahd. siodan, mhd. sieden, altgermanisches starkes Verb, seit dem 18. Jahrhundert auch siedete, gesiedet; durch das Lehnwort "kochen" mehr und mehr zurückgedrängt, süddeutsch weniger als norddeutsch (L171 Paul Kretschmer 300f.); zunächst1 transitiv ›kochend garen‹, auf die menschliche Tätigkeit bezogen; als Objekt steht der behandelte Gegenstand, nicht das Resultat (Suppe kochen, nicht sieden), besonders häufig Fische sieden, gesottene Krebse (L308 Kaspar Stieler), Eyer sieden (L169 Matthias Kramer), das Partizip Prät. gesotten substantiviert häufig in der Zusammenstellung Gesottenes und Gebratenes (L169 Matthias Kramer) kollektivierend von der umfangreichen Mahlzeit, dazu ↑ "hartgesotten"; fachsprachlich Salz, Leim, Seife, Zucker sieden, dazu auch in Zusammensetzungen die Ableitungen -sieder, -siederei; jünger
2 intransitiver Gebrauch: siedendes Wasser (L308 Kaspar Stieler), siedend Oel (L169 Matthias Kramer), übertragen, von bewegtem Wasser es wallet und siedet und brauset und zischt (A222 Friedrich Schiller, Der Taucher; 2.1,268), von der heftigen Gemütsbewegung machen das das geblüt sich bewegt unnd südet umb das hertz (15. Jahrhundert; L059 DWb), übertragen auch das Kompositum im Partizip Präsens siedendheiß (L308 Kaspar Stieler), wohl erst neuer übertragen umgangssprachlich ›plötzlich‹: ihr fiel siedendheiß ein.
Siedepunkt (L033 Joachim Heinrich Campe) »Grad der Hitze, in welcher das Wasser siedet.. im Gegensatz vom Gefrierpunkte« (ebenda); übertragen von der gereizten, auch stark gehobenen Stimmung, Gemütslage ›Höhepunkt‹: die haltung der bischöfe brachte die wuth der universitarier zum siedepunkt (1899; L059 DWb), zuvor Siedpunkt, z. B. siedpunkt der freundschaft (Jean Paul; L059 DWb).
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